»Über zwanzigtausend, mit Vierrad- und mit Zweiradantrieb, alle noch zugelassen.«
»Und in Albemarle County?«
»Da ist Yancy dran, weil er rumsitzen muss. Er wird wohl 'ne ganze Weile rumsitzen.«
»Okay.«
»Wir wissen nicht, ob der Transporter hier zugelassen ist. Könnte in einem anderen Staat angemeldet sein.« »Ich weiß.«
»Das ist wie ein Puzzlespiel«, sagte Cooper, »alle Teile wurden durcheinander auf den Tisch gekippt.«
Er drehte sich zu ihr hin. »Vielleicht liegen nicht alle Teile auf dem Tisch.«
20
Die Nachricht von dem grausigen Fund erreichte das Postamt gegen halb zwei. Big Mim kam vorbei, nachdem sie ihre Besorgungen erledigt hatte.
»Ich fühle mich schrecklich.« Miranda meinte es ernst.
»Sie haben ihn nicht gekannt.« Harry beeilte sich, sie zu trösten. Sie wusste, wie schuldbewusst Miranda zuweilen sein konnte.
»Sie hat Recht, Miranda. Du hast nur gemeldet, dass deine Radkappen gestohlen wurden, und durch Zufall oder was auch immer hat er auf meinem Fest die Autos geparkt. Und du kannst mir glauben, die Parkdienstfirma hat was von mir zu hören bekommen. Die kriegen nie wieder einen Auftrag von mir. Er hat zwar keinen Schaden angerichtet, aber die sollten ihr Personal besser überprüfen. Sie haben sich darauf herausgeredet, dass er einen gültigen Führerschein hatte und sie wegen der Hartriegel-Partys alle Kräfte brauchten, die sie kriegen konnten.« Mim schüttelte ihren Regenschirm aus.
»Ich hab eine Sauerei gemacht. Tut mir Leid. Ich hatte nicht gedacht, dass er so nass ist.«
»Keine Sorge, ich wisch den Boden auf, bevor ich heute Abend gehe. An einem Tag wie heute ist das nun mal so.«
Harry kraulte Pewter am Schwanzansatz.
»Weiß man, wie lange er dort war?«, fragte Miranda.
»Nein. Das wird der Gerichtsmediziner feststellen«, erwiderte Big Mim. »Die Bevölkerung unseres Bezirks ist so stark angewachsen, dass wir jetzt zwei Vollzeitgerichtsmediziner haben, hast du das gewusst?«
»Das wusste ich nicht«, antwortete Miranda.
»Ich muss Cynthia anrufen und ihr sagen, dass ich den Mercedesstern gefunden und Marilyn gegeben habe.«
Harry lief zum Telefon, während Miranda Big Mim informierte. Big Mim hatte Little Mim seit dem Frühstück nicht mehr gesehen, daher wusste sie nichts von dem zurückgegebenen Stern.
»Ich wünschte, Mutter hätte den Stern nicht gefunden.« Mrs. Murphy stöhnte. Der niedrige Luftdruck machte ihr zu schaffen.
»Na wenn schon.« Pewter schnurrte.»Wesley Partlow bedeutet ihr nichts.«
»Sie ist neugierig. Sie wird jetzt erst recht neugierig sein. Du weißt, wie sie manchmal ist«, pflichtete Tucker Mrs. Murphy bei.
»Wenn er sich umgebracht hat, dann war's das«, erwiderte die hartgesottene Pewter.»Er hatte nicht viel vom Leben zu erwarten, oder?«
»Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Hund sich umbringt«, meinte Tucker nachdenklich.»Ich glaube, das ist eine Eigenheit der Menschen. Selbstmord.«
»Wenn es Selbstmord ist, haben wir nichts zu befürchten.« Mrs. Murphy gesellte sich zu Pewter auf dem Schalter.»Aber wenn es keiner ist, kriegen wir einen stürmischen Frühling.«
»Ach woher denn«, sagte Pewter mit einer Spur Sarkasmus.
»Wersetzt schon seine Freiheit aufs Spiel, um eine Niete wie Wesley umzubringen?«
21
Der durchweichte Boden konnte einem Pferd glatt die Hufeisen wegziehen. Er klebte auch an den Schuhen der Menschen, als Harry und Cynthia Cooper den Wildpfad unweit vom Durant Creek entlang trotteten. Tucker, bis zu den Knien im Matsch, begleitete sie. Mrs. Murphy und Pewter, die auf der Farm bleiben mussten, planten weitere verheerende Vergeltungsschläge.
Harry zeigte mit dem Finger. »Hier treffen wir auf die alte Farmstraße. Herrje, ist das laut.«
Coop blieb an der Stelle stehen, wo sich der Wildpfad und die Farmstraße kreuzten. »Der Boden ist aufgeweicht. Wenn es noch mehr Regen gibt, werden die Bäche und Flüsse über die Ufer springen.«
»Treten.«
»Richtig.«
»Wir sind zurückgerannt. Ich hab was glänzen sehen. Und das ist auch schon alles. Wir sind hingegangen, ich hab gesehen, dass es der Mercedesstern war. Fußabdrücke oder Reifenspuren sind mir keine aufgefallen. Es fing an zu schütten, aber es hatte vorher schon geregnet, wie du weißt. Wenn hier ein PKW oder Transporter gefahren wäre, dann wären da tiefe Furchen gewesen. Da waren aber keine.« Sie ging ein Stück. »Hier ungefähr.«
»Wohin führt die Farmstraße?«
Tucker, deren Sinne viel schärfer waren, schnupperte herum. Von einer menschlichen Witterung war keine Spur geblieben, nur ein Hauch von Kojotengeruch hatte sich gehalten. Sie war froh, dass ihre Mutter das nicht riechen konnte, denn Kojoten bedeuteten eine Menge Ärger für jedermann. Die Gewalt der Stürme hatte kleine Zweige und Büsche niedergedrückt und Knospen von den Bäumen gerissen. Tucker konnte auch nicht mehr Beweise sammeln als die Menschen.
»Zum Bach.«
»Irgendwelche Gebäude, Schober oder so was am
Weg?«
»Nein. Marcus Durants Hütte ist das einzige Gebäude, und die ist da hinten, wo wir geparkt haben.«
»Gut, kehren wir um.« Coop schob die Daumen in ihren Gürtel. »Wenn was auf der Erde war, ist es längst weggewaschen, aber«, sie sah sich noch einmal um, »ich muss jedem Hinweis nachgehn. Ich frage mich bloß, was Wesley um Himmels willen hier draußen gemacht hat, falls er hier war.«
»Komm, Tucker.«
»Komme schon«, erwiderte die Hündin, verärgert, weil sie nicht mehr Witterung ausmachen konnte.
Ein scharfer Wind kam auf, als die zwei Frauen und der Hund zurückgingen.
»Fühlt sich heute wirklich nicht nach Frühling an«, bemerkte Cooper.
»Geht einem durch Mark und Bein. Coop, was ist los? Du wärst nicht mit mir hier draußen, wenn du nicht beunruhigt wärst.«
»Ich glaube nicht, dass Wesley Partlow Selbstmord begangen hat. Marshall Well kann sich nicht vor heute Abend an die Autopsie machen. Ich werde meine Meinung für mich behalten, bis ich sein Ergebnis habe.«
»Ist es nicht schwierig, eine Autopsie an einem Leichnam vorzunehmen, der im Freien hing?«
»Die Jungs verstehen ihr Handwerk. Sie nehmen Gewebeproben. Ich könnte das nicht. Ich verlasse mich auf ihr Gutachten, weil sie die Leiche äußerst gründlich untersuchen. Rick und ich haben geschulte Augen, aber wir sind keine Ärzte.«
»Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Junge wie Wesley kampflos aufgehängt werden konnte. Es gibt bestimmt einfachere Methoden jemanden umzubringen als ihn zu hängen.«
»Nicht, wenn ein Strick alles ist, was man hat. Was, wenn unser Mörder, sofern es einen gibt, keine Pistole hatte oder kein Messer? Im Moment weiß ich überhaupt nicht viel, und schon gar nicht, warum Wesley hier draußen war. Ich nehme mal an, zwischen der Zeit, als wir ihn losgemacht haben, und der Zeit, als du den Mercedesstern gefunden hast, lagen fünf bis sechs Stunden.«
»Er wird den Stern nicht absichtlich weggeworfen haben«, dachte Harry laut. »Er könnte ihn im Laufen oder bei einem Kampf verloren haben. Von hier bis zu dem Altenpflegeheim in Crozet sind es ungefähr fünf Kilometer.«
»Ja.« Coop öffnete die Tür des Streifenwagens.
»Mach die Tür zu, Cynthia. Lass mich erst mal Tuckers Pfoten abwischen.«
»Ich kann sie selber waschen«, knurrte Tucker.
Harry hatte geistesgegenwärtig ein altes Handtuch in den Streifenwagen geworfen. Sie bückte sich und rieb damit dem Corgi die verschlammten Pfoten ab. »Ich würde gar nicht erkennen, dass du weiße Füße hast, Fräulein Köter.«