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»Wir Christen dürfen keine Zinsen nehmen, aber durch die Warengeschäfte ist das Ergebnis dasselbe«, sagte Arnau.

»Genau. Was eure Kirche verbieten will, sind nicht die Zinsen an sich, sondern das Erzielen von Gewinn durch Geldbesitz statt durch Arbeit. Das gilt nicht für Darlehen an Könige, Adlige oder Ritter, denn diesen darf ein Christ sehr wohl Geld gegen Zinsen leihen. Die Kirche geht davon aus, dass solche Darlehen der Kriegführung dienen, und hält folglich einen Zins für angemessen.«

»Aber das betrifft nur die christlichen Geldwechsler«, wandte Arnau ein. »Man kann nicht alle Christen für ihr Tun verurteilen …«

»Täusche dich nicht, Arnau«, sagte Hasdai mit einem Lächeln. Seine Hände waren in Bewegung. »Die Wechsler verwahren das Geld von Christen, und mit diesem Geld tätigen sie Warengeschäfte, deren Gewinne sie danach jenen Christen ausbezahlen müssen, die ihnen ihr Geld anvertraut haben. Die Wechsler halten ihr Gesicht hin, aber das Geld gehört allen Christen, die ihr Vermögen zu ihren Wechseltischen bringen. Etwas wird sich nie ändern, Arnau: Wer Geld hat, will mehr Geld. Er hat kein Geld zu verschenken und wird nie Geld zu verschenken haben. Wenn es eure Bischöfe nicht tun, weshalb dann die Gläubigen? Ob Darlehen oder Warengeschäft oder wie auch immer man das Ganze nennen mag – die Leute haben nichts zu verschenken, und doch sind wir die einzigen Wucherer.«

Während sie so sprachen, wurde es Nacht, eine sternenklare, laue Mittelmeernacht. Eine Weile saßen die drei still da und genossen die Ruhe und den Frieden in dem kleinen Gärtchen hinter Hasdai Crescas Haus. Schließlich wurden sie zum Essen gerufen, und zum ersten Mal, seit er bei diesen Juden lebte, sah Arnau in ihnen Menschen wie seinesgleichen, mit einem anderen Glauben, aber so gut und so mildtätig, wie es die frommsten Christen nur sein konnten. An diesem Abend aß er gemeinsam mit Hasdai und sprach, bedient von den Frauen des Hauses, ohne Bedenken den Genüssen der jüdischen Küche zu.

33

Die Zeit verstrich und die Lage begann für alle unbehaglich zu werden. Die Nachrichten über die Pest, die das Judenviertel erreichten, waren beruhigend. Es traten immer weniger Fälle auf. Arnau musste nach Hause zurückkehren. Am Abend zuvor hatten sich Arnau und Hasdai im Garten getroffen. Sie versuchten sich über nichtige Dinge zu unterhalten, doch die Nacht roch nach Abschied, und während sie so sprachen, vermieden sie es, sich anzusehen.

»Sahat gehört dir«, sagte Hasdai plötzlich und reichte ihm ein Schriftstück, das dies bestätigte.

»Was soll ich mit einem Sklaven? Ich kann nicht einmal mich selbst ernähren, bis der Seehandel wieder aufgenommen wird. Wie soll ich da einen Sklaven unterhalten? Die Zunft lässt nicht zu, dass Sklaven mitarbeiten. Ich brauche Sahat nicht.«

»Doch, du wirst ihn brauchen können«, entgegnete Hasdai lächelnd. »Er steht in deiner Schuld. Seit Raquel und Jucef auf der Welt sind, kümmert er sich um sie, als wären sie seine eigenen Kinder, und ich versichere dir, dass er sie ebenso sehr liebt. Weder Sahat noch ich können dir jemals vergelten, was du für sie getan hast. Wir dachten, der beste Weg, diese Schuld abzutragen, sei es, dir das Leben zu erleichtern. Dazu wirst du Sahat brauchen, und er steht bereit.«

»Mir das Leben erleichtern?«

»Wir beide werden dir dabei helfen, reich zu werden.«

Arnau erwiderte das Lächeln des Mannes, der noch sein Gastgeber war.

»Ich bin ein einfacher Bastaix. Reichtum ist nur etwas für Adlige und Händler.«

»Und auch für dich, dafür werde ich schon sorgen. Wenn du klug vorgehst und dich an Sahats Anweisungen hältst, habe ich keinen Zweifel, dass es dir gelingen wird.« Arnau sah ihn an, während er auf weitere Erklärungen wartete. »Wie du weißt«, fuhr Hasdai fort, »ist die Pest auf dem Rückzug. Es treten nur noch vereinzelte Fälle auf, doch die Auswirkungen der Seuche sind erschreckend. Niemand weiß genau, wie viele Menschenleben sie in Barcelona gefordert hat, aber bekannt ist, dass vier von fünf Ratsherren gestorben sind. Und das kann schlimme Folgen haben. Nun, die Sache ist Folgende: Unter den Toten sind viele Geldwechsler, die ihr Geschäft in Barcelona hatten. Ich weiß es, weil ich mit ihnen zusammengearbeitet habe und sie nun nicht mehr da sind. Ich glaube, wenn du Interesse daran hast, könntest du in den Geldwechsel einsteigen …«

»Ich habe keine Ahnung von Geldgeschäften«, unterbrach ihn Arnau. »Außerdem muss man eine Prüfung ablegen, und ich habe keine Ahnung von diesen Dingen.«

»Die Geldwechsler müssen das noch nicht«, antwortete Hasdai. »Ich weiß, dass man den König aufgefordert hat, Bedingungen zu erlassen, aber noch hat er es nicht getan. Der Geldwechsel ist ein freier Beruf, solange du dein Geschäft versicherst. Was die Kenntnisse betrifft, so hat Sahat mehr als genug davon. Er weiß wirklich alles über den Geldwechsel. Er arbeitet seit vielen Jahren für mich. Ich habe ihn gekauft, weil er ein Experte in diesen Transaktionen war. Wenn du ihn gewähren lässt, wirst du rasch dazulernen und Erfolg haben. Obwohl er ein Sklave ist, ist er ein absolut vertrauenswürdiger Mann, der dir sehr verbunden ist für das, was du für meine Kinder getan hast – die einzigen Menschen, die er je geliebt hat. Sie sind seine Familie.« Hasdai sah Arnau fragend an. »Und?«

»Ich weiß nicht …«, zögerte Arnau.

»Du kannst auf meine Hilfe zählen und die aller Juden, die von deiner mutigen Tat wissen. Wir sind ein dankbares Volk, Arnau. Sahat kennt alle meine Handelspartner rund ums Mittelmeer, in Europa und sogar im fernen Orient, in den entlegenen Gegenden des Sultans von Ägypten. Du wirst eine gute Grundlage für deine Geschäfte haben und wir werden dir am Anfang helfen. Es ist ein guter Vorschlag, Arnau. Du wirst keinerlei Probleme haben.«

Arnaus skeptische Zustimmung setzte die ganze Maschinerie in Gang, die Hasdai bereits vorbereitet hatte. Erste Regeclass="underline" Niemand, wirklich niemand durfte wissen, dass Arnau von den Juden unterstützt wurde. Das würde ihm schaden. Hasdai überreichte ihm einen Beleg, demzufolge alles Geld, über das er verfügte, von einer alten Christin aus Perpignan stammte, und formal war es auch so.

»Wenn dich jemand danach fragt«, riet ihm Hasdai, »dann antworte nicht. Wenn dir nichts anderes übrig bleibt, dann hast du geerbt. Du wirst ziemlich viel Geld brauchen«, fuhr er fort. »Zunächst einmal musst du deine Wechselstube beim Magistrat von Barcelona versichern und eine Sicherheit von tausend Silbermark hinterlegen. Dann musst du ein Haus im Viertel der Geldwechsler kaufen oder anmieten, in der Canvis Vells oder der Canvis Nous, und es für deine Zwecke herrichten. Schließlich brauchst du weiteres Geld, um mit der Arbeit zu beginnen.«

Geldwechsler! Warum eigentlich nicht? Was war ihm von seinem alten Leben geblieben? Alle seine Lieben waren an der Pest gestorben. Hasdai schien überzeugt zu sein, dass die Wechselstube mit Sahats Hilfe funktionieren würde. Er konnte sich nicht einmal vorstellen, wie das Leben eines Geldwechslers aussah. Er würde reich werden, hatte ihm Hasdai versichert. Was machte man als reicher Mann? Plötzlich musste er an Grau denken, den einzigen Reichen, den er kannte, und er hatte ein flaues Gefühl im Magen. Nein, er würde niemals so werden wie Grau.