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Caesarion plapperte vergnügt vor sich hin und planschte in den Wellen. Genieße die Tage der Unschuld, dachte Kleopatra, denn sie sind rasch vorbei. Die Welt besteht nicht nur aus munteren Wellen und bunten Muscheln.

Ein Leben im Wartestand - und nichts, das sie ändern konnte. Sie konnte weder Marcus Antonius retten, noch verfügte sie über die Armee, um Cassius zu schlagen. Sie konnte nur ausharren und beobachten, wie der römische Machtkampf weiterging. Wenn er entschieden wäre, würde sie sich mit dem neuen Herrn einigen müssen.

Die Ironie des Ganzen war, daß ausgerechnet Cicero ihre Hoffnungen geschürt hatte.

Er und die anderen Senatoren hatten Octavian benutzt, um Antonius zu besiegen, doch zum Dank hatten sie den Triumphzug dem Decimus Brutus gestattet. Die Flotte hatten sie Sextus zugesprochen, dem Sohn des Pompejus. Cassius und Brutus hatten sie als Statthalter bestätigt und ihnen die Provinzen im Osten zugeteilt. Und was hatten sie Gajus Julius Caesar Octavian gegeben? Dem jungen Caesar? Nichts. Ihm war noch nicht einmal Anerkennung zuteil geworden. Statt dessen hatten sie ihn aufgefordert, die Vierte und die Marslegion dem Senat zu unterstellen.

Auf Cicero war Verlaß.

In der Zwischenzeit war Marcus Antonius, der es offenbar leid geworden war, sich von Baumrinde zu ernähren, wieder aus den Alpen aufgetaucht und hatte sich mit Marcus Lepidus verbündet, Caesars Befehlshaber der Reiterei.

Kleopatra hörte Schritte auf den höhergelegenen Treppenstufen über sich. Mardian. Sie holte tief Luft und wappnete sich.

»Wenn es wieder schlechte Nachrichten sind«, sagte sie, »werfe ich dich eigenhändig ins Wasser.«

»Ihr hattet recht. Cicero hat einen kleinen Löwen an der Leine geführt.«

»Hat unser junger Caesar nach ihm geschnappt?« Mardian reichte ihr eine Schriftrolle. Kleopatra erkannte das Siegel - der Bericht kam von Apollodoros aus Rom. Ihre Augen flogen über die Zeilen.

Octavian, der Junge, von dem Cicero geglaubt hatte, er könne ihn kommandieren, hatte sich mit Lepidus und Marcus Antonius zu einem Triumvirat zusammengeschlossen. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt marschierten sie auf Rom zu, begleitet von siebzehn Legionen und zehntausend Mann der Reiterei.

Kleopatra brach in Gelächter aus. Caesarion unterbrach sein Spiel und schaute sie verwundert an.

Octavian, den Antonius als Caesars Bübchen zu bezeichnen pflegte, hatte dem Senat die Zähne gezeigt. Sie hätte ihn für seinen Mut und sein Geschick bewundert, wenn sie nicht gewußt hätte, daß er auch Caesarions Leben beenden würde, wenn er könnte.

»Glaubt Ihr, daß das unsere Rettung ist, Majestät?« fragte Mardian.

»Was sagen deine Spitzel?« fragte sie zurück und warf ihm die Schriftrolle zu.

»Sie sagen, daß ich noch nicht so bald im Hafenwasser lande.«

Kleopatra lächelte. »Das stimmt. Mit etwas Glück bleibst du noch ein Weilchen im Trockenen.« Sie nahm einen Stein, holte weit aus und ließ ihn über die Wellen tanzen, wie früher als kleines Mädchen.

3

An gewöhnlichen Tagen wimmelte das Forum von Menschen. Händler, Geldverleiher, Fischverkäufer, Bäcker, Fleischer, dazwischen das Volk, Sklaven und Freie. Sie alle trieben dann durch die Gassen, und in den Eingangshallen der Tempel standen dicht nebeneinander die Tische der Schreiber, Wucherer, Wahrsager und ähnlicher Halsabschneider, ein Gewirr von Leibern, die Luft getränkt mit tausend Gerüchen.

An diesem Tag aber lag das Forum verlassen da - bis auf zwei Leichen, deren einer noch das Blut aus der offenen Kehle rann. Vom Palatin her drang der Lärm der Aufständischen, die sich dem Circus Maximus näherten. Dazwischen mischten sich Stiefelschritte - eine Kohorte der Vierten, die zum Eingreifen bereit war.

Es würde bald vorbei sein. Die Ordnung, von den Römern mehr geliebt als das Leben selbst, würde bald wiederhergestellt sein - sobald das Töten zu Ende war.

Die Proskriptionen, redete Antonius sich gut zu, waren notwendig gewesen. Die Senatoren, die sich ihnen widersetzt hatten, hatten sterben müssen, denn Caesars Großmut konnte sich nicht jeder leisten. Man sah ja, was es ihm gebracht hatte.

Und das Geld der Toten brauchten sie auch.

Cicero war der erste auf der Liste gewesen. Octavian dürstete nach Rache, Antonius wollte ihn aus dem Verkehr geschafft haben, und Lepidus hatte sich mit allem einverstanden erklärt. Wie man sich erzählte, war Cicero zu lange zu stolz gewesen, um zu fliehen. Als seine Diener ihn endlich überredet hatten, die Sänfte zu besteigen, war es bereits zu spät gewesen. Octavians Männer hatten ihn eine Meile hinter seinem Landgut, auf dem Weg nach Brindisi, gestellt. Als er den Kopf aus dem Fenster streckte, um nachzusehen, was es gab, war er ihm ohne langes Fackeln von einem der Zenturionen abgeschlagen worden. Wenn Cicero das geahnt hätte! Er hatte bestimmt noch eine letzte Rede vorbereitet, und es hätte ihn empört, daß sie nun ungehalten blieb.

Die Senatoren hatten in der Tat einen hohen Preis für ihren Starrsinn bezahlt. An die zweihundert der reichsten Männer Roms, die sich törichterweise für Brutus entschieden und Octavian gegen Antonius aufgehetzt hatten, ehe sie ihn fallenließen, mußten sich das Geschehen nun von der Rostra aus ansehen, wo ihre Köpfe dem Volk als Schaustücke dienten. Das Volk rührte so etwas nicht, es liebte jede Art von Blutvergießen, zumindest solange es nicht das eigene war.

Antonius zog weiter in Richtung Palatin. Unterwegs stieß er auf den nächsten Pöbelhaufen, der im Begriff war, das Haus eines Senators anzuzünden. Eine Kohorte der Marslegion versuchte, ihnen Einhalt zu gebieten. Als man seiner ansichtig wurde, brach die Menge in johlenden Beifall aus. Antonius nahm diesen mit unbewegter Miene entgegen und verdrängte die Gedanken an die Taten, mit denen er in Rom Ordnung geschaffen hatte.

In Antonius' Haus wartete die übliche Schar der Lobhudler, Speichellecker und Schmarotzer. Fulvia hatte ein Festmahl angesetzt, um seine Rückkehr zu feiern. Immerhin handelte es sich dabei um eine fast wundersame Umkehr des Geschicks. Inzwischen war es Spätherbst; noch im Frühling hatte er in den Alpen kampiert, ein Ausgestoßener, der seinen Durst mit geschmolzenem Schneewasser stillen mußte.

Ohne auf die Glückwünsche und aufmunternden Schläge auf den Rücken zu achten, drängte Antonius sich an den Gästen vorbei, die sich im Atrium versammelt hatten. Von irgendwoher drang kreischendes Gelächter an sein Ohr. Als er den Speiseraum betrat, sah er Fulvia dort neben dem Ehrenplatz thronen. Die Tische waren beladen mit gebratenen Fasanen, Enten, Spanferkeln und geschmorten Ochsenteilen. Fulvia hielt einen runden Gegenstand in der Hand. Die Gäste lachten verlegen.

Im Näherkommen sah Antonius, daß der Gegenstand ein Menschenkopf war. Ciceros Kopf. Fulvia bemühte sich ausgelassen, ihm Nadeln in die Zunge zu bohren. Ciceros rechte Hand lag in der Mitte des Tisches, zwischen den Kuchen und Süßigkeiten. Auf den ersten Blick wirkte die Hand wie ein ausgebleichter Krebs.

»Da kommt mein Gemahl«, rief Fulvia mit funkelnden Blicken.

Die Gäste verstummten. »Was machst du da?« herrschte Antonius sie an.

»Er wird dich nie wieder schmähen«, gackerte sie zurück. Dann sprach sie zu dem Kopf: »Komm, Cicero, halte uns eine deiner berühmten Reden! Langweile uns noch einmal zu Tode.«

»Wie kommt der Kopf hierher?« brach es aus Antonius hervor, doch Fulvia ließ sich nicht bremsen. Sie hielt ihm ihre Trophäe entgegen. »Die böse Zunge wurde bestraft«, verkündete sie triumphierend, »genau wie die Hand, die die Strafreden schrieb.«

Antonius wandte sich an zwei Männer der Leibgarde, die ihm gefolgt war. »Nehmt das weg, und bringt es zu den anderen auf der Rostra.«

Fulvia schleuderte ihm einen wütenden Blick entgegen.

»Wirst du jetzt auch zum Schwächling? So wie Caesar?« zischte sie.