Das Leben würde immer leichter sein, wenn man sich mit einem reichen Mann verband.
Sie plauderten, bis ihnen der Kaffee serviert wurde. Als Franny sich zurückzog, nahm Lottie einen tiefen Schluck, Cynthia desgleichen.
»Danke. Das ist genau, was ich gebraucht habe.«
»Um das klarzustellen, Donald Clatterbuck und ich hatten nichts miteinander. Er hat mich zu Mims Party begleitet. Natürlich mochte ich ihn. Wer nicht? Sie wissen, warum ich, also ich will nicht näher darauf eingehen, aber es wurmt mich immer noch, dass BoomBoom mir nicht erlaubt hat, Diego Aybar die Sehenswürdigkeiten zu zeigen. Ich tu so etwas zu gern, und Harry hat doch schon einen Verehrer. Das hat mich einfach geärgert. Und so bin ich bei Donald gelandet.« Sie sah Cooper eindringlich an, aber Cooper verriet ihrerseits keinerlei Gefühle, daher fuhr Lottie fort. »Er war unheimlich nett. Ich war ja nicht besonders scharf auf ihn gewesen. Ehrlich gesagt, ich hatte ihn gar nicht beachtet. Verstehen Sie, er war bloß Arbeiterklasse. Aber er hatte wirklich Ehrgeiz, was mich erstaunt hat.«
»Inwiefern?«
»Er sagte, er wollte mit seinem Lederdesign-Geschäft ins Internet. Er arbeitete an einer Website, wo er Techniken darstellen wollte. Ich verstehe nichts von Lederdesign und -reparatur, aber ich erinnere mich, dass er sagte, er wolle die unterschiedliche Qualität von Fellen zeigen. Er meinte, dann würde er Spezialaufträge für Dinge wie Sofas, Couch-Schonbezüge, sogar Stiefel kriegen.«
»Er war gut.« Cooper seufzte.
»Er wollte auch mit seinem Präparier-Geschäft ins Internet. Er sagte, er sollte reiche Aufschneider konservieren und Lackaffenstopferei auf sein Ladenschild schreiben. Er hatte viel Sinn für Humor.«
»Dann wirkte er also positiv?«
»Ja. Er sprach vom Sparen, um die Farm seines Großvaters zu kaufen. Es sei ein gutes Jahr gewesen, und er wollte Mr. Mawyer ein Angebot machen. Er erwähnte, dass sonst niemand in der Familie interessiert sei. Ein Glück für ihn.« »Keine Wolken am Horizont?«
»Nein. Falls doch, hat er nichts davon gesagt. Sie meinen, ob er Angst vor etwas hatte oder vor jemand?«
»Ja, in Anbetracht dessen, dass er erschossen wurde, würde ich .«
Lottie unterbrach sie. »Und wenn der Mord ein Irrtum war? Wenn derjenige, der ihn umgebracht hat, den Transporter sah und dachte, es sei jemand anders?«
»Möglich ist alles.« Coop trank ihre Tasse aus.
»Möchten Sie noch einen?«
»Nein danke. Mir ist endlich warm geworden. Wenn ich keine zweite Uniform in meinem Spind hätte, säße ich jetzt hier und würde Ihren Fußboden voll tropfen. So kalt ist es gar nicht, aber mich hat's gefröstelt.«
»Finden Sie das denn nicht furchtbar?«, fragte Lottie mitfühlend.
»Hatten Sie den Eindruck, dass Don noch einmal mit Ihnen ausgehen wollte?«
»Bei uns hat's einfach nicht gefunkt. Wie soll ich sagen? Die Chemie hat nicht gestimmt.« Sie tupfte ihre Lippen mit der kleinen Serviette ab, die Franny mit dem Kaffee gebracht hatte. »Apropos Chemie, Harry und Diego!«
Coop lächelte. »Wer weiß?«
»Denken Sie, sie ist für immer mit Fair fertig? Ich meine, ich dachte, deswegen hat BoomBoom sie mit Diego zusammengebracht. Boom wollte Fair von Harry weghaben. So ist sie eben.«
»Ich weiß nicht. Das ist lange her, das mit BoomBoom und Fair. Fünf Jahre . oder fast. Ich glaube nicht, dass Boom ihn wiederhaben will.«
»Sie will alle. Sie ist nicht glücklich, wenn nicht alle Männer sie umkreisen wie einen Honigtopf.« »Dann hätte man annehmen sollen, sie würde Diego für sich selbst reserviert haben.« Cooper beobachtete Lotties Reaktion ganz genau.
»Steinmetz ist ein größerer Fisch und vermutlich auch reicher. Sie lässt keinen Trick aus. Ich kann es nicht ausstehen, wie die Männer um sie herumscharwenzeln.«
»Sie ist schön.«
»Künstlich.« Lottie rümpfte die Nase.
»Don hat wenig Interesse gezeigt.«
»Sie sind zusammen aufgewachsen. Er hat sie durchschaut.«
»Aber Lottie, Fair ist auch mit ihr aufgewachsen.«
Da sie es keinesfalls schätzte, auf einen Irrtum in ihrer Argumentation hingewiesen zu werden, erstarrten Lotties Schultern ein bisschen, dann wurden sie wieder locker. »Donald war vernünftiger.« Sie sah auf den trüben Tag hinaus, dann sah sie Cooper wieder in die Augen. »Es tut mir Leid, dass er tot ist. Er war ein netter Mensch. Ich kann mir nicht vorstellen, warum jemand ihn töten wollte.«
29
»Nun sieh sich das einer an!« Harry ließ ihrer Bemerkung eine Reihe Flüche folgen. Ein Kugellager an der alten Egge, die dazu diente, den Boden zu zerkrümeln, war gebrochen, kleine Kügelchen lagen darunter verstreut. Der Regen prasselte auf das Blechdach des Geräteschuppens. Harry war eben von der Arbeit nach Hause gekommen, und da sie nicht im Freien arbeiten konnte, hatte sie beschlossen, den Düngerstreuer und die Egge zu ölen, die Zinken der schweren Egge sowie den Öl- und Wasserstand des 1958er John-Deere-Traktors zu kontrollieren.
Meistens war ihr der Gedanke unerträglich, auch nur eine Minute länger im Haus zu sein. Am Ende des Arbeitstages im Postamt wollte sie sich so lange wie möglich draußen aufhalten.
Die Katzen, von Harrys Arbeitsmoral im Regen weniger begeistert, hatten sich ins Haus verzogen. Nur Tucker begleitete Harry. Der Schuppen, aufgeräumt und voll gepackt, schützte vor dem Regen, aber der Wind förderte die trübe Stimmung.
»Stockfinster da draußen.« Tucker spürte die aufkommende Elektrizität des Gewitters.
Harry bückte sich und rieb Tuckers Ohr zwischen Daumen und Zeigefinger. »Ich kann mich eigentlich nicht beklagen. Die Egge ist fast so alt wie der Traktor. Bei den neuen werden die Kugellager versiegelt, nachdem sie in Schmiere gebettet wurden. Ob das funktioniert, weiß ich nicht. Wie viel die Reparatur wohl kosten wird? O je.« Sie lehnte sich an den Traktor. »Was wir brauchten, wäre eine Drillmaschine. Keine Chance.« Sie lachte, weil das Gerät, das sie benötigte, im Einzelhandel 22000 Dollar kostete. Das entsprach praktisch einem Jahresgehalt von Harry.
Sie klappte die Motorhaube des Kombis hoch, kontrollierte das Öl, die Scheibenwischerflüssigkeit und den Reifendruck. Sie wiederholte den Vorgang bei dem 1978er Ford Fl50, den sie im Schuppen untergestellt hatte. Zufrieden, weil alles in Ordnung war, sprintete sie zum Stall. Sie hatte die hinteren Boxentüren offen gelassen, und die drei Pferde waren so klug gewesen, aus dem Gewitter hereinzukommen.
»Das Telefon hat sich doof und dämlich geklingelt«, berichtete Poptart Tucker.
Die Corgihündin sprang auf die Satteltruhe, um Auge in Auge mit dem jüngsten Pferd zu sprechen. Sie stellte sich auf die Hinterbeine und steckte den Kopf durch die quadratische Öffnung mit dem großen Futtereimer darunter.»Hast du dir schon mal gewünscht, du könntest ans Telefon gehn?«
»Nein.« Poptart lachte.»Macht mehr Arbeit. Jedes Mal, wenn ein Mensch einen anderen anruft, hat es entweder mit Arbeit zu tun oder es ist was, das Harry in Windeseile von hier verschwinden lässt. Ich kapier nicht, wieso ein vernünftiger Mensch sich derart unterbrechen lassen mag. «
»Und wer würde dich anrufen?«, fragte Gin Fizz, das älteste von den drei Pferden.
»Anne Kursinski.« Lachend nannte Poptart eine der berühmtesten Springreiterinnen der Welt.