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Am Abend, als Arnau schlief, ging Guillem in die Wechselstube hinunter. Er hatte einen losen Stein in der Wand entdeckt. Er wickelte das Dokument zum Schutz in ein festes Tuch und versteckte es hinter dem Stein, den er dann so sorgfältig wie möglich befestigte. Irgendwann würde er einen der Maurer von Santa María bitten, ihn richtig einzumauern. Dort würde Arnaus Vermögen ruhen, bis er ihm eines Tages beichten konnte, woher das Geld wirklich stammte. Es war nur eine Frage der Zeit.

Einer langen Zeit, musste sich Guillem irgendwann eingestehen, als sie am Strand entlanggingen, nachdem sie auf dem Seekonsulat gewesen waren, um einige Angelegenheiten zu klären. Immer noch kamen Sklaven in Barcelona an, menschliche Ware, die von den Hafenschiffern in ihren überfüllten Booten ans Ufer gerudert wurde. Kräftige Männer und Burschen, aber auch Frauen und Kinder, deren Weinen die beiden Männer zwang, den Blick abzuwenden.

»Hör mir genau zu, Guillem«, erklärte Arnau. »So schlecht es uns auch gehen mag und so nötig wir es haben sollten, niemals werden wir eine Sklavenlieferung finanzieren. Lieber werde ich durch die Hand des städtischen Magistrats meinen Kopf verlieren.«

Dann sahen sie zu, wie die Galeere den Hafen von Barcelona verließ.

»Warum legt sie ab?«, fragte Arnau, ohne nachzudenken. »Nutzt sie die Rückfahrt nicht, um Waren zu laden?«

Guillem sah ihn an und schüttelte fast unmerklich den Kopf.

»Sie wird zurückkehren«, versicherte er. »Sie fährt nur aufs offene Meer hinaus … um den Rest der Ladung loszuwerden«, setzte er stockend hinzu.

Arnau schwieg, während er zusah, wie sich die Galeere entfernte.

»Wie viele sind es, die sterben?«, fragte er schließlich.

»Zu viele«, antwortete der Maure, während seine Erinnerung zu einem ähnlichen Schiff zurückwanderte.

»So etwas tun wir niemals, Guillem! Denk daran, niemals.«

36

1. Januar 1354

Plaza de Santa María del Mar

Barcelona

Wo anders sollte ein solches Ereignis stattfinden als vor der Kirche Santa María, dachte Arnau, während er von einem Fenster seines Hauses aus beobachtete, wie sich ganz Barcelona auf dem Platz und in den angrenzenden Straßen drängte, auf den Gerüsten und auch in der Kirche selbst. Aller Augen waren auf ein Podest gerichtet, das der König dort hatte errichten lassen. Pedro III. hatte nicht die Plaza del Blat gewählt, nicht die Kathedrale, nicht die Börse und auch nicht die prächtige Werft, die er selbst errichten ließ. Nein, er hatte die Kirche Santa María gewählt, die Kirche des Volkes, die durch die vereinten Kräfte und das Opfer seiner Untertanen erbaut wurde.

»Es gibt keinen Ort in ganz Katalonien, der den Geist der Bewohner Barcelonas besser widerspiegelt«, sagte Arnau an diesem Morgen zu Guillem, während sie beobachteten, wie die Handwerker das Podest errichteten. »Und der König weiß das. Deshalb hat er sie gewählt.«

Arnau durchlief ein Schauder. Sein ganzes Leben hatte sich um diese Kirche gedreht!

»Es wird uns Geld kosten«, entgegnete der Maure knapp.

Arnau drehte sich zu ihm um und wollte widersprechen, doch Guillem sah unverwandt zu dem Podest hinüber, und Arnau entschied sich, es dabei zu belassen.

Fünf Jahre waren vergangen, seit sie die Wechselstube eröffnet hatten. Arnau war nun dreiunddreißig Jahre alt, und er war glücklich … und reich, sehr reich. Er führte ein einfaches Leben, doch seine Bücher verzeichneten ein ansehnliches Vermögen.

»Lass uns frühstücken«, sagte er und legte Guillem eine Hand auf die Schulter.

Unten in der Küche wurden sie von Donaha und dem Mädchen erwartet, das ihr half, den Tisch zu decken.

Die Sklavin blickte nicht auf, sondern bereitete weiter das Frühstück zu, doch als Mar die beiden hereinkommen sah, kam sie zu ihnen gerannt.

»Alle sprechen vom Besuch des Königs!«, rief sie. »Können wir ihn von ganz nahe sehen? Hat er seine Ritter dabei?«

Guillem setzte sich seufzend an den Tisch.

»Er kommt, um mehr Geld von uns zu fordern«, erklärte er dem Mädchen.

»Guillem!«, rief Arnau angesichts von Mars ungläubigem Gesichtsausdruck.

»Aber es stimmt«, verteidigte sich der Maure.

»Nein. Das ist nicht wahr«, sagte Arnau und wurde mit einem Lächeln belohnt. »Der König kommt, um unsere Unterstützung bei der Eroberung Sardiniens zu erbitten.«

»Und Geld? Will er auch Geld?«, fragte das Mädchen, nachdem es Guillem zugezwinkert hatte.

Arnau betrachtete zuerst das Mädchen und dann Guillem. Die beiden lächelten ihn verschmitzt an. Wie groß Mar geworden war! Sie war schon fast ein junges Mädchen, hübsch, klug, von einem Liebreiz, der jeden entzückte.

»Und Geld? Will er auch Geld?«, fragte das Mädchen erneut und riss ihn aus seinen Gedanken.

»Jeder Krieg kostet Geld!«, musste Arnau zugeben.

»Aha!«, sagte Guillem und breitete die Arme aus.

Donaha begann ihre Teller zu füllen.

»Warum erzählst du ihr nicht, dass uns der Krieg im Grunde kein Geld kostet, sondern dass wir in Wirklichkeit an ihm verdienen?«, fuhr Arnau fort, als Donaha sie bedient hatte.

Mar sah Guillem mit großen Augen an.

Guillem zögerte.

»Seit drei Jahren zahlen wir Sonderabgaben«, erklärte er, nicht gewillt, Arnau recht zu geben. »Drei Jahre Krieg, die uns Barcelonesen Geld kosten.«

Mar verzog den Mund zu einem Lächeln und sah Arnau an.

»Das stimmt«, gab Arnau zu. »Vor genau drei Jahren haben die Katalanen ein Bündnis mit Venedig und Byzanz geschlossen, um Krieg gegen Genua zu führen. Unser Ziel war es, Korsika und Sardinien zu erobern, die laut dem Vertrag von Agnani den Katalanen zustehen und sich doch in der Hand der Genuesen befinden. Achtundsechzig bewaffnete Galeeren!« Arnau erhob die Stimme. »Achtundsechzig bewaffnete Galeeren, dreiundzwanzig katalanische, der Rest venezianische und griechische, trafen im Bosporus auf fünfundsechzig genuesische Galeeren.«

»Und was geschah dann?«, fragte Mar, als Arnau plötzlich verstummte.

»Es gab keinen Sieger. Unser Admiral, Ponç de Santa Pau, starb in der Schlacht, und nur zehn der dreiundzwanzig katalanischen Galeeren kehrten zurück. Was geschah dann, Guillem?« Der Sklave schüttelte abwehrend den Kopf. »Erzähl es ihr, Guillem«, drängte Arnau.

Guillem seufzte.

»Die Byzantiner verrieten uns«, begann er. »Sie paktierten mit den Genuesen und gestanden ihnen das Handelsmonopol zu.«

»Und dann?«, setzte Arnau nach.

»Wir verloren eine der wichtigsten Handelsrouten auf dem Mittelmeer.«

»Und haben wir auch Geld verloren?«

»Ja.«

Mar sah vom einen zum anderen, während sie das Gespräch verfolgte. Sogar Donaha, die am Herd stand, sah zu ihnen hinüber.

»Viel Geld?«

»Ja.«

»Mehr als wir später dem König gaben?«

»Ja.«

»Nur wenn uns das Mittelmeer gehört, können wir in Frieden Handel treiben«, schloss Arnau.

»Und die Byzantiner?«, fragte Mar.

»Im darauffolgenden Jahr stattete der König eine Flotte von fünfzig Galeeren unter dem Kommando von Bernat de Cabrera aus und besiegte die Genuesen in Sardinien. Unser Admiral eroberte dreiunddreißig Galeeren und versenkte weitere fünf. Achttausend Genuesen starben, weitere dreitausendzweihundert wurden gefangen genommen, doch nur vierzig Katalanen kamen ums Leben! Die Byzantiner«, fuhr er fort und sah Mar an, deren Augen vor Neugier funkelten, »lenkten ein und öffneten ihre Häfen wieder für unseren Handel.«

»Drei Jahre Sonderabgaben, und wir zahlen immer noch«, bemerkte Guillem.