»Wissen Sie viel über das Opfer?«, fragte der Sheriff von Culpeper.
»Angenehmer Typ. Nicht aktenkundig. Gemütlicher Bursche.«
Coop antwortete dem gut aussehenden, schmucken Sheriff von Culpeper: »Man kann sich schwer vorstellen, dass jemand ihn umbringen wollte.«
»Die Hälfte von dem, womit wir es zu tun kriegen, hängt mit Drogen zusammen.« Der Sheriff blinzelte, als der Regen seitwärts peitschte. »Vielleicht hatte er ein Geheimleben.«
»Das ist eine verfluchte Nationalepidemie.« Rick ging von dem GMC weg, als die Leute von der Ambulanz die Leiche herauszogen. »Coop, haben Sie die Kennzeichennummer?«
»Ja.« Sie hatte die Buchstaben und Ziffern notiert, kaum dass sie aus dem Streifenwagen gestiegen war. Das Nummernschild, weiß mit blauen erhabenen Ziffern, schien viel älter zu sein als der Wagen selbst, aber es hatte gültige Zulassungsplaketten in der oberen linken und rechten Ecke. Sie stieg in den Streifenwagen, gab die Information durch und war wenige Minuten später wieder draußen. »Nichts. Dieses Kennzeichen stammt aus der Zeit, als es noch keine Computeraufzeichnungen gab. Carol Grossman sieht in den Akten nach. Aber die Plaketten sind aktuell, soviel steht fest. Und man kann sie nicht vom Kennzeichen eines anderen Fahrzeugs abziehen, ohne sie zu zerstören.«
»Wir haben einen Mordfall. Das Opfer soll diesen Transporter gefahren haben.«
»Ein Junge, der an einem Baum hing.« Sheriff Zakarios strich sich über das lange, kantige Kinn. »Böse Sache. Nicht zu ändern.«
»Danke für den Anruf.« Rick Shaw klopfte Zak auf den Rücken.
»Ich helfe wo ich kann.«
Einer von Zaks Leuten, der den Helmspecht in Plastik einpackte, rief ihm zu: »Gute Arbeit.«
»Er hat sehr gute Arbeit geleistet.« Cooper seufzte. Don war ein liebenswerter Mensch, eindeutig einer, der entweder zur falschen Zeit am falschen Ort war oder in etwas verwickelt gewesen war, das sie jetzt noch nicht ergründen konnte. Aber sie und Rick würden es herausfinden. Das gelang ihnen meistens, und sie kam jedes Mal zu demselben Schluss: Es ist leichter, schwer zu schuften und redlich zu sein. Aber sie konnte sich nicht vorstellen, was Don Unredliches getan haben könnte. Soweit ihr bekannt war, hatten Verbrecher keinen Bedarf an den Künsten eines Präparators.
Als sie wieder in den Streifenwagen stiegen, warf Rick seinen Hut nach hinten, und Tropfen spritzten nach allen Seiten. Coop warf ihren ebenfalls nach hinten.
»Ich werde meinen Hut aufdämpfen lassen müssen. Hab den Plastiküberzug vergessen.«
»Die Dinger sehen schrecklich aus.« Sie fröstelte.
»Kalt?«
»Ja. Nass bis auf die Haut.«
»Ich auch, aber ich bin besser geschützt.« Er kniff in seinen »Rettungsring«, der langsam dünner wurde. Rick führte einen Kampf mit der Ernährung. Die Versuchung, in eine Fast-Food-Bude zu rollen, war groß.
»Wenn wir zurück sind, muss ich Harry Bescheid sagen, dass ihr Specht konfisziert ist.«
»Dieser Specht ist mir neu. Schießt sie da draußen auf Spechte? Ist das nicht verboten?« Er zwinkerte ihr zu.
»Sie hat ihn tot vor der hinteren Veranda gefunden. Eigentlich haben die Katzen ihn gefunden.«
»Sie und ihre Katzen.« Rick lachte. »Sie sollte sie bei der Sozialversicherung anmelden, bei der vielen Arbeit, die sie tun.« Er bog nach links ab auf die Route 29. Nach ungefähr fünf Minuten fragte er: »Irgendwelche Ideen?«
»Der Transporter verbindet sie. Sonderbar.« Coop verfiel in Schweigen, dann sprach sie wieder. »Ich werde mir auch Lottie Pearson vorknöpfen.«
»Warum?«
»Sie hat Don auf Mims Wohltätigkeitsball geschleppt.«
»Und war es nicht Lottie, die O'Bannon den Kaffee gebracht hat? Doch, sie war's. Gut dass Sie dort waren. Lottie Pearson.« Er stieß einen leisen Pfiff aus. »Soll ich die Heizung höher drehen?«
»Nein. Dann ersticken wir. Ich hab was zum Umziehen in meinem Spind. Ich spreche mit Lottie, wenn ich bei Roy and Nadine's angerufen habe. Sie wird ein echter Leckerbissen.«
Coop verschränkte die Arme.
28
»Nein.« Lottie runzelte die Stirn. Der Regen klatschte gegen die Fensterscheibe ihres Büros.
»Lottie, niemand denkt, dass Sie Don Clatterbuck getötet haben. Regen Sie sich nicht auf.« Cynthia Cooper, die müde und frustriert war, sprach in schroffem Ton. »Aber Sie waren in letzter Zeit mit ihm zusammen. Alles, was Ihnen aufgefallen ist, könnte zu einem großen Durchbruch führen.« Cooper dachte bei sich, wie erniedrigend es doch war, Leuten wie Lottie Honig ums Maul zu schmieren.
»Also gut.« Lottie klopfte mit einem Bleistift auf ihren Schreibtisch, erhob sich von ihrem ergonomisch korrekten Stuhl, durchquerte das ordentliche, hübsche Büro und schloss die Tür hinter Coop. »Natürlich möchte ich Ihnen helfen. Nur, Sie haben mich vor den Kopf gestoßen, weil Sie in Uniform an meinen Arbeitsplatz gekommen sind. Ich habe eine Stellung zu verteidigen.« Sie kehrte zu ihrem Stuhl zurück.
»Die Universität lässt eine Unkorrektheit nicht durchgehen.«
Bei dem Wort »Unkorrektheit« senkte sie die Stimme.
Lottie, stellvertretende Direktorin und für namhafte Spenden zuständig, war übersensibel für gesellschaftliche Nuancen. Die Arbeit sagte ihr zu, und der Tag würde kommen, da Vernon Miller in den Ruhestand gehen und sie seine Nachfolge antreten würde. Geduldig pflegte sie seine gesellschaftlichen Kontakte ebenso wie ihre eigenen.
»Ich verstehe, aberSie müssen verstehen, zwei Männer sind tot, Wesley Partlow und Don Clatterbuck. Es ist durchaus möglich, dass die beiden Morde zusammenhängen ...«
»Was?« Lotties Miene drückte Entsetzen aus. »Und wer ist Wesley Partlow? Ich hab gelesen, dass er gefunden wurde, aber viel stand nicht in der Zeitung.«
»Weil man nicht viel weiß. Partlow war ein Junge, der auf Big Mims Wohltätigkeitsveranstaltung Autos eingeparkt hat.«
»Was hat einer wie der mit Donny zu tun?«
Coop beugte sich vor. Draußen pladderte es. »Don Clatterbuck wurde in einem Transporter erschossen, den Partlow gefahren hat, bevor er ermordet wurde. Sean O'Bannon hat den Wagen beschrieben, als wir ... Nun, das ist eine lange Geschichte, die mit Mrs. Hogendobbers Radkappen zu tun hat, aber Sean hat den alten Transporter genau beschrieben. Wir konnten den Wagen nicht aufspüren, hatten kein Nummernschild. Jetzt haben wir ein Nummernschild, aber es ist uralt.
Die Plaketten sind aktuell. Carol Grossman in Richmond, die seit heute Morgen an dieser Sache arbeitet, hat die alten Nummernschilder bis zu einem Jaguarhändler in Newport News verfolgt. Man hatte sie für die Dekoration verwendet.«
»Der Händler hat die Schilder gestohlen«, schloss Lottie vorschnell.
»Der Händler sagt nein. Er entwertet die Schilder. Das ist gesetzlich vorgeschrieben.«
»Jemand hat sie genommen.« Lottie behielt gerne Recht.
»Allerdings. Jemand hat auch neue Jahres- und Monatsplaketten geklaut. Händler haben die nicht. Man kann sie nicht mal mit einer Rasierklinge unbeschädigt von jemandes Kennzeichen ablösen. Wie Sie sehen, Lottie, wird die Geschichte immer interessanter.« »Ich glaube trotzdem nicht, dass Donny jemanden wie diesen Erhängten gekannt hat.« Sie brach ab, sammelte sich und fuhr fort: »Es muss eine plausible Erklärung geben. Ein Zufall. Vielleicht hat Partlow den Wagen gestohlen und zurückgegeben. Niemand hat's gemerkt.«
»Das haben wir uns auch überlegt, aber was ich von Ihnen brauche, sind Einzelheiten: Dons Stimmung, hat er etwas von Zukunftsplänen gesagt? So was in der Art.«
»Möchten Sie etwas trinken?«, fragte Lottie. »Entschuldigen Sie. Ich hätte Ihnen gleich etwas anbieten sollen, als Sie hereinkamen.«
»Ein heißer Kaffee würde Wunder wirken.«
»Sahne und Zucker?«
»Viel Sahne, wenig Zucker.«
Lottie drückte einen Knopf an ihrer Telefonanlage. »Franny, zwei Tassen Kaffee. Für mich wie immer und die andere mit viel Milch und wenig Zucker. Danke.« Sie wandte sich wieder Coop zu. Lottie fand, Cooper, die gut aussah, könnte noch besser aussehen. Mit etwas Glück könnte eine große, schlanke Frau wie Cooper in einem Bezirk wie Albemarle eine gute Partie machen, doch die Arbeit als Polizistin verdarb ihr die Chancen, es in der Welt weit nach oben zu bringen. Lottie fragte sich, warum die Frauen solche Dinge nicht bedachten.