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»Welche Gründe kann sie haben, sich einer Heirat zu widersetzen?« Joan ließ nicht locker.

»Das ist nicht der richtige Moment«, sagte Arnau noch einmal.

»Warum?«

»Weil man uns erneut den Krieg erklärt hat.« Der Mönch erschrak. »Wusstest du das nicht? König Pedro der Grausame von Kastilien hat uns den Krieg erklärt.«

»Weshalb?«

Arnau schüttelte den Kopf. »Weil ihm schon seit geraumer Zeit danach war«, schimpfte er, während er die Arme hob. »Als Vorwand diente ihm die Tatsache, dass unser Admiral Francesc de Perellós vor der Küste von Sanlúcar zwei genuesische Schiffe aufgebracht hat, die Öl geladen hatten. Der Kastilier forderte ihre Freilassung, und als der Admiral nicht darauf einging, hat er uns den Krieg erklärt. Dieser Mann ist gefährlich«, murmelte Arnau. »Soweit ich weiß, hat er sich seinen Beinamen redlich verdient; er ist nachtragend und rachsüchtig. Ist dir bewusst, Joan, dass wir uns zur Zeit mit Genua und Kastilien gleichzeitig im Krieg befinden? Findest du, dass dies der geeignete Moment ist, sich Gedanken um das Mädchen zu machen?«

Joan zögerte. Sie standen unter dem Schlussstein des zweiten Mittelschiffjochs, inmitten der Gerüste, von denen aus das Rippenwerk emporwuchs.

»Erinnerst du dich?«, fragte Arnau, während er zu dem Schlussstein hinaufdeutete. Joan blickte nach oben und nickte. Sie waren noch Kinder gewesen, als sie zugesehen hatten, wie der allererste Schlussstein – der des Chores – nach oben gezogen wurde! Arnau wartete einen Augenblick, dann sprach er weiter. »Katalonien wird das nicht tragen können. Wir zahlen immer noch für den Feldzug gegen Sardinien, und schon eröffnet sich eine neue Front.«

»Ich dachte, ihr Händler würdet die Eroberungen befürworten?«

»Kastilien bietet uns keine neuen Handelswege. Es sieht schlecht aus, Joan. Guillem hatte recht.« Der Mönch verzog das Gesicht, als er den Namen des Mauren hörte. »Wir haben Sardinien noch nicht erobert, und die Korsen haben sich bereits erhoben, kaum dass der König die Insel verlassen hat. Wir befinden uns im Krieg gegen zwei Mächte und die Mittel des Königs sind erschöpft. Sogar die Ratsherren der Stadt scheinen verrückt geworden zu sein!«

Sie gingen zum Hauptaltar.

»Was willst du damit sagen?«

»Dass die Kassen nichts mehr hergeben. Der König hält weiter an seinen großen Bauprojekten fest: der königlichen Werft und der neuen Stadtmauer …«

»Aber sie sind notwendig«, unterbrach Joan seinen Bruder.

»Die Werft vielleicht, aber die neue Stadtmauer ist nach der Pest sinnlos geworden. Barcelona braucht keine Erweiterung der Mauer.«

»Und?«

»Der König hört nicht auf, seine Mittel auszuschöpfen. Er hat alle Dörfer in der Umgebung dazu verpflichtet, ihren Beitrag zum Bau der Mauer zu leisten, für den Fall, dass sie eines Tages dort Schutz suchen müssen. Außerdem hat er eine neue Abgabe eingeführt: Der vierzigste Teil jeder Erbschaft muss für die Erweiterung der Stadtmauer aufgebracht werden. Was die Werft angeht, so werden alle Strafen der Konsulate für ihren Bau verwendet. Und nun noch ein weiterer Krieg.«

»Barcelona ist reich.«

»Nicht mehr, Joan, das ist das Problem. Der König hat der Stadt für die Mittel, die sie ihm zur Verfügung stellte, Privilegien gewährt, und die Ratsherren haben sich derart in Unkosten gestürzt, dass sie die Ausgaben nicht mehr bezahlen können. Nun haben sie die Steuern auf Fleisch und Wein erhöht. Weißt du, welchen Anteil diese Steuern am städtischen Haushalt haben?« Joan verneinte. »Fünfundfünfzig Prozent, und jetzt werden sie weiter erhöht. Die Schulden der Stadt treiben uns in den Ruin, Joan. Uns alle.«

Die beiden blieben nachdenklich vor dem Hauptaltar stehen.

»Und was ist mit Mar?«, fragte Joan erneut, als sie schließlich Santa María verließen.

»Sie kann machen, was sie will, Joan.«

»Aber …«

»Kein Aber. Das ist meine Entscheidung.«

»Klopf an!«, sagte Arnau.

Guillem ließ den Türklopfer auf das Holz des Portals fallen. Der Schlag hallte durch die menschenleere Straße. Niemand öffnete.

»Klopf noch einmal!«

Guillem begann, gegen die Tür zu hämmern, einmal, zweimal … Beim neunten Mal wurde das Guckfenster geöffnet.

Was soll das?, schienen die Augen zu fragen, die dahinter auftauchten. Wozu dieser Lärm? Wer seid ihr?

Mar, die Arnaus Arm umklammerte, merkte, wie dieser sich anspannte.

»Aufmachen!«, befahl Arnau.

»Wer sagt das?«

»Arnau Estanyol«, antwortete Guillem mit Nachdruck, »Besitzer dieses Gebäudes und aller Dinge, die sich darin befinden. Auch deiner Person, falls du ein Sklave bist.«

Arnau Estanyol, Besitzer dieses Gebäudes … Guillems Worte hallten in Arnaus Ohren wider. Wie viel Zeit war vergangen? Zwanzig Jahre? Zweiundzwanzig? Die Augen hinter dem Guckloch blickten verunsichert.

»Aufmachen!«, verlangte Guillem noch einmal.

Arnau sah zum Himmel, in Gedanken bei seinem Vater.

»Was ist?«, fragte das Mädchen.

»Nichts, nichts«, antwortete Arnau lächelnd, als sich die kleine Tür öffnete, die in die großen Flügel des Portals eingelassen war.

Guillem bedeutete ihm einzutreten.

»Die Türflügel, Guillem. Sie sollen beide Türflügel öffnen.«

Guillem ging hinein, und Arnau und Mar hörten ihn drinnen Befehle erteilen.

»Kannst du mich sehen, Vater? Erinnerst du dich? Hier hat man dir die Geldbörse überreicht, die dich ins Verderben gestürzt hat. Was konntest du damals schon tun?« Der Aufstand auf der Plaza del Blat kam ihm ins Gedächtnis, die Schreie der Leute, die Schreie seines Vaters … Sie alle hatten nach Getreide verlangt! Arnau hatte einen Kloß im Hals. Die Türflügel wurden geöffnet und Arnau trat ein.

Im Eingangshof standen mehrere Sklaven. Rechts führte die Treppe zu den herrschaftlichen Räumen hinauf. Arnau blickte nicht nach oben, aber Mar konnte sehen, wie sich mehrere Schatten hinter den großen Fenstern bewegten. Ihnen gegenüber befanden sich die Stallungen, die Pferdeknechte standen vor dem Eingang. Mein Gott! Ein Zittern durchlief Arnaus Körper und er stützte sich auf Mar. Das Mädchen wandte den Blick von den Fenstern.

»Nimm!«, forderte Guillem Arnau auf und hielt ihm eine Pergamentrolle hin.

Arnau nahm sie nicht. Er wusste, was es war. Er hatte den Inhalt auswendig gelernt, seit Guillem sie ihm am Vortag ausgehändigt hatte. Es war die Inventarliste von Grau Puigs Besitz, den der Stadtrichter ihm zur Begleichung seiner Schulden zusprach: der Palast, die Sklaven – Arnau suchte vergeblich nach Estranyas Namen –, mehrere Besitzungen außerhalb Barcelonas, darunter ein bescheidenes Haus in Navarcles, das er den Puigs als Wohnsitz überlassen wollte. Einige Schmuckstücke, zwei Pferdegespanne samt Geschirren, eine Kutsche, Kleider und Gewänder, Pfannen und Teller, Teppiche und Möbel – alles, was sich in dem Palast befand, war in dieser Pergamentrolle aufgeführt, die Arnau in der vergangenen Nacht immer wieder durchgelesen hatte.

Er betrachtete noch einmal die Pferdeställe, dann wanderte sein Blick über den gepflasterten Hof bis zum Fuß der Treppe.

»Gehen wir hinauf?«, fragte Guillem.

»Gehen wir. Bring mich zu deinem Herrn … nein, zu Grau Puig«, korrigierte er sich, an den Sklaven gewandt.

Sie gingen durch den Palast. Mar und Guillem sahen sich alles genau an. Arnau blickte starr geradeaus. Der Sklave führte sie zum Salon.

»Kündige mich an!«, sagte Arnau zu Guillem, bevor dieser die Tür öffnete.

»Arnau Estanyol!«, rief sein Freund, nachdem er die Tür geöffnet hatte.

Arnau erinnerte sich nicht mehr, wie der große Salon des Palastes ausgesehen hatte. Er hatte nicht darauf geachtet, als er damals dort gewesen war … auf Knien. Auch jetzt hatte er keinen Blick für seine Umgebung. Isabel saß in einem Sessel vor einem der Fenster. Neben ihr standen Josep und Genis. Der Erste hatte, wie auch seine Schwester Margarida, geheiratet. Genis war noch ledig. Arnau sah sich nach Joseps Familie um. Sie war nicht da. In einem weiteren Sessel saß Grau Puig, alt und hinfällig.