»Etwas fehlt noch«, sagte Guillem irgendwann. Dann verließ er das Haus.
Arnau blieb alleine in dem Raum zurück, der seine Wechselstube werden sollte. Der lange Holztisch glänzte. Arnau hatte ihn immer wieder poliert. Er fuhr mit den Fingern über die Rückenlehnen der beiden Stühle.
»Such dir deinen Platz aus«, hatte Guillem ihn aufgefordert.
Arnau hatte sich für den rechten entschieden, der von den zukünftigen Kunden aus gesehen links lag. Daraufhin hatte Guillem die Stühle getauscht: Auf die rechte Seite hatte er einen mit roter Seide gepolsterten Lehnstuhl gestellt. Der Stuhl des Mauren war ganz schlicht.
Arnau nahm auf seinem Stuhl Platz und betrachtete den leeren Raum. Wie sonderbar! Bis vor wenigen Monaten hatte er noch Schiffe entladen, und nun … Er hatte noch nie auf einem solchen Stuhl gesessen! Am Kopfende des Tisches stapelten sich die Bücher; sie waren aus makellosem Pergament, hatte Guillem beim Kauf erklärt. Sie hatten auch Federn, Tintenfässer, eine Waage, mehrere Schatullen für das Geld und eine große Zange, um das Falschgeld zu vernichten, besorgt.
»Wer bezahlt das alles?«, hatte er irgendwann gefragt.
»Du«, hatte Guillem geantwortet.
Arnau hatte überrascht die Augenbrauen gehoben und die Börse betrachtet, die an Guillems Gürtel hing.
»Möchtest du sie haben?«, hatte dieser ihm angeboten.
»Nein«, hatte er geantwortet.
Neben all diesen Dingen hatte Guillem etwas mitgebracht, das ihm gehörte: einen kostbaren Abakus mit hölzernem Rahmen und Marmorkugeln, ein Geschenk von Hasdai. Arnau ergriff ihn und schob die Kugeln hin und her. Was hatte Guillem noch einmal gesagt? Zuerst hatte dieser die Kugeln beim Rechnen rasch hin und her geschoben. Arnau hatte ihn gebeten, langsamer zu machen, und der Maure hatte ihm zu erklären versucht, wie er funktionierte, aber es war ihm immer noch zu schnell gegangen.
Arnau stellte den Abakus beiseite und begann den Tisch aufzuräumen. Die Bücher vor seinen Platz … nein, vor Guillems Platz. Besser, er machte die Einträge. Die Schatullen konnte er auf seine Seite stellen. Die Zange etwas abseits und die Federn und Tintenfässer neben die Bücher, zu dem Abakus. Wer sollte ihn sonst benutzen?
Damit war er beschäftigt, als Guillem zurückkam.
»Wie findest du es?«, fragte Arnau lächelnd und fuhr mit der Hand über den Tisch.
»Sehr gut«, antwortete Guillem und lächelte ebenfalls, »aber so werden wir keinen Kunden bekommen, und schon gar keinen, der uns sein Geld anvertraut.« Arnaus Lächeln verschwand augenblicklich. »Keine Sorge, nur das hier fehlt noch. Das war ich eben besorgen.«
Guillem reichte Arnau ein Tuch, das Arnau vorsichtig aufrollte. Es handelte sich um eine Tischdecke aus sündhaft teurer roter Seide, mit goldenen Troddeln an den Seiten.
»Das hat noch auf dem Tisch gefehlt. Es ist das Zeichen, dass du alle Anforderungen der Behörden erfüllt und deine Wechselstube ordnungsgemäß beim städtischen Magistrat mit tausend Silbermark versichert hast. Bei Androhung harter Strafen darf niemand eine solche Decke auf einen Wechseltisch legen, wenn er nicht im Besitz dieser städtischen Erlaubnis ist. Wenn du sie nicht auflegst, wird niemand deine Wechselstube betreten oder sein Geld hier anlegen.«
Von diesem Tag an widmeten sich Arnau und Guillem ganz und gar ihrem neuen Geschäft, und wie ihm Hasdai Crescas geraten hatte, machte sich der frühere Bastaix eifrig mit den Grundlagen seines Metiers vertraut.
»Das Hauptgeschäft eines Geldwechslers ist das Eintauschen von Münzen«, erklärte ihm Guillem. Die beiden saßen am Tisch und behielten die Tür im Auge, um zu sehen, ob jemand hineinkommen wollte.
Guillem stand auf und ging um den Tisch herum, dann blieb er vor Arnau stehen und legte einen Beutel mit Geld vor ihn hin.
»Jetzt sieh genau hin«, sagte er, nahm eine Münze aus dem Beutel und legte sie vor ihn auf den Tisch. »Kennst du die?« Arnau nickte. »Das ist ein katalanischer Silbercroat. Sie werden in Barcelona geprägt, nur ein paar Schritte von hier entfernt …«
»Ich hatte noch nicht viele davon in meinem Beutel«, unterbrach ihn Arnau, »aber ich habe viele davon auf meinem Rücken geschleppt. Offenbar vertraut der König bei ihrem Transport nur den Bastaixos.«
Guillem nickte lächelnd und griff erneut in den Beutel.
»Das hier«, fuhr er fort, während er eine weitere Münze herausnahm und sie neben den Croat legte, »ist ein aragonesischer Goldflorin.«
»So einen hatte ich noch nie«, sagte Arnau und nahm den Florin in die Hand.
»Keine Sorge, du wirst viele davon bekommen.« Arnau sah Guillem an, und der Maure nickte mit Nachdruck. »Dies ist eine alte barcelonesische Münze.« Guillem legte eine weitere Münze auf den Tisch, und bevor Arnau ihn erneut unterbrechen konnte, zog er weitere Münzen hervor. »Aber es sind noch viele andere Münzen im Umlauf«, sagte er, »und die musst du alle kennen. Da sind die maurischen: Byzantiner, Mazmudinas, Goldbyzantiner.« Guillem reihte alle Münzen vor Arnau auf. »Französische Tournoise, kastilische Golddoblas, Goldflorine aus Florenz, Genueser, venezianische Dukaten, solche mit dem Münzzeichen aus Marseille und die übrigen katalanischen Münzen, der valencianische oder mallorquinische Real, der Gros aus Montpellier, die Melgurienses aus den westlichen Pyrenäen und der in Jaca geprägte Jaquesa, der vor allem in Lérida benutzt wird.«
»Heilige Jungfrau!«, entfuhr es Arnau, als der Maure mit seinen Ausführungen endete.
»Du musst sie alle kennen«, beteuerte Guillem.
Arnau ließ seinen Blick immer wieder über die Münzen wandern. Dann seufzte er.
»Gibt es noch mehr?«, fragte er und sah zu Guillem auf.
»Ja. Noch viel mehr. Aber das hier sind die gängigsten.«
»Und wie wechselt man sie?«
Diesmal seufzte der Maure.
»Das ist komplizierter.« Arnau ermunterte ihn fortzufahren. »Nun, beim Wechsel werden die gängigen Einheiten verwendet, Pfund und Mark für große Transaktionen, Dineros und Sueldos für den normalen Gebrauch.« Arnau nickte. Er hatte immer von Dineros und Sueldos gesprochen, unabhängig von der Münze, um die es ging, auch wenn es sich in der Regel immer um die gleichen handelte. »Wenn du eine Münze hast, musst du ihren Wert gemäß der entsprechenden Einheit berechnen. Dann musst du das Gleiche mit der Münze machen, in die du umtauschen willst.«
Arnau versuchte den Ausführungen des Mauren zu folgen.
»Und dieser Wert?«
»Wird regelmäßig an der Börse von Barcelona festgesetzt, beim Seekonsulat. Dort muss man sich erkundigen, wie der offizielle Wechselkurs ist.«
»Er variiert?« Arnau schüttelte den Kopf. Er kannte nicht einmal alle Münzen, hatte keine Ahnung, wie ein Wechsel vonstattenging, und dann variierte auch noch der Wechselkurs!
»Ständig«, antwortete Guillem. »Und man muss das Wechselgeschäft beherrschen, es ist die größte Einnahmequelle eines Geldwechslers. Du wirst schon sehen. Eines der größten Geschäfte ist der An- und Verkauf von Geld.«
»Man kann Geld kaufen?«
»Ja. Kaufen und verkaufen. Gold gegen Silber oder Silber gegen Gold, je nach Kurs der vielen Münzen, die es gibt. Hier in Barcelona, wenn der Kurs gut steht, oder im Ausland, wenn der Kurs dort besser ist.«
Arnau hob hilflos beide Hände.
»Im Grunde ist es ganz einfach«, beteuerte Guillem. »In Katalonien setzt der König das Verhältnis von Goldflorin und Silbercroat fest. Im Moment liegt es bei dreizehn zu eins, das heißt, ein Goldflorin ist dreizehn Silbercroat wert. In Florenz, Venedig oder Alexandria hingegen hat der König nichts zu sagen, und der Goldwert eines Florin ist nicht dreizehnmal so hoch wie der Silberwert eines Croat. Hierzulande legt aus politischen Gründen der König den Kurs fest; dort wird der Gold- oder Silbergehalt einer Münze gewogen und ihr Wert daran bemessen. Wenn nun also einer Silbercroats im Ausland verkauft, wird er dort mehr Gold für seine Croats bekommen als in Katalonien. Und wenn er dann mit diesem Gold hierhin zurückkommt, gibt man ihm wieder dreizehn Croats für jeden Goldflorin.«