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Einige Kämpfe genügten, damit sich Arnau einen Ruf unter den Soldaten erwarb. Wenn er in der knapp bemessenen freien Zeit, die ihm blieb, durchs Lager ging, merkte er, wie sie ihn beobachteten und mit dem Finger auf ihn deuteten. Es war ein merkwürdiges Gefühl, wenn in seiner Gegenwart die Gespräche verstummten und alle Blicke auf ihm ruhten.

Der Offizier Eiximèn d'Esparças lächelte über die Frage seines Kameraden.

»Ob ich mich dafür wohl mit einem ihrer Mädchen vergnügen kann?«, wollte er wissen.

»Natürlich. Die Alte ist verrückt nach deinem Soldaten. Sie würde alles tun, um ihn zu sehen. Du kannst dir nicht vorstellen, wie ihre Augen glänzten.«

Die beiden lachten.

»Wohin soll ich ihn bringen?«

Francesca wählte für den Anlass ein kleines Gasthaus außerhalb von Figueras.

»Stell keine Fragen und tu, was man dir sagt«, wies der Offizier Arnau an. »Da ist jemand, der dich sehen möchte.«

Die beiden Offiziere begleiteten ihn bis zu dem Gasthaus und dort auf das elende Zimmerchen, in dem bereits Francesca wartete. Als Arnau eintrat, schlossen sie die Tür und verriegelten sie von außen. Arnau fuhr herum und versuchte sie zu öffnen. Dann hämmerte er gegen das Holz.

»Was ist los?«, brüllte er. »Was soll das?«

Die Antwort der Offiziere bestand in schallendem Gelächter.

Arnau hörte ein Weilchen zu. Was hatte das zu bedeuten? Plötzlich merkte er, dass er nicht alleine war, und drehte sich um. Hinter ihm stand Francesca am Fenster und beobachtete ihn, schwach beschienen von einer Kerze, die an einer der Wände hing. Trotz des schummrigen Lichts leuchtete ihr grünes Kleid. Eine Hure! Wie viele Weibergeschichten hatte er an den wärmenden Feuern im Feldlager gehört, wie viele Männer brüsteten sich damit, ihr Geld mit einem Mädchen verjubelt zu haben, das stets noch besser, noch schöner und noch williger gewesen war als das vorherige. Dann schwieg Arnau immer und blickte zu Boden. Er war hier, weil er vor zwei Frauen davongelaufen war! Vielleicht war dieser grobe Streich eine Folge seines Schweigens, seines offensichtlich mangelnden Interesses an Frauen … Wie oft hatte man ihn wegen seiner wortkargen Art gestichelt!

»Was soll das alles?«, fragte er Francesca. »Was willst du von mir?«

Sie konnte ihn noch nicht erkennen. Die Kerze spendete nicht genügend Licht, aber seine Stimme … Seine Stimme war die eines Mannes, und er war groß und kräftig, wie ihr das Mädchen erzählt hatte. Sie merkte, dass ihre Knie zitterten und ihre Beine nachgaben. Es war ihr Sohn!

Francesca musste sich räuspern, bevor sie sprach.

»Beruhige dich. Ich will nichts, was dich in deiner Ehre verletzen könnte. Außerdem«, setzte sie hinzu, »sind wir allein. Was könnte ich, eine schwache Frau, gegen einen jungen, kräftigen Mann wie dich ausrichten?«

»Warum lachen sie dann da draußen?«, fragte Arnau, der immer noch an der Tür stand.

»Lass sie lachen, wenn sie wollen. Der Verstand des Menschen geht krumme Wege, und im Allgemeinen geht er vom Schlimmsten aus. Wenn ich ihnen die Wahrheit gesagt und ihnen erzählt hätte, warum ich dich unbedingt sehen will, wären sie vielleicht nicht so hilfsbereit gewesen, wie sie es nun sind.«

»Was sollen sie schon von einer Hure und einem Mann denken, die in der Kammer eines Gasthauses eingeschlossen sind? Was kann man schon von einer Dirne erwarten?«

Sein Ton war hart, schneidend. Francesca fasste sich.

»Auch wir sind Menschen«, sagte sie und erhob die Stimme. »Der heilige Augustin schreibt, dass es Gott sein wird, der über die Dirnen richtet.«

»Du hast mich doch nicht hierherkommen lassen, um über Gott zu sprechen?«

»Nein.« Francesca ging auf ihn zu. Sie musste sein Gesicht sehen. »Ich habe dich kommen lassen, um mit dir über deine Frau zu sprechen.«

Arnau zögerte. Er war wirklich hübsch.

»Was? Wie ist es möglich …?«

»Sie ist schwanger.«

»Maria?«

»Aledis«, korrigierte Francesca unbedacht, aber … Hatte er Maria gesagt?

»Aledis?«

Francesca sah, dass der junge Mann zusammenfuhr. Was hatte das zu bedeuten?

»Was quatscht ihr so lange?«, wurde vor der Tür gegrölt. Jemand hämmerte an die Tür, Gelächter war zu hören. »Was ist los, Patronin? Bist du ihm nicht gewachsen?«

Arnau und Francesca sahen sich an. Sie gab ihm ein Zeichen, sich von der Tür zu entfernen, und er gehorchte. Die beiden senkten die Stimmen.

»Sagtest du Maria?«, fragte Francesca, als sie neben dem Fenster auf der anderen Seite des Raumes standen.

»Ja. Meine Frau heißt Maria.«

»Und wer ist dann Aledis? Sie hat mir gesagt …«

Arnau schüttelte den Kopf. War das Traurigkeit in seinen Augen?, fragte sich Francesca. Arnau hatte die Haltung verloren. Seine Arme hingen kraftlos herunter, und sein zuvor so stolz gereckter Hals schien unfähig, das Gewicht des Kopfes zu tragen. Aber er antwortete nicht. Francesca spürte einen Stich ganz tief in ihrem Herzen. Was hast du, mein Sohn?

»Wer ist Aledis?«, erkundigte sie sich.

Arnau schüttelte erneut den Kopf. Er hatte alles zurückgelassen, Maria, seine Arbeit, die Jungfrau … Und nun war sie hier! Schwanger!

Alle Welt würde es erfahren. Wie sollte er nach Barcelona zurückkehren, zu seiner Arbeit, in sein Haus?

Francesca blickte aus dem Fenster. Draußen war es dunkel. Was war das für ein Schmerz, der ihr zusetzte? Sie hatte Männer gesehen, die am Boden lagen, Frauen ohne Hoffnung, sie hatte Tod und Armut erlebt, Krankheit und Siechtum, doch noch nie hatte sie dergleichen empfunden.

»Ich glaube nicht, dass sie die Wahrheit sagt«, bemerkte sie mit zugeschnürter Kehle, während sie immer noch aus dem Fenster blickte. Sie sah, wie sich Arnau neben ihr straffte.

»Wie meinst du das?«

»Dass ich nicht glaube, dass sie schwanger ist. Ich glaube, dass sie lügt.«

»Was tut das noch zur Sache!«, hörte Arnau sich selbst sagen.

Sie war hier, das genügte. Sie verfolgte ihn, trieb ihn erneut in die Enge. Alles, was er getan hatte, war umsonst gewesen.

»Ich könnte dir helfen.«

»Weshalb solltest du das tun?«

Francesca wandte sich ihm zu. Sie berührten sich fast. Sie konnte ihn anfassen. Sie konnte ihn riechen. Weil du mein Sohn bist!, konnte sie sagen, es war der Moment dazu. Aber was mochte Bernat über sie erzählt haben? Was brachte es ein, wenn dieser Junge erfuhr, dass seine Mutter eine ehrlose Frau war? Francesca streckte zitternd ihre Hand aus. Arnau rührte sich nicht. Was brachte das ein? Sie hielt inne. Über zwanzig Jahre waren vergangen und sie war nur eine Hure.

»Weil sie mich hintergangen hat«, antwortete sie. »Ich habe ihr zu essen gegeben, habe sie gekleidet und aufgenommen. Ich mag es nicht, wenn man mich hintergeht. Du scheinst ein anständiger Mensch zu sein, und ich glaube, dass sie versucht, auch dich zu betrügen.«

Arnau sah ihr in die Augen. Was hatte er noch zu verlieren? Von ihrem Mann befreit und weit weg von Barcelona, würde Aledis alles erzählen, und außerdem … Irgendetwas an dieser Frau wirkte beruhigend auf ihn.

Arnau senkte den Kopf und begann zu erzählen.

29

König Pedro III. befand sich seit sechs Tagen in Figueras, als er am 28. Juli 1343 Befehl gab, das Lager aufzuheben und nach Roussillon aufzubrechen.

»Du wirst dich noch gedulden müssen«, sagte Francesca zu Aledis, während die Mädchen das Zelt abschlugen, um dem Heer zu folgen. »Wenn der König den Befehl zum Aufbruch gibt, können die Soldaten ihre Truppe nicht verlassen. Vielleicht im nächsten Feldlager …«

Aledis sah sie fragend an.

»Ich habe ihm eine Botschaft geschickt«, erklärte Francesca beiläufig. »Kommst du mit uns?«

Aledis nickte.

»Dann pack mit an«, forderte Francesca sie auf.

Tausendzweihundert berittene Männer und über viertausend Fußsoldaten setzten sich nach La Junquera in Bewegung, das etwas mehr als eine halbe Tagesreise von Figueras entfernt war, zum Krieg gerüstet und mit Vorräten für acht Tage. Dem Heer folgte ein ganzer Tross von Karren, Maultieren und allerlei buntem Volk. In La Junquera ließ der König erneut das Lager aufschlagen. Ein weiteres Mal überbrachte ein päpstlicher Bote, diesmal ein Augustinermönch, einen Brief Jaimes III. Nach der Eroberung Mallorcas durch Pedro III. hatte sich König Jaime Hilfe suchend an den Papst gewandt, doch die Vermittlungsversuche von Mönchen, Bischöfen und Kardinälen waren vergeblich gewesen.