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Auch Fair Haristeen hatte erkannt, wo es zur Krise kommen würde. Er rannte ebenfalls zwischen den geparkten Autos hindurch, so schnell ihn seine Füße trugen.

»Es kann losgehen!« Harry ließ den Kran an, der schwere Dieselmotor ratterte.

Als die Leute das laute Durcheinander hörten, strömten sie aus dem Gebäude. Einige waren unsicher auf den Beinen. Sie mochten gedacht haben, es sei der Geist von Roger O'Bannon, der wieder voll geladen war und im Suff eine denkwürdige Szene hinlegte.

Nervös wie sie war, vergaß Harry, welche Greifer wofür dienten. Sie schwenkte die Birne über das festlich geschmückte Gebäude, worauf die Leute draußen kreischten und sich in den Dreck warfen.

»Verdammt!«, fluchte Harry, holte tief Luft, drückte vorsichtig die richtigen Greifer und schwenkte die Birne zurück.

Big Mim, wieder auf den Beinen, erkannte, was Harry tat.

Motordröhnen und Reifenquietschen waren hinter dem Gebäude zu hören. Die Leute stoben wieder auseinander.

Harry holte die Birne zur Spitze des Krans hoch und hielt sie genau über dem Tor an. Sie segnete Sean dafür, dass er die bunten Scheinwerfer angebracht hatte.

Sie wusste nicht genau, wie viel Zeit vergehen würde von dem Augenblick, wenn sie die Greifer drückte, bis zu dem Moment, wenn die horizontal heruntergelassene Birne auftraf. Die Hand an den Greifern, betete sie, dass sie es richtig machen würde.

Lottie nahm die Ecke um das Hauptgebäude auf zwei Rädern. Sie krachte in den Holzstoß. Tucker sprang aus dem Weg. Die Katzen begaben sich in Sicherheit, indem sie sich unter dem Kran versteckten.

»Mach schnell, Tucker, Thomas kommt gleich hinterher«, rief Mrs. Murphy ihrer lieben Freundin zu.

Tucker rannte, so schnell sie konnte.

Die Pistole in der Hand, langte Rick ebenfalls an der Ecke des Gebäudes an. Er schoss auf Lotties Reifen, aber sie sah ihn und riss das Steuer herum. Thomas, der jetzt keine drei Meter hinter ihr war, sah Rick ebenfalls und lenkte seinen Wagen direkt auf den Sheriff zu, der sich fortrollte, während Thomas ausscherte, um nicht in das Gebäude zu krachen, wobei er Fair knapp verfehlte, der auf eine Motorhaube und von da auf die nächste sprang.

Die Gäste sahen wie gebannt zu.

Als Diego erkannte, dass Thomas ein Mitwirkender des dramatischen Geschehens war, entfernte er sich von der Menge und schob sich zu den Autos, die am nächsten am Tor parkten.

Tucker war im Nu bei dem Kran.

Cooper hatte die Schuhe ausgezogen und rannte auf Strümpfen über den Perlkies. Sie hatte sich ihre Pistole geschnappt und lief um die andere Seite des Gebäudes herum.

»Mein Gott, sie will das Tor rammen!«, schrie Big Mim.

Gerade als die Schnauze von Lotties Auto auf das Tor traf, drückte Harry die Auslösegreifer, und die Abrissbirne fiel nach unten.

Krach! Die Birne knallte auf die Kühlerhaube und quetschte den Motor zum Boden raus. Lottie, die nicht angeschnallt war, flog mit solcher Wucht durch die Windschutzscheibe, dass sie in das eingedrückte Tor knallte und von dem Aufprall getötet wurde.

Harry holte die Birne hoch und schwenkte sie zu Thomas hinüber. Sie ließ die Birne herunter. Er hatte kaum Platz für ein Ausweichmanöver, da Lottie vor ihm am Tor lag. Die Birne krachte in die Beifahrerseite des Mercedes, dass das Metall nur so splitterte.

Diego Aybar lief zu dem Wagen und zog den benommenen und blutenden Thomas heraus.

53

Montagmorgen warf Rob Collier den Postsack durch die vordere Eingangstür des Postamts. »Harry, gut gemacht, Mädchen.« Er hielt die Daumen in die Höhe.

»Danke.« Sie lächelte scheu.

Unterdessen war fast ganz Crozet ins Postamt gekommen, um die Post zu holen und über die Ereignisse zu sprechen.

»Ichhab's rausgekriegt. Ich weiß nicht, warum die Leute ihr Komplimente machen«, nörgelte Pewter.

»Jaja.« Tucker hatte sich, ermüdet vom Begrüßen aller Leute, neben den Tisch gesetzt.

Miranda hatte Harry wohl zehnmal umarmt und geküsst. Jedes Mal, wenn sie an das schnelle Schalten und den kühlen Kopf der jungen Frau dachte - immerhin hätte Lottie oder Thomas sie direkt vom Kran herunterschießen können, wenn sie ihre fünf Sinne beisammen gehabt hätten -, musste Miranda sie abermals umarmen und küssen.

Die erschöpfte Coop trottete um elf herein. »Hey, Partnerin.« Sie lächelte. »Ich denke, wir haben ganze Arbeit geleistet.«

»Wird Thomas durchkommen?«, fragte Miranda, stets besorgt, auch wenn ein Mensch nichts taugte.

»Sein Gesicht sieht schlimm aus. Er hat 'ne Menge Knochenbrüche, aber das ist erstaunlicherweise auch alles.«

»Lottie war's, die Dons Tresor geöffnet hat, nicht?« Das hatte Harry herausgefunden.

Coop kräuselte die Oberlippe. »Thomas ist bleich geworden, als ich ihm einen Haufen Anklagepunkte vorlegte. Er schiebt alles auf Lottie, und sie kann uns mit ihrer Version der Ereignisse nicht mehr dienen.«

»Waren es Drogen?« Miranda bot Coop eine Tasse dampfenden Tee an, den sie dankbar annahm.

»Nein. Nein, keine Drogen. Es war viel raffinierter, als wir gedacht hatten. Sie haben gestohlene Autos nach Uruguay verkauft. Eine vier Jahre alte Mercedes­Limousine kann zweihundertzwanzigtausend Dollar bringen, ein neuer Wagen bringt dreihunderttausend. Dank seiner Stellung konnte Thomas die Ware ganz einfach dorthin verfrachten.«

»Autos, komplette Autos. Werden denn bei den Flug­oder Schifffahrtsgesellschaften die Registriernummern nicht überprüft?«

»Da kamen Roger und Dwayne ins Spiel. Roger hat die Nummer auf der Innenseite der Vordertür abgeschliffen und ein neues Schild gemacht. Wer überprüft schon die Motornummer? Er hat den Wagen umlackiert. Rick und ich dachten, er hätte vielleicht eine Ausschlachtwerkstatt, aber auf diese Weise war es dank Thomas weniger Arbeit und mehr Gewinn. Die Leute in Uruguay und Paraguay schnappen nach teuren Autos wie nach Bonbons. Thomas kannte natürlich alle Welt, genau wie Lottie. Lottie war's, die Thomas mit Roger zusammengebracht hat.«

»Ach je, der arme Roger.«

»Er hat einmal zu viel gesagt, er sei ein reicher Mann, weil er Lottie erobern wollte. Je mehr er trank, desto mehr prahlte er. Roger wurde zur Belastung. Sie machte eine große Schau daraus, dass sie ihn verachtete, eine zu große Schau. Sie und Thomas waren sich einig, dass Roger die Sache bald vermasseln würde. Mit der Zeit würden sie einen anderen finden, der neue Schilder prägte. Roger war entbehrlich geworden. Thomas hat das Gift zusammen mit einer Hand voll Rohzucker in eine Porzellan-Zuckerdose getan. Thomas' kranke Mutter musste Quinidin nehmen. Wir denken, er hat einfach ihr Rezept geklaut. Sie hatten eine Porzellandose. Es war nicht die von Tante Tally. Er sagte, es war Lotties Aufgabe, die Dose in die Geschirrkammer zu stellen. Er hat sie rausgeholt. Sie war hinter Tellern versteckt. Ich weiß nicht, wie sie das gemacht hat. Er sagt, er weiß es auch nicht, aber der Plan war, Roger vor aller Augen umzubringen. Je mehr Leute zugegen waren, desto sicherer würden sie sein. Lottie schenkte den Kaffee für Roger ein und stieß dann mit Thomas zusammen, als er nach der Dose griff. Die fiel auf den Boden und zerbrach wie geplant. Sie wollten, dass es wie ein natürlicher Tod aussah. Seans Ansicht über die Ehrung der Toten war allseits bekannt.«

»Trotzdem waghalsig. Sie waren wirklich waghalsig«, fand Miranda.

»Was war mit Dwayne?«

»Er hat Plaketten, Kraftfahrzeugscheine und -briefe geklaut. Bill Boojum in Kentucky hatte jemanden, der dasselbe im dortigen Verkehrsamt besorgte«, antwortete Coop.

»Er hat gestohlene Autos durch das Geschäft geschleust?«

»Wie alle großen Händler hatte Boojum eine Werkstatt. Was sie in Louisville oder Lexington oder auf der anderen Seite des Flusses in Indiana gestohlen haben, wurde schleunigst umlackiert. Dwayne fuhr das Fahrzeug zu Roger und versteckte es in dessen Werkstatt. Roger kümmerte sich um alle Kleinigkeiten, die bei Boojum nicht fertig geworden waren. Was er aus Virginia bei Boojum ablieferte, war rechtmäßig.«