Er versicherte seine Wechselstube mit den tausend Silbermark, die Hasdai ihm gab, und schwor vor dem Magistrat, Falschgeld zu melden – er fragte sich, wie er die Münzen erkennen sollte, wenn Sahat einmal nicht da war – und es mit einer speziellen Zange, die jeder Geldwechsler haben musste, entzweizubrechen. Der Magistrat legalisierte mit seiner Unterschrift die riesigen Rechnungsbücher, in denen Arnaus Geschäftsaktionen festgehalten werden sollten, und während in Barcelona nach der Beulenpest das Chaos herrschte, erhielt er die Genehmigung, eine Wechselstube zu eröffnen. Es wurde festgesetzt, an welchen Tagen und zu welchen Uhrzeiten er sich vor seinem Laden befinden musste.
Der zweite Ratschlag, den Hasdai ihm mitgab, betraf Sahat.
»Niemand darf wissen, dass er ein Geschenk von mir ist. Sahat ist bestens bekannt unter den Geldwechslern, und wenn jemand davon erfährt, bekommst du Schwierigkeiten. Als Christ kannst du Geschäfte mit Juden machen, aber sieh dich vor, dass man dich nicht einen Judenfreund nennt. Da ist noch ein weiteres Problem mit Sahat, von dem du wissen solltest: Nur wenige Geldwechsler würden seinen Verkauf verstehen. Ich hatte Hunderte von Angeboten für ihn, darunter sehr großzügige, doch ich habe mich stets geweigert, sowohl wegen seines Sachverstands als auch wegen seiner Liebe zu meinen Kindern. Sie würden es nicht verstehen. Deshalb haben wir uns überlegt, dass Sahat zum Christentum konvertiert …«
»Er konvertiert?«, unterbrach ihn Arnau.
»Ja. Es ist uns Juden verboten, christliche Sklaven zu besitzen. Wenn einer unserer Sklaven konvertiert, müssen wir ihn freilassen oder an einen anderen Christen verkaufen.«
»Und werden ihm die anderen Geldwechsler diese Bekehrung abnehmen?«
»Eine Pestepidemie kann jeden Glauben erschüttern.«
»Ist Sahat zu diesem Opfer bereit?«
»Das ist er.«
Sie hatten darüber gesprochen, nicht wie Herr und Sklave, sondern wie zwei Freunde, die sie im Laufe der Jahre geworden waren.
»Wärst du dazu bereit?«, hatte Hasdai gefragt.
»Ja«, antwortete Sahat. »Allah – gelobt und gepriesen sei er! – wird es verstehen. Du weiß ja, dass die Ausübung unseres Glaubens in christlichen Ländern verboten ist. Wir kommen unseren Verpflichtungen heimlich nach, in der Verschwiegenheit unserer Herzen. Und so wird es bleiben, ganz gleich, wie viel Weihwasser man mir über den Kopf schüttet.«
»Arnau ist ein gläubiger Christ«, stellte Hasdai klar. »Wenn er davon erfährt …«
»Er wird es nie erfahren. Wir Sklaven kennen uns bestens in der Kunst der Verstellung aus. Nein, das gilt nicht für dich, aber ich bin überall Sklave, wo ich hingehe. Oft hängt unser Leben davon ab.«
Die dritte Regel blieb ein Geheimnis zwischen Hasdai und Sahat.
»Ich muss dir nicht sagen, Sahat«, erklärte sein früherer Herr mit bewegter Stimme, »wie dankbar ich dir für deine Entscheidung bin. Meine Kinder und ich werden dir ewig dankbar sein.«
»Ich bin es, der euch zu danken hat.«
»Ich nehme an, du weißt, worauf du dich im Moment konzentrieren solltest …«
»Ich denke schon.«
»Keine Gewürze. Keine Stoffe, kein Öl, kein Wachs«, riet ihm Hasdai, während Sahat mit dem Kopf nickte. Er ahnte schon, was nun kam. »Bis sich die Lage wieder stabilisiert hat, ist Katalonien noch nicht für solche Importe bereit. Sklaven, Sahat, Sklaven. Nach der Pest braucht Katalonien Arbeitskräfte. Bislang hatten wir nicht viel mit dem Sklavenhandel zu tun. Du findest Sklavenmärkte in Byzanz, Palästina, Rhodos und Zypern. Natürlich auch in Sizilien. Soweit ich weiß, werden in Sizilien viele Türken und Tataren verkauft. Ich würde allerdings dazu raten, dich an ihren Herkunftsorten umzusehen; wir haben dort überall Handelspartner, an die du dich wenden kannst. In kürzester Zeit wird dein neuer Herr ein beträchtliches Vermögen anhäufen.«
»Und wenn Arnau den Sklavenhandel ablehnt? Er wirkt nicht wie einer, der …«
»Er ist ein guter Mensch«, unterbrach ihn Hasdai, um seine Vermutungen zu bestätigen, »gewissenhaft, aus einfachen Verhältnissen stammend und sehr großzügig. Es kann sein, dass er sich weigert, in den Sklavenhandel einzusteigen. Bring sie nicht nach Barcelona. Arnau darf sie nicht sehen. Bring sie direkt nach Perpignan, Tarragona oder Salou oder verkaufe sie gleich auf Mallorca. Mallorca hat einen der wichtigsten Sklavenmärkte des Mittelmeers. Beauftrage andere damit, sie nach Barcelona zu bringen oder anderswo mit ihnen zu handeln. Auch Kastilien braucht dringend Sklaven. Bis Arnau begreift, worum es geht, wird genügend Zeit vergehen, um ausreichend Geld zu verdienen. Ich würde ihm vorschlagen – und das werde ich ihm auch persönlich empfehlen –, sich zunächst mit den Münzen, dem Geldwechsel, den Märkten, den Handelsrouten und den wichtigsten Einfuhr- und Ausfuhrgütern vertraut zu machen. In der Zwischenzeit kannst du dich deinen Dingen widmen, Sahat. Denk daran, dass wir auch nicht schlauer sind als die anderen und jeder, der ein wenig Geld hat, Sklaven einkaufen wird. Es wird eine sehr lukrative, aber kurze Zeit sein. Nutze die Zeit, bis der Markt gesättigt ist.«
»Kann ich auf deine Hilfe zählen?«
»In jeder Hinsicht. Ich werde dir Schreiben an all meine Handelspartner mitgeben, die du bereits kennst. Sie werden dir das Geld vorstrecken, das du benötigst.«
»Und die Bücher? Die Sklaven müssen dort vermerkt werden und Arnau könnte sie überprüfen.«
Hasdai lächelte verschwörerisch.
»Ich bin sicher, dass du eine Lösung für dieses kleine Detail finden wirst.«
34
»Das da!« Arnau wies auf ein kleines, zweistöckiges Haus. An der verschlossenen Tür prangte ein weißes Kreuz. Sahat, der nun auf den Namen Guillem getauft war, nickte. »Ja?«, fragte Arnau.
Guillem nickte erneut, diesmal mit einem Lächeln auf den Lippen.
Arnau betrachtete das Häuschen und schüttelte ungläubig den Kopf. Er hatte nur darauf gezeigt und Guillem hatte zugestimmt. Es war das erste Mal in seinem Leben, dass seine Wünsche so einfach in Erfüllung gingen. Würde es von nun an immer so sein? Er schüttelte erneut den Kopf.
»Ist etwas, Herr?« Arnau sah ihn streng an. Wie oft hatte er ihm gesagt, dass er nicht Herr genannt werden wollte? Aber der Maure hatte widersprochen und ihm entgegnet, dass sie den Schein wahren mussten. Guillem hielt dem Blick stand. »Gefällt es dir nicht, Herr?«
»Doch … Natürlich gefällt es mir. Ist es gut?«
»Natürlich. Es könnte nicht besser sein. Sieh, es liegt genau an der Ecke der beiden Geldwechslerstraßen, der Canvis Nous und der Canvis Vells. Könnte es eine bessere Lage geben?«
Arnau sah in die Richtung, in die Guillem zeigte. Die Canvis Vells verlief linker Hand in Richtung Meer, die Canvis Nous lag vor ihnen. Aber Arnau hatte das Haus nicht deswegen ausgewählt. Ihm war nicht einmal bewusst gewesen, dass dies die Straßen der Geldwechsler waren, obwohl er Hunderte Male dort entlanggegangen war. Das Häuschen stand am Vorplatz von Santa María, gegenüber dem zukünftigen Hauptportal.
»Ein gutes Omen«, murmelte er vor sich hin.
»Was sagst du, Herr?«
Arnau fuhr zu Guillem herum. Er ertrug es nicht, wenn er ihn mit diesem Wort ansprach.
»Welchen Schein müssen wir jetzt wahren?«, fuhr er ihn an. »Niemand hört uns. Niemand achtet auf uns.«
»Du magst es glauben oder nicht, aber seit du Geldwechsler bist, interessieren sich viele Augen und Ohren für dich. Daran musst du dich gewöhnen.«
Noch am selben Morgen brachte Guillem in Erfahrung, wem das Häuschen gehörte, während Arnau am Strand zwischen den Booten umherschlenderte und aufs Meer hinaussah. Wie zu erwarten, gehörte das Haus der Kirche. Seine Pächter waren gestorben, und wer wäre besser geeignet gewesen als ein Geldwechsler, um es zu beziehen?
Am Nachmittag zogen sie ein. Im Obergeschoss befanden sich drei Zimmer, von denen sie zwei einrichteten, eines für jeden von ihnen. Das Erdgeschoss bestand aus der Küche, die auf einen kleinen Garten hinausging, und, durch eine Zwischenwand getrennt, einem hellen Raum zur Straße hin. Diesen stattete Guillem mit einem Schrank, mehreren Öllampen und einem langen, edlen Tisch aus, hinter dem er zwei Stühle aufstellte und vier davor.