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»Ihr wollt, dass ich Eure eigene Ziehtochter entführe und vergewaltige?«

»Mir scheint, Don Felip, ich habe mich deutlich genug ausgedrückt. Ich kann Euch die Zusicherung geben, dass Euer Vergehen nicht bestraft werden wird.«

»Aber warum?«

»Die Gründe sind meine Sache! Nun, wie entscheidet Ihr?«

»Was hätte ich davon?«

»Die Mitgift wäre hoch genug, um all Eure Schulden zu begleichen – und glaubt mir, mein Mann wird sehr großzügig gegenüber seiner Ziehtochter sein. Außerdem stündet Ihr hoch in meiner Gunst, und Ihr wisst ja, wie nahe ich dem König stehe.«

»Und der Baron?«

»Um den kümmere ich mich.«

»Ich verstehe nicht …«

»Es gibt nichts weiter zu verstehen. Entweder Ruin, Schande und Schmach, oder meine Gunst.« Felip de Ponts setzte sich. »Ruin oder Reichtum, Don Felip. Wenn Ihr Euch weigert, wird der Baron noch morgen Euer Land, Eure Waffen und Eure Tiere pfänden. So viel kann ich Euch versichern.«

44

Es vergingen zehn Tage voll beklemmender Ungewissheit, bis Arnau die ersten Nachrichten von Mar erhielt. Zehn Tage, in denen er nichts anderes tat, als der Frage nachzugehen, was mit dem Mädchen geschehen war, nachdem es spurlos verschwunden war. Er sprach beim Stadtrichter und den Ratsherren vor, damit diese alles daransetzten, die Vorgänge aufzuklären. Er setzte hohe Belohnungen für jeden Hinweis auf Mars Schicksal und ihren Aufenthaltsort aus, und er betete, wie er noch nie im Leben gebetet hatte. Schließlich bestätigte Elionor, die behauptete, die Information von einem durchreisenden Händler zu haben, seine Befürchtungen. Das Mädchen war von einem Ritter namens Felip de Ponts entführt worden, einem seiner Schuldner, der sie in einem Wehrhof in der Nähe von Mataró festhielt, keine Tagesreise nördlich von Barcelona.

Arnau entsandte die Missatges des Seekonsulats dorthin. Er selbst ging zur Kirche Santa María, um zu seiner Madonna zu beten.

Niemand wagte es, ihn zu stören. Selbst die Handwerker hielten in ihrer Arbeit inne. Vor dem kleinen steinernen Gnadenbild kniend, das ihm ein Leben lang so viel bedeutet hatte, versuchte Arnau, die schrecklichen Szenen zu verdrängen, die ihn zehn Tage lang gequält hatten und die sich nun in seinen Gedanken mit dem Gesicht Felip de Ponts verbanden.

Felip de Ponts hatte Mar in ihrem eigenen Haus überfallen, geknebelt und geschlagen, bis das Mädchen schließlich erschöpft seinen Widerstand aufgab. Er hatte sie in einen Sack gesteckt und diesen auf einen mit Reitgeschirr beladenen Karren gehievt, der von einem seiner Bediensteten gelenkt wurde. So hatten sie das Stadttor passiert, ohne dass jemand Verdacht schöpfte, denn es sah so aus, als wäre der Ritter in die Stadt gekommen, um Zügel und Zaumzeuge zu kaufen oder reparieren zu lassen. Auf seinem Hof angekommen, brachte er das Mädchen in den befestigten Turm und schändete es immer wieder, mit zunehmender Rücksichtslosigkeit und Lust, je deutlicher ihm die Schönheit seiner Geisel bewusst wurde und je verzweifelter sie versuchte, ihren Körper, wenn schon nicht mehr ihre Jungfräulichkeit, zu schützen. Eigentlich hatte Felip de Ponts Joan versprochen, Mar zu entjungfern, ohne sie zu entkleiden oder ihr seine eigene Blöße zu zeigen und dabei nur so viel Gewalt anzuwenden, wie unbedingt nötig war. Beim ersten Mal hielt er sich auch daran; und dabei hätte es bleiben sollen, doch die Wollust war stärker als sein ritterliches Ehrenwort.

Nichts von dem, was sich Arnau unter Tränen und mit wehem Herzen in der Kirche Santa María ausmalte, konnte mit dem mithalten, was das Mädchen durchlitt.

Als die Missatges in die Kirche stürmten, kamen die Bauarbeiten völlig zum Erliegen. Die Stimme des Hauptmanns hallte von den Wänden wider wie im Gerichtssaal des Seekonsulats.

»Ehrenwerter Herr Konsul, es stimmt. Eure Tochter wurde entführt und befindet sich in der Gewalt des Ritters Felip de Ponts.«

»Habt ihr mit ihm gesprochen?«

»Nein, Herr Konsul. Er hat sich im Turm verschanzt und unsere Autorität in Abrede gestellt, da es keine Handelsangelegenheit betrifft.«

»Wisst ihr etwas von dem Mädchen?«

Der Hauptmann senkte den Blick.

Arnau grub die Fingernägel in das Holz des Betstuhls.

»Ich habe keine Autorität? Die soll er haben«, presste er hervor.

Die Nachricht von Mars Entführung verbreitete sich rasch. Am nächsten Tag begannen bei Tagesanbruch sämtliche Kirchenglocken Barcelonas durchdringend zu läuten, und das »Via fora!« erscholl wie aus einer Kehle: Es galt, eine Bürgerin Barcelonas zu retten.

Wie so oft schon verwandelte sich die Plaza del Blat in den Sammelplatz des Bürgerheeres von Barcelona, an dem sich sämtliche Zünfte der Stadt einfanden. Es fehlte keine, und die bewaffneten Zunftmitglieder sammelten sich unter ihren Bannern. An diesem Morgen legte Arnau seine Prunkgewänder ab und zog erneut jene einfachen Kleider an, in denen er damals unter dem Befehl Eiximèn d'Esparças und dann gegen Pedro den Grausamen gekämpft hatte. Er benutzte immer noch die herrliche Armbrust seines Vaters. Er hatte sie nicht gegen eine andere eintauschen wollen und war nun so dankbar dafür wie nie zuvor. Am Gürtel trug er denselben Dolch, mit dem er vor Jahren seinen Feinden den Tod gebracht hatte.

Als Arnau auf den Platz kam, wurde er von über dreitausend Männern begrüßt. Die Fahnenträger erhoben die Banner. Schwerter, Lanzen und Armbrüste wurden über den Köpfen geschwenkt, während ein ohrenbetäubendes »Via fora!« erklang. Arnau zeigte keine Regung. Joan und Elionor, die hinter Arnau standen, wurden bleich. Arnau blickte suchend über das Meer von Waffen und Bannern. Die Geldwechsler hatten keine eigene Zunft.

»War das in unseren Plänen vorgesehen?«, fragte der Dominikanermönch Elionor inmitten des Lärms.

Elionor starrte verloren in die Menge. Ganz Barcelona stand hinter Arnau. Johlend schwenkten sie ihre Waffen. Und das alles wegen dieser kleinen Hexe.

Da entdeckte Arnau das Banner. Die Menge ließ ihn durch, während er zum Sammelpunkt der Bastaixos ging.

»War das in unseren Plänen vorgesehen?«, fragte der Mönch noch einmal. Die beiden gingen langsam hinter Arnau her. Elionor gab keine Antwort. »Sie werden unseren Ritter vernichten. Sie werden sein Land verwüsten, sein Gehöft zerstören, und dann …«

»Und dann was?«, blaffte Elionor, während sie nach vorn sah.

Ich werde meinen Bruder verlieren, dachte Joan. Vielleicht bleibt uns noch Zeit, etwas zu unternehmen. Das kann nicht gut gehen …

»Sprecht mit ihm«, bat er Elionor.

»Seid Ihr verrückt geworden?«

»Und wenn er der Ehe nicht zustimmt? Und wenn Felip de Ponts alles erzählt? Sprecht mit ihm, bevor sich das Heer in Marsch setzt. Tut es. Bei Gott, Elionor!«

»Bei Gott?« Nun sah Elionor Joan an. »Sprecht Ihr mit Eurem Gott, Mönch!«

Die beiden erreichten das Banner der Bastaixos. Dort erblickten sie Guillem, unbewaffnet, wie es sich für einen Sklaven gehörte.

Arnau sah Elionor mit gerunzelter Stirn an, als er sie bemerkte.

»Sie ist auch meine Ziehtochter«, rief sie.

Die Ratsherren gaben den Befehl zum Abmarsch und das Bürgerheer von Barcelona setzte sich in Bewegung. Die Banner von Sant Jordi und der Stadt zogen voran, gefolgt von den Bastaixos und den übrigen Zünften, dreitausend Mann gegen einen einzelnen Ritter. Auch Elionor und Joan befanden sich unter ihnen.

Auf halbem Wege wuchs das Bürgerheer von Barcelona um mehr als hundert Bauern von Arnaus Besitzungen an, die bereitwillig mit ihren Armbrüsten auszogen, um für den Mann zu kämpfen, der sich ihnen gegenüber so großzügig verhalten hatte. Arnau stellte fest, dass sich ihnen kein Adliger oder Ritter anschloss.

Gemeinsam mit den anderen Bastaixos schritt Arnau grimmig hinter dem Banner her. Joan versuchte zu beten, doch was ihm sonst so leicht über die Lippen ging, wurde nun zu einem wirren Gedankenwust. Weder er noch Elionor hatten damit gerechnet, dass Arnau das Bürgerheer der Stadt einberufen würde. Die Schritte der dreitausend Mann, die auszogen, um einer Bürgerin Barcelonas Gerechtigkeit und Genugtuung widerfahren zu lassen, dröhnten Joan in den Ohren. Viele von ihnen hatten ihre Töchter geküsst, bevor sie aufgebrochen waren. Mehr als einer hatte, bereits bewaffnet, beim Abschied das Kinn seiner Frau angehoben und zu ihr gesagt: »Barcelona verteidigt seine Bürger … vor allem seine Frauen.«