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»Offen gestanden – ja«, entgegnete Eileen. »Ich würde größeren Wert darauf legen, wirklich intelligente Mädchen in die Schule aufzunehmen.«

»Das snobistische Element ist es also, das Sie nicht mögen«, stellte Miss Bulstrode fest.

»Ja. Ich finde, es schadet der wirklichen Aufgabe dieser Schule.«

»Sehen Sie, Eileen, um die Mädchen zu bekommen, die Sie wollen, brauchen Sie eben jenes snobistische Element; ein paar ausländische Prinzessinnen, ein paar berühmte Namen – und all die dummen, snobistischen Eltern, in England wie im Ausland, wollen ihre Töchter nach Meadowbank schicken. Das Resultat? Ellenlange Wartelisten, aus denen ich mir meine Schülerinnen aussuchen kann – und ich suche sehr sorgfältig aus, glauben Sie mir. Ich wähle intelligente, charaktervolle, ernsthafte Mädchen, oft auch ein aufgewecktes Kind unbemittelter Eltern. Sie sind jung und idealistisch, Eileen. Aber Sie müssen lernen, dass zum Erfolg nicht nur Idealismus, sondern auch Geschäftssinn gehört. Wir werden es nicht leicht haben, unsere Schule wieder auf die Beine zu bringen, aber wir werden es schaffen – davon bin ich fest überzeugt.«

»Ich auch. Ich weiß, dass Meadowbank bald wieder die beste Schule Englands sein wird«, erklärte Eileen begeistert.

»Gut – und nun noch eine Kleinigkeit: Lassen Sie sich Ihr Haar schneiden; der Knoten steht Ihnen nicht besonders.«

Nach einer kurzen Pause fuhr Miss Bulstrode mit veränderter Stimme fort: »So, und jetzt muss ich zu Chaddy gehen.«

Miss Chadwick lag bleich und still auf dem Bett. Ihr Gesicht war blutleer, fast leblos. Ein Polizist mit einem Notizbuch saß auf der einen Seite des Bettes, Miss Johnson auf der anderen. Sie blickte Miss Bulstrode an und schüttelte traurig den Kopf.

»Nun, Chaddy«, sagte Miss Bulstrode. Sie ergriff Chaddys Hand. Miss Chadwick öffnete ihre Augen.

»Ich muss dir etwas sagen«, flüsterte sie. »Eleanor – ich bin – ich habe es getan.«

»Ich weiß, meine Liebe.«

»Es war… Eifersucht…«

»Ich weiß, Chaddy«, beruhigte sie Miss Bulstrode.

Langsam rollte eine Träne über Miss Chadwicks fahle Wange.

»Es ist so furchtbar… ich wollte es nicht tun…«

»Du darfst nicht mehr darüber nachdenken«, sagte Miss Bulstrode.

»Aber das ist unmöglich… Du wirst mir nie… ich werde mir selbst nie vergeben…«

Miss Bulstrode drückte ihr die Hand.

»Du hast mir das Leben gerettet, Chaddy. Mein Leben und das Leben von Mrs Upjohn. Das darfst du nicht vergessen.«

»Ich wünschte nur, ich hätte mein Leben für euch beide opfern können; das hätte die Schuld bezahlt…«

Miss Bulstrode sah sie mitleidig an. Miss Chadwick atmete schwer, dann lächelte sie, legte den Kopf zur Seite und starb…

»Du hast dein Leben geopfert«, sagte Miss Bulstrode leise. »Ich hoffe, dass du das jetzt weißt.«

25

»Ein Mr Robinson wünscht Sie zu sprechen.« Hercule Poirot streckte die Hand aus und nahm einen Brief vom Schreibtisch, an dem er saß. Er betrachtete den Brief nachdenklich, dann sagte er: »Bitte führen Sie ihn herein, George.«

Der Wortlaut des Briefes war folgender:

Lieber Poirot,

ein Mr Robinson wird in diesen Tagen bei Ihnen vorsprechen. Sie mögen bereits von ihm gehört haben, denn er ist in gewissen Kreisen sehr bekannt. Leute seiner Art werden heutzutage gebraucht… Ich glaube, dass er in diesem Fall der gerechten Sache dient. Diese Zeilen sind nichts als eine Empfehlung. Ich möchte betonen, dass wir keine Ahnung haben, was er mit Ihnen besprechen will…

In diesem Sinne,

mit besten Grüßen,

Ihr Ephraim Pikeaway

Poirot legte den Brief auf die Schreibtischplatte und erhob sich, als Mr Robinson ins Zimmer trat. Er verbeugte sich, reichte ihm die Hand und bat ihn, Platz zu nehmen.

Mr Robinson setzte sich, zog ein Taschentuch aus der Tasche und wischte sich damit über sein großes gelbliches Gesicht. Er bemerkte, dass es sehr warm sei.

»Sie sind doch hoffentlich nicht zu Fuß hergekommen?«, fragte Poirot, dem der bloße Gedanke daran den Schweiß aus allen Poren trieb. Er zwirbelte instinktiv seinen Schnurrbart, um sich zu vergewissern, dass die Spitzen nicht schlaff geworden waren.

»Zu Fuß? O nein«, erwiderte Mr Robinson, ebenso entsetzt bei diesem Gedanken. »Ich bin natürlich in meinem Rolls gekommen. Die Staus werden täglich schlimmer…«

Poirot nickte verständnisvoll. Dann entstand eine Pause – die Pause, die dem Hauptteil einer Unterhaltung oft vorausgeht.

»Ich habe mit großem Interesse erfahren, dass Sie sich mit den Vorgängen in einer Mädchenschule beschäftigt haben… Es kommt einem ja so vieles zu Ohren, wissen Sie… Meadowbank ist eine der besten englischen Schulen«, stellte Mr Robinson fest.

»Ja, Meadowbank ist eine sehr gute Schule.«

»Ist oder war?«

»Ich hoffe Ersteres.«

»Das hoffe ich auch«, sagte Mr Robinson. »Allerdings mag es an einem seidenen Fädchen hängen. Nun, man wird sich die größte Mühe geben, die unvermeidliche Übergangsperiode zu erleichtern. Finanzielle Unterstützung, die geschickte Auswahl neuer Schülerinnen… ich werde alles tun, meinen Einfluss in den entsprechenden Kreisen geltend zu machen…«

»Auch ich bin nicht ohne Einfluss«, erwiderte Poirot. »Wie Sie so richtig sagen, kann man leicht etwas nachhelfen, außerdem haben die meisten Menschen glücklicherweise kein sehr gutes Gedächtnis.«

»Hoffentlich! Immerhin muss man zugeben, dass die Ereignisse selbst für Eltern mit starken Nerven eine Zumutung waren. Drei Morde – die Turnlehrerin, die Französischlehrerin und eine dritte Lehrerin.«

»Das lässt sich leider nicht leugnen.«

»Ich höre, dass die unglückselige Täterin von Jugend auf eine krankhafte Abneigung gegen Lehrerinnen gehabt hat«, sagte Mr Robinson. »Sie soll während ihrer eigenen Schulzeit sehr gelitten haben. Die Verteidigung wird sich das zu Nutze machen und einen Psychiater zuziehen. Man wird zu beweisen versuchen, dass sie vermindert zurechnungsfähig war…«

»Das nehme ich auch an«, erwiderte Poirot. »Aber ich hoffe doch sehr, dass diese Behauptung keinen Glauben finden wird.«

»Ich bin ganz Ihrer Meinung. Eine abgefeimte Mörderin. Natürlich wird die Verteidigung auch versuchen, ihre erfolgreiche Tätigkeit als Spionin während des Krieges in die Waagschale zu werfen, auch ihren starken Charakter, ihre Tüchtigkeit als Sekretärin – glauben Sie nicht auch?«

»Durchaus möglich«, antwortete Poirot.

»Sie soll trotz ihrer Jugend eine hervorragende Geheimagentin gewesen sein«, fuhr Mr Robinson fort. »Soviel ich weiß, hat sie für beide Seiten gearbeitet. Das war ihr métier, und sie hätte dabei bleiben sollen. Natürlich war die Versuchung sehr groß, etwas auf eigene Faust zu unternehmen, um einen großen Fisch zu fangen… einen sehr großen Fisch.«

Poirot nickte.

Mr Robinson beugte sich vor.

»Wo sind sie, Monsieur Poirot?«

»Wenn ich mich nicht irre, wissen Sie das bereits.«

»Offen gestanden, ja. Was würden wir ohne die nützliche Einrichtung von Banken tun?«

Poirot lächelte.

»Ich glaube, wir brauchen kein Blatt vor den Mund zu nehmen, mein Freund. Was wollen Sie damit anfangen?«