»Prinzessin Anne würde mich anrufen«, gab Tomahawk seinen Senf dazu.
»Oh, ich bin sicher, wenn die Prinzessin das nächste Mal Amerika besucht, wird sie darauf bestehen, dass man ihr gewöhnliche Jagdpferde hier in Crozet zeigt.« Gin Fizz lachte schallend.
»Und warum nicht?«, erwiderte Tomahawk stur.»Die meisten Pferdesportarten kommen von der Fuchsjagd. Geländejagdrennen, Hindernisrennen, Prüfungen für Jagd- und Springpferde«, schloss er ernsthaft.
»Military«, ergänzte Tucker.
»Danke, Tucker. Das hatte ich vergessen,« rief Tomahawk aus seiner Box.
»Ich dachte, Military käme vom Kavallerie-Drill«, sagte Gin Fizz.
»Die Kavalleristen sind auf Fuchsjagd gegangen. Military ist noch mit der Fuchsjagd verwandt«, erklärte Tucker; die Erklärung war allerdings dürftig.
Harry ging hinein, um die hintere Tür von Tomahawks Box zu schließen. Der Wind blies mit solcher Gewalt, dass sie dachte, die Türen würden sich biegen. »Ihr seid ja so gesprächig.«
»Ist schlimm da draußen, Mom.« Tomahawk rieb sich an ihr.
Sie küsste ihn auf die Nase und gab ihm ein Melasseplätzchen. Sie hatte zwei für jedes Pferd.
»Dressurreiten kommt nicht von der Fuchsjagd,« dachte Poptart laut.»Hohe Schule. Jahrhunderte alt, schätze ich. Ich kann das nicht. Ich kann keinen Galopp auf der Stelle, keine halbe Parade bei B oder was. Ich kann's einfach nicht. Ich will rennen!«
»Wollen wir doch alle.« Gin Fizz wartete ungeduldig auf Harrys Besuch in seiner Box.»Der Trick, Poppy, ist das Anhalten. «
Hierauf lachten alle vier Tiere laut, sogar Poptart, die dazu neigte, mir nichts, dir nichts durchzugehen. Wenn die anderen Pferde losliefen, wurde die junge Stute so aufgeregt, dass sie alle überholen wollte. Das durfte nicht sein. Harry bildete sie aus, aber das dauerte seine Zeit. Perfekte Pferde gibt es so wenig wie perfekte Menschen. Poptarts einziger Makel wog wenig im Vergleich zu ihrem Sprungtalent. Kein Hindernis war ihr zu hoch oder zu breit, und sie setzte ihre Hufe geschickt ein.
Gin Fizz bewunderte das Talent der jungen Stute, wünschte jedoch, ihr etwas von seiner Weisheit abgeben zu können. Jedes Mal, wenn sie über die Stränge schlug, seufzte der alte Knabe und murmelte:»Die Jugend.«
Tomahawk, der selbst recht talentiert und deshalb von Poppys Talent weniger beeindruckt war, entgegnete gewöhnlich:
»Stuten.«
Die zwei Hengste fanden, dass Stuten gefühlsduselige, launische Nervensägen waren. Aber sie liebten Poptart trotz ihrer Launenhaftigkeit.
Sie hielt auch selbst große Stücke auf sich.
»Mit Mom solltest du lieber nicht durchgeben«, warnte Tucker sie.
»Mach ich nicht«, sagte Poppy halbherzig.
»Ich kann dich in die Knöchel beißen, bevor du mich treten kannst. Fesseln, wollte ich sagen. Jedenfalls, ich kann beißen, und zwar kräftig.«
»Kleiner Wicht.« Poptart legte die Ohren an, aber nur aus Spaß.
Harry schloss die letzte Außentür. »Was ist los mit euch? So einen Tumult hab ich noch nie gehört.«
»Wirplaudern bloß.« Gin Fizz lachte.
Das Telefon klingelte wieder.
»Geh lieber dran, Mom. Es hat sich doof und dämlich geklingelt«, riet Tomahawk dem Menschen.
Mit einem tiefen Seufzer trottete Harry in die Sattelkammer und nahm den Hörer ab. »Hallo.«
»Hey, Don Clatterbuck ist erschossen worden.« Susan kam gleich zur Sache.
»Was?«
»Es muss eben erst passiert sein. Big Mim hat mich angerufen, und ich hab zuerst versucht dich anzurufen und dann hab ich Miranda angerufen. Wo hast du denn gesteckt?«
»Im Geräteschuppen.« Sie holte Atem, überlegte kurz.
»Susan, wo war er? Ich meine, was weißt du?«
»Man hat ihn in Culpeper am Straßenrand gefunden. Durch die Schläfe geschossen. Oh, er hatte deinen Specht.«
»Was!«
»Mim sagt, er hatte deinen Specht und er war in dem Transporter, nach dem Rick gefahndet hat. Der von Wesley Partlow gefahren wurde. Drücke ich mich verständlich aus?«
»So lala. Wer sagt es seinen Eltern? Oh, das ist einfach schrecklich.«
»Rick.«
»Bin ich froh, dass das nicht meine Aufgabe ist. Ich kann nicht glauben, dass jemand Don Clatterbuck erschießen wollte. Und was hat er in dem GMC gemacht?«
Tucker spitzte die Ohren, weil sie Susans Stimme hörte, dann stürmte sie aus der Sattelkammer, den Mittelgang im Stall entlang, durch den sintflutartigen Regen, stieß die Fliegentür auf und schoss durch das Tiertürchen in die Küche.
»Mrs. Murphy, Pewter, man hat Don Clatterbuck tot aufgefunden, erschossen, in dem Farmwagen.«
Mrs. Murphy, die im Bücherregal im Wohnzimmer döste, hob den Kopf, die Augen jetzt weit offen.»Ich hab 's gewusst, dass noch was auf uns zukommt. Zu nah an zu Hause.«
»Nichts hast du gewusst.« Pewter, die jetzt auch wach war, setzte sich auf dem Sofa auf.
»Wer Wesley Partlow aufgeknüpft hat, ist in Crozet gewesen, richtig?«, folgerte die Tigerkatze.
»Ja, aber das heißt nicht, dass derjenige in Crozet wohnt«, entgegnete Pewter.
»Nein, aber Donny hat in Crozet gewohnt. Ich kann mir nicht denken, was Wesley Partlow und Donny verbunden hat. «
»Vielleicht nichts. Menschen sterben, ohne dass eine Verbindung besteht.«
»Pewter, sie sind nicht einfach gestorben, sie sind ermordet worden, und zwar im Abstand von wenigen Tagen. Denk mal drüber nach ... und man hat Partlow in dem Transporter gesehn. Hab ich Recht, Tucker? Es war Bootys Farmwagen?«
»So hat Susan es Mom erzählt.« Tucker ging zum Bücherregal, als Murphy heruntersprang.»Hoffentlich ist Booty nicht in Gefahr. Der Transporter ist verflucht.«
»Ach, Tucker.« Pewter rümpfte die Nase.»Leblose Gegenstände sind nicht verflucht.«
»Die Pyramiden. Der Fluch der Pharaonen.« Tucker glaubte, Gegenstände seien tatsächlich mit Flüchen belegt.
In gewisser Weise hatte Tucker Recht.
30
Den ganzen Abend liefen in Crozet und Albemarle County die Telefondrähte heiß. Normalerweise trieb eine Krise die Menschen zusammen, aber das anhaltend schlechte Wetter hielt die Leute zu Hause fest.
Harry versuchte Diego anzurufen, gab es aber auf, weil sie mit den internationalen Vorwahlnummern nicht klar kam. Die Kennnummer von Uruguay war 598, aber sie bekam die Anzahl von Nullen und Einsen nicht auf die Reihe, um eine Verbindung herzustellen. Sie hatte richtig ausgerechnet, dass Diego der Ostküstenzeit um zwei Zeitzonen voraus war. Das war ein Sieg. Es fiel ihr schwer genug, die Zeit in ihrer eigenen Zeitzone einzuteilen. Letztendlich gab sie sich einen Ruck und rief BoomBoom an.
»Ich hab's gerade gehört!« BoomBooms aufreizende Stimme klang höher als sonst.
Sie unterhielten sich über die traurige Neuigkeit, dann fand Harry, sie habe ihren guten Manieren Genüge getan und könne ihre Frage stellen. »Hast du was von Thomas gehört?«
»Heute Morgen.« BoomBoom ließ den Köder baumeln, so dass Harry gezwungen war, noch eine Frage zu stellen.
»Ich frage dich deswegen, weil ich Diego nicht erreichen kann und, hm ...«
»Offenbar steckt ihre Regierung in einer Krise wegen Anleihen beim Internationalen Währungsfonds oder so was. Diego ruft dich an, sobald er eine Minute Zeit hat.«