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»Mir bleiben nur noch neun Tage«, klagte Arnau bei Guillem, als der Beamte gegangen war, »vielleicht weniger!«

Wie mochte diese Elionor wohl sein? Arnau konnte nicht schlafen, wenn er bloß daran dachte. War sie alt? Jung? Schön? Hässlich? Freundlich und umgänglich oder hochmütig und zynisch wie alle Adligen, die er bislang kennengelernt hatte? Wie sollte er eine Frau heiraten, die er nicht einmal kannte?

»Finde heraus, wie diese Frau ist«, bat er Joan. »Du wirst das hinbekommen. Ich muss ständig daran denken, was mich erwartet.«

Noch am selben Tag, nachdem der königliche Beamte in der Wechselstube vorstellig geworden war, erstattete Joan Bericht: »Angeblich ist sie die uneheliche Tochter eines Onkels des Königs, auch wenn sich niemand zu sagen getraut, welcher von ihnen. Ihre Mutter starb bei der Geburt, deshalb wurde sie bei Hof aufgenommen …«

»Aber wie ist sie, Joan?«, unterbrach ihn Arnau.

»Sie ist dreiundzwanzig Jahre alt und bildschön.«

»Und ihr Charakter?«

»Sie ist eine Adlige«, sagte Joan nur.

Warum sollte er Arnau erzählen, was er über Elionor gehört hatte? Gewiss, sie ist schön, hatte man ihm gesagt, doch aus ihrem Gesicht spricht ständiger Verdruss auf die ganze Welt. Sie ist launisch und verwöhnt, hochmütig und ehrgeizig. Der König hatte sie mit einem Adligen vermählt, der kurz darauf starb, und da sie keine Kinder hatte, war sie an den Hof zurückgekehrt. War dies wirklich eine Ehrerweisung für Arnau? Königlicher Großmut? Joans Vertraute lachten. Der König konnte Elionor nicht länger ertragen. Gab es denn eine bessere Partie für sie als einen der reichsten Männer Barcelonas, einen Geldwechsler, an den der König sich wenden konnte, wenn er Geld brauchte? König Pedro gewann in jeder Hinsicht: Er schaffte sich Elionor vom Hals und versicherte sich Arnaus Unterstützung. Doch warum sollte Joan Arnau das alles erzählen?

»Was willst du damit sagen – sie ist eine Adlige?«

»Na, genau das«, antwortete Joan, während er Arnaus Blick auswich. »Dass sie eine vornehme Dame ist, auch von noblem Charakter.«

Auch Elionor hatte ihre Erkundigungen angestellt, und mit jeder weiteren Nachricht wuchs ihr Zorn. Ein ehemaliger Bastaix, ein Angehöriger jener Zunft, die aus den Hafensklaven entstanden war. Wie konnte der König sie mit einem Bastaix verheiraten? Ja, er war reich, sehr reich, wie ihr alle bestätigt hatten, aber was interessierte sie sein Geld? Sie lebte bei Hofe und es fehlte ihr an nichts. Als sie erfuhr, dass Arnau der Sohn eines geflohenen Leibeigenen und von Geburt gleichfalls ein Unfreier gewesen war, beschloss sie, zum König zu gehen. Wie konnte der König verlangen, dass sie, die Tochter eines Infanten, eine solche Person ehelichte?

Doch Pedro III. empfing sie nicht. Die Hochzeit wurde auf den 21. Juni festgesetzt, zwei Tage vor seiner Abreise nach Mallorca.

Am nächsten Tag sollte er heiraten, in der Palastkapelle Santa Agata.

»Es ist eine kleine Kapelle«, erklärte ihm Joan. »Jaime II. ließ sie Anfang des Jahrhunderts nach den Anweisungen seiner Gemahlin Blanca von Anjou erbauen, um dort die Passionsreliquien aufzubewahren, genau wie in der Sainte-Chapelle in Paris, woher die Königin stammte.«

Es sollte eine Hochzeit im kleinen Rahmen werden. Arnau würde nur Joan dabeihaben. Mar weigerte sich mitzukommen. Seit er verkündet hatte, dass er heiraten würde, ging ihm das Mädchen aus dem Weg und schwieg in seiner Gegenwart. Hin und wieder sah sie ihn an, doch ihr Lächeln war verschwunden.

Aus diesem Grund sprach Arnau Mar an diesem Abend an und bat sie, ihn zu begleiten.

»Wohin?«, fragte das Mädchen.

Ja, wohin?

»Ich weiß nicht … Vielleicht nach Santa María? Dein Vater hat diese Kirche bewundert. Weißt du, dass ich ihn dort kennengelernt habe?«

Mar war einverstanden. Die beiden verließen die Wechselstube und spazierten zu der noch unvollendeten Fassade von Santa María. Die Maurer begannen gerade mit dem Bau der beiden flankierenden achteckigen Türme, und die Steinmetzen meißelten eifrig am Tympanon, den Türstürzen, dem Mittelpfosten und den Archivolten. Arnau und Mar traten in die Kirche. Die Rippen des zweiten Mittelschiffjochs reckten sich bereits in den Himmel, dem Schlussstein entgegen. Sie wirkten wie ein Spinnennetz, gestützt von den hölzernen Gerüsten, auf denen sie auflagen.

Arnau konnte die Nähe des Mädchens spüren. Sie war ebenso groß wie er, das Haar fiel ihr anmutig über die Schultern. Sie roch gut, frisch, nach Kräutern. Die meisten Handwerker bewunderten sie. Er sah es an ihren Augen, selbst wenn sie sich abwandten, nachdem sie Arnaus Blick bemerkten. Ihr Duft drang mit jeder ihrer Bewegungen zu ihm herüber.

»Weshalb willst du nicht zu meiner Hochzeit kommen?«, fragte er unvermittelt.

Mar gab keine Antwort. Sie ließ ihren Blick durch den Kirchenraum wandern.

»Man gestattet mir nicht einmal, in dieser Kirche zu heiraten«, murmelte Arnau.

Das Mädchen sagte noch immer nichts.

»Mar …« Arnau wartete, bis sie ihn ansah. »Ich hätte dich gerne am Tag meiner Hochzeit bei mir gehabt. Du weißt, dass es mir nicht gefällt und ich es gegen meinen Willen tue, aber der König … Ich werde dich nicht weiter drängen, einverstanden?« Mar nickte. »Kann dann alles zwischen uns sein wie immer?«

Mar blickte zu Boden. Es gab so vieles, was sie ihm gerne gesagt hätte. Aber sie konnte ihm seine Bitte nicht abschlagen. Sie hätte ihm nichts abschlagen können.

»Danke«, sagte Arnau. »Wenn du mich im Stich lassen würdest … Ich weiß nicht, was aus mir würde, wenn die Menschen, die ich liebe, mich im Stich lassen!«

Mar spürte, wie sich ihr Herz verkrampfte. Es war nicht diese Art von Zuneigung, nach der sie verlangte. Sie wollte Liebe. Weshalb nur war sie darauf eingegangen, ihn zu begleiten? Sie blickte zum Gewölbe der Apsis von Santa María hinauf.

»Joan und ich haben gesehen, wie dieser Schlussstein gesetzt wurde«, sagte Arnau, ihrem Blick folgend. »Wir waren damals noch Kinder.«

Zurzeit arbeiteten die Glaser in halsbrecherischer Höhe an den Fenstern des Obergadens. Die oberen Fenster der Apsis, die eine kleine Rosette zu bilden schienen, waren bereits fertiggestellt. Danach waren die darunterliegenden großen Spitzbogenfenster an der Reihe. Aus farbigem Glas, das mit dünnen Bleifassungen zusammengefügt wurde, gestalteten sie Figuren und Dekors, durch die wie durch einen Filter das Licht von außen in die Kirche fiel.

»Als Junge«, fuhr Arnau fort, »hatte ich das Glück, mit dem großen Berenguer de Montagut zu sprechen. Ich weiß noch, dass er sagte, wir Katalanen brauchten keinen anderen Schmuck als den Raum und das Licht. Der Baumeister hat zur Apsis hinaufgewiesen – genau dorthin, wo du jetzt hinschaust – und mit einer Handbewegung beschrieben, wie das Licht von dort zum Hauptaltar einfallen sollte. Ich tat so, als hätte ich verstanden, doch in Wirklichkeit war ich nicht in der Lage, mir vorzustellen, wovon er sprach.« Mar sah ihn an. »Ich war noch jung«, entschuldigte er sich, »und er war der Baumeister, der große Berenguer de Montagut. Heute jedoch verstehe ich, was er meinte.«

Arnau trat ganz nahe an Mar heran und deutete auf die Fensterrosette hoch oben. Mar versuchte zu verbergen, dass sie ein Schauder durchfuhr, als Arnau sie berührte.

»Siehst du, wie das Licht einfällt?« Er beschrieb eine Handbewegung bis zum Hauptaltar, so wie es Berenguer damals gemacht hatte, doch diesmal waren tatsächlich bunte Lichtstrahlen zu sehen, die von oben durch die Fenster fielen. Mar folgte Arnaus Handbewegung. »Schau nur. Die der Sonne zugewandten Fenster sind in leuchtenden Farben gehalten, Rot, Gelb und Grün, um die Kraft des Mittelmeerlichts zu nutzen. Die Fenster auf der Schattenseite sind weiß oder blau. Und während die Sonne am Himmel entlangwandert, ändert sich das Licht in der Kirche und wird von den Steinen reflektiert. Der Baumeister hatte ja so recht! Es ist, als stünde man jeden Tag, jede Stunde in einer neuen Kirche, ganz so, als erwachte sie zu immer neuem Leben. Denn auch wenn der Stein tot ist, so ist die Sonne lebendig und jeden Tag anders. Die Lichtreflexe sind nie gleich.«