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Diego kramte in seiner Tasche und zog ein grellbuntes Streichholzbriefchen heraus. »Hier.«

Harry starrte auf das Briefchen von Roy and Nadine's in seiner Hand. »Diego, woher haben Sie die Streichhölzer?«

»Die hier?« Er las die Aufschrift. »Aus Lotties Auto.«

Harry hoffte inständig, dass er die Wahrheit sagte. Gleich nach dem Picknick wollte sie Coop anrufen.

»Waren Sie mal in Lexington, Kentucky?«

»Nein. Ich werde das auf meine Abenteuerliste setzen.«

Hinten beim Haus entspann sich auch ein kleines Abenteuer. Der Blauhäher, der auf der Wetterfahne auf dem Dach hockte, hatte beobachtet, wie die zwei Katzen die Falle stellten. Er wartete, bis die Menschen zurückkamen, Diego sich verabschiedete und die Katzen enttäuscht ins Haus gingen. Dann stieß er herab, futterte die Körner und kreischte triumphierend. Bis die Katzen aus dem Haus gerast kamen, war die Hälfte des Futters verputzt.

»Ichhasse dich!«, heulte Pewter, was ihre Lungen hergaben.

»Haha«, rief der Blauhäher von der Wetterfahne herunter.

Bevor Harry sich für den Ball anzog, rief sie Cooper an und berichtete ihr, dass sich ein Roy-and-Nadine's- Streichholzbriefchen in Diegos Besitz befand.

»Ich würde sie ja selbst anrufen und fragen«, erbot sich Harry, »um dir den Anruf zu ersparen, aber dann würde sie denken, ich rufe wegen Diego an. Es ist doch klar wie Kloßbrühe, dass sie ihn haben will.«

»Du würdest sie anrufen, weil du so neugierig bist wie deine Katzen«, erwiderte Coop. »Wie auch immer, ich ruf sie an. Was glaubst du, um wie viel Uhr du auf dem Ball sein wirst?«

»Oh, um sieben. Um halb sieben geht's los, ah, warte, die Einladung liegt auf dem Kühlschrank. Ich guck lieber noch mal nach. Okay, Bar-Eröffnung um halb sieben, Essen um sieben, Tanz um acht. Also denke ich, dass wir um halb sieben dort sind. Fair möchte bestimmt gern einen Drink. Ich passe.«

»Hast du überhaupt schon mal richtig getrunken?«

»Nein, eigentlich nicht, höchstens ab und zu mal ein Bier. Sekt auf einer Hochzeit. Und du?«

»Auf dem College.«

»Wann kommst du hin?«

»Halb sieben.« Sie lachte.

»Hast du heute Abend Dienst?«

»Ja, aber ich schmeiß mich in Schale. Rick auch.«

»Sobald du mich siehst, musst du mir erzählen, was Lottie zu dem Streichholzbriefchen gesagt hat. Ich hoffe, er hat es in ihrem Auto vom Boden aufgehoben. Wenn nicht .«

»Ja, ich weiß.«

50

Die Scheinwerfer, die die alte Abrissbirne anstrahlten, leuchteten kaltblau. Die Lichter an dem Schild, das auf O'Bannon's Salvage hinwies, waren weiß geblieben, doch rings um den Hof, der der Straße zu dem Gelände gegenüberlag, brannten Lichter in fröhlichem Rot, Gelb, Grün, Blau, einige rosa, einige weiß.

Die ankommenden Festgäste fuhren durch eine Lichterallee.

Das neue Hauptgebäude, wo der Ball stattfand, entlockte den Gästen bewundernde Töne. Sean hatte alle Abstellflächen auf Rollen gebaut, und die Regale waren an die Seiten des großen Gebäudes geschoben worden. Davor hingen bespritzte Maler-Abdeckplanen von der Decke bis zum Boden. Schöne alte Gegenstände, Kamineinfassungen, prächtige riesige Kutschenlaternen waren rund um den Raum arrangiert oder hingen von den Deckenbalken herab. Der Blickfang des Raumes, ein Art- Nouveau-Brunnen mitsamt lebenden Nymphen und Satyren, floss von Blumen über statt von Wasser.

Sean hatte den Brunnen mit Glyzinien gefüllt und die Gymnastikgruppe der Universität engagiert, die sich in Kostümen präsentierte. Oben auf dem Brunnen stand eine Hirsch-Skulptur, ein ungewöhnliches, aber anschauliches Symbol.

Auf jedem Tisch stand ein Tafelaufsatz aus Glyzinien, die sich um ein altes Stück wanden - eine handgeschnitzte Kreuzblume, einen porzellanenen Waschkrug, einen Stapel kristallener Türknäufe. Mit dem Glas in der Hand schlenderten die Leute von Tisch zu Tisch und bewunderten die Tafelaufsätze, die sämtlich zum Nutzen der Wohltätigkeit zum Verkauf standen.

Andere schöne Stücke, etwa alte goldene Bilderrahmen, waren von Komiteemitgliedern erworben und dann für den Wohltätigkeitsball gestiftet worden. Niemand erwartete, dass Sean allein für alles aufkam. Er hatte sich ohnehin schon erheblich verausgabt, indem er die Abdeckplanen gekauft und a la Jackson Pollock bemalt hatte. Er und sein Personal hatten das Gebäude geputzt, die Regale zur Seite geschoben, die Planen aufgehängt und die schweren Skulpturen mit einem Gabelstapler hereingeschafft. Glücklicherweise war der Fußboden aus Beton. Und Sean hatte den Brunnen zum Verkauf gestiftet, hatte die Tanzfläche mit einem Podest für die Kapelle gebaut. Er erzählte allen, er brauchte die Arbeit, um seine Gedanken von Roger abzulenken.

Miranda ließ sich mit einem Satyr vor dem Brunnen fotografieren. Der Fotograf wurde ebenfalls von Sean bezahlt. Die Leute kauften die Bilder, der Erlös kam »Bauen für das Leben« zugute.

Tante Tally war eine Sensation. Sie trug einen weißen Smoking, eine rote Rosenknospe am Revers. Big Mim erschien mit einem Herrn in den Achtzigern als Begleitung für ihre Tante, doch Tally erwies sich als zu viel für ihn, und sie ließ ihn für einen vierzig Jahre alten Rechtsanwalt stehen, der begeistert war von ihrem Witz.

Mim, von Kopf bis Fuß in papageienbunten St. Laurent gehüllt, huschte hierhin, dorthin, überallhin.

Harry und Fair sahen zusammen so gut aus wie damals, als sie heirateten. Sie trug das schöne klassische Dior- Kleid ihrer Mutter, und er trug einen Smoking, den er in der Weihnachtswoche bei Bergdorf Goodman gekauft hatte.

Susan hatte sich für Lavendel entschieden, und Brooks hatte für ihren ersten Erwachsenen-Ball Weiß gewählt.

Lottie, die sich nah bei Sean hielt, trug ein schlichtes, aber elegantes schulterfreies schwarzes Kleid.

Diego begleitete Little Mim, was Gerede auslöste. Um Unabhängigkeit von ihrer Mutter zu beweisen, unterstützte Little Mim einen um seine Existenz ringenden New Yorker Modeschöpfer namens Mikel. Nach dem Abbruchball würde er vermutlich nicht mehr ringen müssen; denn er ließ Little Mim hinreißend aussehen, was nicht immer eine leichte Aufgabe war. Ihr smaragdgrünes Kleid, apart mit Perlen bestickt, erzeugte beim Gehen ein leises, außergewöhnliches Geräusch. Nicht, dass Little Mim übel aussah - beileibe nicht -, aber meistens wurde sie von ihrer Mutter in den Schatten gestellt. Dieses Kleid bot die Gewähr, dass dem heute Abend nicht so sein würde.

Coop, deren Blondschopf die anderen Damen überragte, hatte sich für Rot entschieden, aus dem einfachen Grund, weil Blondinen das normalerweise nicht trugen. Ihr war heute Abend nach Regelverstößen zumute.

Bis um sieben Uhr waren alle eingetroffen, sogar einige ungeladene Gäste. Mrs. Murphy, Pewter und Tucker verstanden es, Fair zu umschmeicheln.

Fair hatte sich einen neuen schwarzen Volvo Kombi gekauft. Weil er es leid war, überall in seinem Tierarztwagen aufzukreuzen, hatte er sich schließlich den Volvo zugelegt. Harry hatte geraten, die Tiere zu Hause zu lassen, aber dann waren ihr die umgeworfenen Lampen, zerfetzten Lampenschirme, die Bücher auf dem Boden eingefallen. Die Verwüstungen eskalierten mit dem kätzischen Zorn. Eine verstimmte Katze mochte sich damit begnügen, ein Glas umzustoßen, aber von einem großen Ereignis ausgeschlossen zu werden rief verheerende Zerstörungsorgien hervor. Harry erklärte sich einverstanden, sie mit auf den Ball zu nehmen. Schließlich kannten sie sich auf dem O'Bannon-Gelände aus, und es lag weit genug abseits der gepflasterten Staatsstraße, um keine Gefahr für sie darzustellen. Fair machte die hintere Klappe auf, so dass sie nach Belieben kommen und gehen konnten. Harry legte ein Strandlaken hinein, damit sie die beigefarbene Automatte nicht schmutzig machten.

»Lasst uns Papst Ratte suchen gehn«, schlug Tucker keuchend vor, begierig, den Schuft zu jagen.