»Aber das könnte doch jeder machen«, wandte Arnau ein.
»Und es macht jeder … der kann. Wenn man zehn oder hundert Croats besitzt, lohnt es nicht. Es lohnt sich nur für die, denen man diese zehn oder hundert Croats anvertraut.« Die beiden sahen sich an. »Und das sind wir«, schloss der Maure und hob die Hände.
Einige Zeit später, als Arnau den Umgang mit den Münzen und ihren Wechsel beherrschte, begann Guillem ihm von den Handelswegen und dem Warenhandel zu erzählen.
»Zurzeit verläuft die wichtigste Handelsroute über Candia nach Zypern und von dort weiter nach Beirut und Damaskus oder Alexandria … Auch wenn der Papst den Handel mit Alexandria verboten hat.«
»Und wie funktioniert das dann?«, fragte Arnau, der mit dem Abakus spielte.
»Mit Geld natürlich. Man erkauft sich den Ablass.«
Arnau erinnerte sich an die Erklärungen, die man ihm damals im königlichen Steinbruch über die Herkunft des Geldes gegeben hatte, mit dem der Bau der königlichen Werft bezahlt wurde.
»Und handeln wir nur auf dem Mittelmeer?«
»Nein. Wir handeln mit der ganzen Welt. Mit Kastilien, Frankreich und Flandern, aber vor allem auf dem Mittelmeer. Die Ziele richten sich nach der jeweiligen Ware. In Frankreich, England und Flandern kaufen wir Stoffe, vor allem kostbare Tuche aus Toulouse, Brügge, Mechelen, Dieste oder Vilages. Umgekehrt verkaufen wir ihnen katalanisches Leinen. Außerdem kaufen wir Kupfer- und Messingwaren. Im Orient, in Syrien und Ägypten kaufen wir Gewürze …«
»Pfeffer«, warf Arnau ein.
»Ja, auch Pfeffer. Aber Vorsicht, wenn dir jemand vom Gewürzhandel erzählt, beinhaltet das auch Wachs, Zucker und sogar Elfenbein. Spricht er von Spezereien, so meint er damit tatsächlich das, was man gemeinhin unter Gewürzen versteht: Zimt, Nelken, Pfeffer, Muskatnuss.«
»Wachs, sagtest du? Wir importieren Wachs? Wie kann es sein, dass wir Wachs importieren, wenn du mir neulich erzählt hast, dass wir Honig ausführen?«
»Tatsächlich exportieren wir Honig und importieren Wachs. Honig haben wir mehr als genug, aber in den Kirchen wird viel Wachs gebraucht.« Arnau erinnerte sich an die erste Pflicht der Bastaixos: stets dafür zu sorgen, dass Kerzen vor der Schutzpatronin des Meeres brannten. »Das Wachs kommt über Byzanz aus Dakien. Ein weiteres wichtiges Handelsgut sind Lebensmittel«, fuhr Guillem fort. »Vor Jahren haben wir noch Getreide ausgeführt, doch heute müssen wir alle Arten von Getreide einführen: Weizen, Reis, Hirse und Gerste. Dafür exportieren wir Öl, Wein, Trockenfrüchte, Safran, Speck und Honig. Auch mit Pökelfleisch wird gehandelt …«
In diesem Augenblick kam ein Kunde herein und Arnau und Guillem unterbrachen ihr Gespräch. Der Mann nahm gegenüber den Geldwechslern Platz, und nachdem sie Grüße ausgetauscht hatten, hinterlegte er eine beträchtliche Summe Geldes. Guillem freute sich. Er kannte den Kunden nicht und das war ein gutes Zeichen. Sie waren nicht länger auf Hasdais frühere Kunden angewiesen. Arnau nahm seine Aufgabe ernst. Er zählte die Münzen und prüfte ihre Echtheit, auch wenn er sie zur Sicherheit eine nach der anderen an Guillem weiterreichte. Dann trug er die Summe in die Bücher ein. Guillem beobachtete ihn, während er schrieb. Was das Schreiben anging, hatte Arnau sich verbessert. Es hatte ihn jedoch beträchtliche Mühe gekostet. Er hatte bei dem Privatlehrer der Puigs Schreiben gelernt, war aber seit Jahren aus der Übung.
Während sie darauf warteten, dass die Seefahrtsaison begann, bereiteten Arnau und Guillem die Warengeschäfte vor. Sie kauften Produkte für den Export an, konkurrierten mit anderen Händlern um das Laderecht für die Schiffe oder nahmen gleich die Händler unter Vertrag und besprachen, welche Waren die Schiffe bei der Rückfahrt laden sollten.
»Was verdienen die Händler, mit denen wir zusammenarbeiten?«, fragte Arnau eines Tages.
»Das hängt vom Warengeschäft ab. Bei normalen Warengeschäften üblicherweise ein Viertel des Gewinns. Bei Geld-, Gold- oder Silbergeschäften funktioniert das nicht. Wir legen den Kurs fest, den wir haben wollen, und der Händler erhält das, was er über diesen Kurs hinaus aushandeln kann.«
»Wie kommen diese Männer in der Fremde zurecht?«, fragte Arnau weiter, während er sich vorzustellen versuchte, wie es dort aussehen mochte. »Es sind unbekannte Länder, man spricht andere Sprachen … Alles muss anders sein.«
»Ja, aber du musst bedenken, dass es in all diesen Städten katalanische Konsulate gibt«, antwortete Guillem. »Wie das Seekonsulat in Barcelona«, erklärte er. »In jedem dieser Häfen gibt es einen von der Stadt Barcelona ernannten Konsul, der für Recht und Ordnung beim Handel sorgt und der bei möglichen Konflikten zwischen den katalanischen Händlern und den Einheimischen oder den örtlichen Behörden vermittelt. Alle Konsulate haben einen Handelshof. Das sind ummauerte Gevierte, in denen die katalanischen Händler wohnen. Dort gibt es Lagerhäuser, um die Waren aufzubewahren, bis sie verkauft oder erneut verschifft werden. Jeder dieser Handelshöfe ist wie ein Stückchen Katalonien in der Ferne. Sie sind extraterritorial und unterstehen dem Konsul, nicht den Behörden des Landes, in dem sie sich befinden.«
»Und was sagen diese Länder dazu?«
»Alle Regierungen sind am Handel interessiert. Sie erheben Steuern und füllen ihre Kassen. Der Handel ist eine Welt für sich, Arnau. Wir mögen uns im Krieg mit den Sarazenen befinden, aber dennoch besitzen wir bereits seit dem vergangenen Jahrhundert Konsulate etwa in Tunis oder Bejaia. Keine Sorge: Kein Maurenführer wird die katalanischen Handelshöfe angreifen.«
Arnaus Wechselstube florierte. Die Pest hatte die katalanischen Geldwechsel dezimiert und Guillem war eine Garantie für die Anleger. Als die Epidemie abebbte, holten die Leute das Geld hervor, das sie in ihren Häusern aufbewahrt hatten. Doch Guillem konnte nicht schlafen. »Verkauf sie auf Mallorca«, hatte ihm Hasdai bezüglich der Sklaven geraten, damit Arnau nichts davon erfuhr. Und so gab Guillem die entsprechenden Anweisungen. Leider!, fluchte er, wenn er sich zum ungezählten Male im Bett umdrehte. Er hatte sich an eines der letzten Schiffe gewandt, die Barcelona in der Seefahrtsaison verließen. Es ging schon auf Oktober zu. Byzanz, Palästina, Rhodos und Zypern – das waren die Ziele der vier Händler, die im Auftrag des Barceloneser Geldwechslers Arnau Estanyol an Bord waren. Sie hatten Wechselbriefe dabei, die Guillem Arnau zur Unterschrift vorgelegt hatte. Dieser hatte nicht einmal einen Blick darauf geworfen. Die Händler sollten Sklaven kaufen und nach Mallorca bringen. Guillem wälzte sich erneut herum. Sein ungutes Gefühl ließ ihm keine Ruhe.
Als ein Jahr nach seinem ersten Versuch der Aufschub endete, den er Jaime von Mallorca gewährt hatte, eroberte König Pedro trotz der Vermittlung des Papstes endgültig Sardinien und das Roussillon. Nachdem sich die meisten seiner Städte ergeben hatten, kniete Jaime am 15. Juli 1344 mit entblößtem Haupt vor seinem Schwager nieder, um seine Gnade zu erbitten und dem Grafen von Barcelona seine Ländereien zu übergeben. König Pedro überließ ihm die Herrschaft Montpellier und die Vizegrafschaften Omelades und Carladés, behielt jedoch die katalanischen Ländereien seiner Vorfahren: Mallorca, das Roussillon und Sardinien.
Doch nachdem Jaime sich zunächst ergeben hatte, scharte er ein kleines Heer aus sechzig Reitern und dreihundert Fußsoldaten um sich und fiel erneut in Sardinien ein, um gegen seinen Schwager zu kämpfen. König Pedro zog diesmal nicht einmal selbst in den Kampf, sondern schickte lediglich seine Statthalter. Müde, kampfverdrossen und geschlagen, suchte König Jaime Zuflucht bei Papst Clemens VI. der nach wie vor auf seiner Seite stand. Hier, unter Mitwirkung der Kirche, wurde die letzte Strategie ausgeklügelt: Jaime III. verkaufte die Herrschaft Montpellier für zwölftausend Goldescudos an König Philipp VI. von Frankreich. Mit dieser Summe und den Krediten der Kirche stattete er eine Flotte aus, die ihm Königin Johanna von Neapel zur Verfügung stellte, und landete 1349 erneut auf Mallorca.