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»Nein, das dürfen Sie nicht!«, schrie Chaddy und warf sich in dem Augenblick schützend auf Miss Bulstrode, als der Schuss krachte.

Miss Chadwick schwankte, bevor sie zu Boden sank. Miss Johnson lief zu ihr hinüber. Adam und Kelsey hielten Ann Shapland fest, die sich wie eine Wildkatze zu wehren versuchte. Es gelang ihnen mit vereinten Kräften, ihr die Waffe zu entwinden.

»Schon damals hatte sie den Ruf einer Killerin«, sagte Mrs Upjohn atemlos. »Sie war eine der gefährlichsten Spioninnen. Ihr Deckname war Angelica.«

»Gemeine Lügnerin!«, kreischte Ann Shapland.

»Sie lügt nicht. Sie sind eine gefährliche Person«, sagte Hercule Poirot. »Sie haben von jeher ein gefährliches Leben geführt. Bis heute ist es Ihnen allerdings geglückt, Ihre Identität zu verbergen. Alle Stellungen, die Sie innehatten, waren einwandfrei, und Sie haben Ihre Arbeit zur Zufriedenheit Ihrer Vorgesetzten ausgeführt. Aber Sie haben alle diese Stellungen nur angenommen, um sich Informationen zu verschaffen. Sie waren bei einer Ölgesellschaft beschäftigt, bei einem Archäologen, der in einem bestimmten Teil der Welt zu tun hatte, und bei einer Schauspielerin, deren Freund ein wichtiger Politiker war. Seit Ihrem siebzehnten Lebensjahr sind Sie Geheimagentin gewesen, und zwar haben Sie für die verschiedensten Leute gearbeitet. Sie haben Ihre Dienste denen zur Verfügung gestellt, die am meisten zahlen konnten. Sie haben die Mehrzahl der Aufträge unter Ihrem richtigen Namen angenommen und durchgeführt; in einigen besonderen Fällen mussten Sie sich in eine andere Person verwandeln. In solchen Zeiten behaupteten Sie, nachhause zu Ihrer kranken Mutter zu müssen. Ich habe den starken Verdacht, dass die alte, verwirrte Dame, die ich neulich in dem Dörfchen besuchte, wo sie mit einer Krankenschwester lebt, nicht Ihre Mutter ist, Miss Shapland. Sie haben sie lediglich als einen Vorwand benutzt, wenn es Ihnen in den Kram passte. Während der drei Monate, die Sie angeblich mit Ihrer Mutter verbrachten, waren Sie in Ramat, aber nicht als Miss Shapland, sondern als Angelica de Toredo, eine spanische Tänzerin, die in einem Kabarett auftrat. Sie wohnten im selben Hotel wie Mrs Sutcliffe, und zwar im Nebenzimmer. Durch Zufall konnten Sie mit ansehen, wie Bob Rawlinson die Juwelen in den Griff des Tennisschlägers tat. Da an jenem Tag alle Engländer aus Ramat evakuiert wurden, konnten Sie den Tennisschläger nicht mehr an sich bringen, aber Sie hatten die Adresse auf den Kofferschildern gelesen… Es fiel Ihnen nicht schwer, hier den Posten einer Sekretärin zu erhalten. Ich habe herausgefunden, dass Sie Miss Bulstrodes ehemaliger Sekretärin eine beträchtliche Summe bezahlten, damit sie den Posten eines angeblichen Nervenzusammenbruchs wegen aufgab. Sie behaupteten ihr gegenüber, eine Journalistin zu sein, die eine Artikelserie über Mädcheninternate schreiben sollte…

Nichts würde leichter sein, als eines Nachts in die Turnhalle zu gehen und die Juwelen aus dem Tennisschläger zu entfernen, nicht wahr? Aber Sie hatten nicht mit Miss Springer gerechnet. Vielleicht waren Sie von ihr schon früher beim Untersuchen der Tennisschläger ertappt worden. Vielleicht ist sie zufällig in jener Nacht aufgewacht. Sie folgte Ihnen, und Sie erschossen sie. Als Mademoiselle Blanche später den Versuch machte, Sie zu erpressen, ermordeten Sie sie ebenfalls. Das Töten fällt Ihnen nicht schwer, Miss Shapland.«

Er machte eine Pause. Kommissar Kelsey warnte seine Gefangene mit monotoner Stimme, nichts Unbedachtes zu sagen.

Statt dessen überschüttete sie Poirot mit einer Flut von Flüchen.

»Herrgott«, sagte Adam, als sie schließlich von Kelsey abgeführt wurde. »Und ich habe sie für ein nettes Mädchen gehalten.«

Miss Johnson kniete neben Miss Chadwick.

»Ich fürchte, sie ist schwer verletzt«, sagte sie. »Wir dürfen sie nicht aufheben, bevor der Arzt kommt.«

24

Mrs Upjohn wanderte durch die Schulkorridore. Sie hatte die aufregenden Ereignisse vergessen, die sie eben miterlebt hatte, denn in diesem Augenblick war sie nur eine Mutter auf der Suche nach ihrem Kind. Sie fand Julia in einem leeren Klassenzimmer, über ein Schreibpult gebeugt. Ihre Zungenspitze war zu sehen, während sie sich darauf konzentrierte, einen Aufsatz zu schreiben.

Sie blickte erstaunt auf. Dann sprang sie auf und warf sich mit einem Freudenschrei in die Arme ihrer Mutter.

»Mummy!«

Gleich darauf schämte sie sich ihres Gefühlsausbruch, wie es die meisten Mädchen ihres Alters tun. Sie fragte steif:

»Wieso bist du denn schon zurück?«

»Ich bin von Ankara zurückgeflogen«, erklärte Mrs Upjohn beinahe entschuldigend.

»Ach so«, sagte Julia, »ich freu mich jedenfalls, dass du wieder da bist.«

»Und ich freu mich auch«, erwiderte Mrs Upjohn.

Sie sahen sich verlegen an. »Was machst du denn da?«, fragte Mrs Upjohn.

»Ich schreibe einen Aufsatz für Miss Rich. Sie gibt uns immer wunderbare Themen.«

»Wie lautet denn das heutige Thema?«

»›Macbeth und Lady Macbeth – vergleiche ihre verschiedenen Einstellungen zum Mord.‹«

»Jedenfalls ist das ein sehr aktuelles Thema«, meinte Mrs Upjohn.

Sie las den Anfang des Aufsatzes:

»Macbeth hatte viel über Mord nachgedacht, aber brauchte einen Anstoß, um sich zur Tat zu entschließen. Als er erst einmal angefangen hatte, fand er am Morden Gefallen und hatte weder Angst noch Gewissensbisse. Lady Macbeth war ganz einfach gierig und ehrgeizig. Sie tat alles, um das zu bekommen, was sie wollte. Aber als sie es erst einmal hatte, gefiel es ihr nicht mehr…«

»Elegant ist dein Stil nicht gerade«, stellte Mrs Upjohn fest. »Da hast du noch viel zu lernen; aber dem Sinn nach triffst du die Sache nicht schlecht.«

»Für Sie ist das alles ganz einfach, Poirot«, sagte Kommissar Kelsey in leicht vorwurfsvollem Ton. »Sie dürfen vieles tun und sagen, was wir uns nicht leisten können. Jedenfalls war das Ganze sehr gut inszeniert. Sie war fest davon überzeugt, dass wir es auf Miss Rich abgesehen hatten; aber durch Mrs Upjohns plötzliches Erscheinen verlor sie den Kopf. Ich bin nur froh, dass sie den Revolver behalten hat. Wenn es die gleiche Kugel ist…«

»Es wird die gleiche sein, mon ami«, sagte Poirot.

»Dann steht fest, dass sie die Springer getötet hat. Auch Miss Chadwick ist schwer verletzt. Aber es ist mir noch immer ein Rätsel, wer Miss Vansittart ermordet hat. Ann Shapland kann es nicht gewesen sein. Sie besitzt ein einwandfreies Alibi – falls nicht Rathbone und das gesamte Personal des ›Nid Sauvage‹ von ihr bestochen worden sind.«

Poirot schüttelte den Kopf. »Ausgeschlossen«, sagte er. »Ihr Alibi ist in Ordnung. Sie hat Miss Springer und Mademoiselle Blanche umgebracht. Aber Miss Vansittart…«, er zögerte einen Augenblick und sah Miss Bulstrode an. »Miss Vansittart ist von Miss Chadwick ermordet worden.«

»Miss Chadwick?«, riefen Miss Bulstrode und Kelsey wie aus einem Mund.

Poirot nickte. »Ja, zweifellos.«

»Aber warum?«

»Ich glaube, Miss Chadwick hat Meadowbank zu sehr geliebt.«

Poirots Blicke ruhten auf Miss Bulstrode.

»Ja, ich verstehe«, erwiderte Miss Bulstrode. »Und ich hätte es wissen sollen.« Sie machte eine Pause. »Sie glauben also, dass…«

»Ich glaube, dass Miss Chadwick, die von Anfang hier war, Meadowbank als ein gemeinsames Unternehmen betrachtete.«, sagte Poirot. »Als Sie erwähnten, dass Sie sich bald zur Ruhe setzen wollten, hielt Miss Chadwick es für selbstverständlich, dass sie Ihre Nachfolgerin werden würde.«

»Aber sie ist viel zu alt«, entgegnete Miss Bulstrode.

»Ja, sie ist zu alt und ungeeignet für den Posten einer Schulleiterin«, stimmte Poirot zu. »Aber sie selbst war nicht dieser Ansicht. Und dann wurde ihr klar, dass Sie eine andere im Auge hatten – Eleanor Vansittart.«