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»Der Sohn, Genis Puig«, sagte der Maure eines Tages zu Arnau, als sie von der Börse kamen und aufs Meer hinausblickten – ein ruhiges, stilles, ungewöhnlich friedliches Meer. Arnau wandte sich zu ihm um, als er diesen Namen hörte. »Genis Puig musste einen Kredit aufnehmen, um dem König nach Mallorca zu folgen.«

Hatten seine Augen gefunkelt? Guillem forschte in Arnaus Blick. Er hatte nicht geantwortet, aber hatten seine Augen gefunkelt?

»Möchtest du darüber hören?«

Arnau sagte noch immer nichts, doch schließlich nickte er. Er hatte die Augen zusammengekniffen, seine Lippen waren aufeinandergepresst. Er nickte immer weiter.

»Erlaubst du mir, die Entscheidungen zu treffen, die ich für richtig halte?«, fragte Guillem, nachdem er geendet hatte.

»Ich erlaube es dir nicht. Ich bitte dich darum, Guillem. Ich bitte dich darum.«

Diskret begann Guillem, sein Wissen und die vielen Kontakte zu nutzen, die er sich im Laufe der Jahre erworben hatte. Dass der Sohn, Don Genis, eines der Sonderdarlehen für Adlige in Anspruch nehmen musste, bedeutete, dass der Vater die Kosten für den Krieg nicht mehr tragen konnte. Für diese Darlehen, dachte Guillem, wurden beträchtliche Zinsen verlangt. Sie waren die einzigen Darlehen, bei denen Christen Zinsen nehmen durften. Weshalb sollte ein Vater zulassen, dass sein Sohn Zinsen bezahlte, es sei denn, dass er selbst nicht über dieses Kapital verfügte? Und Isabel? Diese Harpyie, die Arnau und seinen Vater vernichtet hatte, die Arnau gezwungen hatte, auf Knien vor ihr zu rutschen? Wie konnte sie das zulassen?

Guillem warf über mehrere Monate seine Netze aus. Er sprach mit seinen Freunden, mit Menschen, die ihm einen Gefallen schuldeten, und sandte Botschaften an all ihre Handelspartner, in denen er sich nach der Situation von Grau Puig, dem katalanischen Baron und Händler, erkundigte. Was wussten sie über ihn, seine Geschäfte, seine Finanzen … und seine Solvenz?

Als sich die Seefahrtsaison dem Ende zuneigte und die Schiffe in den Hafen von Barcelona zurückkehrten, trafen die ersten Antworten auf Guillems Briefe ein. Es waren wertvolle Informationen. Als sie eines Abends das Geschäft schlossen, blieb Guillem am Tisch sitzen.

»Ich habe noch etwas zu erledigen«, sagte er zu Arnau.

»Was denn?«

»Das erzähle ich dir morgen.«

Am nächsten Tag setzten sich die beiden noch vor dem Frühstück an den Wechseltisch, und Guillem berichtete: »Grau Puig befindet sich in einer kritischen Lage.« War da wieder dieses Funkeln in Arnaus Augen? »Alle Geldwechsler und Händler, mit denen ich gesprochen habe, sind sich einig, dass sein Vermögen zerronnen ist …«

»Vielleicht sind es nur böse Gerüchte«, wandte Arnau ein.

»Warte. Hier, nimm.« Guillem überreichte ihm die Antwortschreiben der Handelspartner. »Hier ist der Beweis. Grau Puig ist in der Hand der Lombarden.«

Arnau dachte an die Lombarden: Es waren Bankiers und Händler, Vertreter der großen Handelshäuser in Florenz und Pisa, eine geschlossene Gruppe, die ihre eigenen Interessen verfolgte und deren Mitglieder untereinander oder mit ihren Mutterhäusern Handel trieben. Sie besaßen das Monopol auf den Handel mit kostbaren Tuchen: Schurwolle, Seide und Brokat, Taft aus Florenz, feine Wolle aus Pisa und vieles mehr. Die Lombarden halfen niemandem. Wenn sie einen Teil ihres Marktes oder ihrer Geschäfte abtraten, dann einzig und allein, um nicht aus Katalonien vertrieben zu werden. Es war nicht gut, von ihnen abhängig zu sein. Er blätterte in den Papieren und legte sie dann auf den Tisch.

»Was schlägst du vor?«

»Was möchtest du?«

»Das weiß du: seinen Ruin!«

»Wie man hört, ist Grau mittlerweile ein alter Mann und seine Geschäfte werden von seinen Söhnen und seiner Frau geführt. Ihre finanzielle Lage ist prekär. Wenn auch nur ein Geschäft schiefgeht, bricht alles zusammen, und sie können ihren Verpflichtungen nicht mehr nachkommen. Sie würden alles verlieren.«

»Kauf ihre Schulden.« Arnau sagte das ganz kühl, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken. »Geh diskret vor. Sie sollen nicht wissen, dass ich ihr Gläubiger bin. Sorge dafür, dass eines ihrer Geschäfte scheitert. Nein, nicht eines«, korrigierte er sich. »Alle!« Er schlug so heftig auf den Tisch, dass die Bücher hochhüpften. »So viele wie nur möglich«, setzte er leise hinzu. »Ich will nicht, dass sie mir entkommen.«

20. September 1355

Hafen von Barcelona

Nach der Eroberung Sardiniens traf der siegreiche König Pedro III. mit seiner Flotte in Barcelona ein. Ganz Barcelona strömte zusammen, um ihn zu empfangen. Unter dem begeisterten Jubel des Volkes ging er über die hölzerne Brücke von Bord, die vor dem Kloster Framenors aufs Wasser hinausführte. Ihm folgten Adlige und Soldaten, um im festlich herausgeputzten Barcelona den Sieg über die Sarden zu feiern.

Arnau und Guillem schlossen die Wechselstube und machten sich auf den Weg, um die Flotte zu empfangen. Dann nahmen sie gemeinsam mit Mar an den Festlichkeiten teil, die die Stadt zu Ehren des Königs vorbereitet hatte. Sie lachten, sangen und tanzten, hörten Geschichten und aßen Süßes. Als die Sonne unterging und ein kühler Septemberabend anbrach, gingen sie nach Hause.

»Donaha!«, rief Mar, als Arnau die Tür öffnete.

Das Mädchen stürmte ins Haus, glückstrahlend wegen des Fests, und rief erneut nach Donaha, doch in der Küchentür blieb sie wie angewurzelt stehen. Arnau und Guillem sahen sich an. Was war los? War der Sklavin etwas passiert?

Sie rannten ebenfalls los.

»Was ist los?«, fragte Arnau über Mars Schulter hinweg.

»Ich glaube nicht, dass dieses Geschrei die angemessene Art ist, einen Verwandten zu begrüßen, den du lange nicht gesehen hast, Arnau«, sagte eine Männerstimme, die ihm nicht ganz unbekannt war.

Arnau hatte Mar beiseitegeschoben, doch noch immer lag seine Hand auf ihrer Schulter.

»Joan!«, brachte er nach einigen Sekunden heraus.

Mar sah, wie Arnau stotternd und mit ausgebreiteten Armen auf die schwarze Gestalt zuging, die sie erschreckt hatte. Guillem legte den Arm um das Mädchen, das immer noch auf der Türschwelle stand.

»Das ist sein Bruder«, flüsterte er ihr zu.

Donaha hatte sich in einer Ecke der Küche versteckt.

»Mein Gott!«, rief Arnau und schloss Joan in die Arme. »Mein Gott! Mein Gott!«, wiederholte er immer wieder, während er Joan in die Luft hob.

Lächelnd gelang es Joan, sich von Arnau loszumachen.

»Du wirst mich in Stücke reißen …«

Aber Arnau hörte nicht hin.

»Warum hast du mir nicht Bescheid gegeben?«, fragte er. Dann fasste er ihn an den Schultern. »Lass dich ansehen. Du hast dich verändert!« Dreizehn Jahre ist es her, wollte Joan sagen, doch Arnau ließ ihn nicht zu Wort kommen. »Seit wann bist du in Barcelona?«

»Ich …«

»Warum hast du mir nicht Bescheid gegeben?«

Arnau schüttelte seinen Bruder bei jeder Frage.

»Wirst du hierbleiben? Sag ja. Bitte!«

Guillem und Mar mussten grinsen. Der Mönch sah ihre belustigten Gesichter.

»Arnau!«, rief er und trat einen Schritt zurück. »Genug, Arnau! Du bringst mich ja um.«

Arnau nutzte den Abstand, um ihn zu betrachten. Nur die Augen waren noch genauso lebhaft und strahlend wie bei jenem Joan, der damals aus Barcelona weggegangen war. Davon abgesehen war er fast kahl, hager und ausgezehrt … Der schwarze Habit, der schlaff von seinen Schultern herabhing, ließ ihn noch unheimlicher aussehen. Er war drei Jahre jünger als Arnau, doch er wirkte wesentlich älter.

»Isst du denn nichts? Wenn das Geld nicht ausgereicht hat, das ich dir geschickt habe …«

»Doch«, unterbrach ihn Joan, »es war mehr als genug. Von deinem Geld habe ich meinen Geist genährt. Bücher sind sehr teuer, Arnau.«

»Du hättest mehr verlangen sollen.«

Joan winkte ab und setzte sich an den Tisch, gegenüber von Guillem und Mar.

»Also, stell mir dein Mündel vor. Wie ich feststelle, ist sie seit deinem letzten Brief gewachsen.«