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Par zuckte die Schultern. »Das würde uns jetzt auch nichts nützen.«

»Nichts nützen? Wir hätten wenigstens etwas Geld.«

»Aber auch nur dann, wenn wir es während der Vorstellung bei uns getragen hätten. Hältst du das etwa für wahrscheinlich?«

Coll hob die Schultern und verzog das Gesicht. »Dieser Bierhausbesitzer schuldet uns was.«

Sie gingen schweigend bis zum Südende des Hafens. Wortlos sahen sie einander an. Es war kühler geworden, und ihre leichte Kleidung bot keinen Schutz gegen die Kälte. Sie zitterten und vergruben die Hände tief in den Taschen, die Arme dicht an ihre Körper gepreßt. Lästige Insekten umschwirrten sie.

Coll seufzte. »Hast du eine Ahnung, was wir jetzt machen sollen, Par? Hast du dir schon was überlegt?«

Par nahm die Hände aus den Taschen und rieb sie kräftig aneinander. »Ja, das habe ich. Aber dazu brauchen wir ein Boot.«

»Du willst also nach Süden – auf dem Mermidon?«

»Bis ans Ende.«

Coll lächelte, weil er fälschlicherweise annahm, daß sie sich auf dem Weg nach Hause befanden. Par hielt es für besser, ihn in dem Glauben zu lassen.

»Warte hier«, sagte Coll plötzlich und verschwand, noch bevor Par irgend etwas einwenden konnte.

Par stand allein in der Dunkelheit am Ende des Hafens. Es kam ihm vor, als warte er mindestens eine Stunde, aber in Wirklichkeit wartete er höchstens halb so lange. Er setzte sich auf eine Bank vor einer Fischerhütte und zog die Beine bis zum Kinn hoch, um sich vor der Nachtluft zu schützen. Alle möglichen Gedanken gingen ihm durch den Kopf. Er war wütend, am meisten auf den Fremden, der sie zuerst wie durch Zauberhand befreit hatte, um sie dann zu verlassen. Er streckte die Beine aus und schlug einen Fuß über den anderen. Er wußte, daß er jetzt nichts mehr ändern konnte. Coll und er würden einfach noch einmal von vorne anfangen müssen. Aufgeben kam für ihn überhaupt nicht in Frage. Dazu waren die Geschichten einfach zu wichtig, und er hielt es für seine Pflicht, dafür zu sorgen, daß sie nicht vergessen wurden. Er war überzeugt, daß er diese Gabe eigens zu diesem Zweck besaß. Es spielte überhaupt keine Rolle, wie die Föderation darüber dachte – daß Zauberei verboten war und daß sie dem Land und den Menschen Schaden zufügte. Was wußte die Föderation schon von Zauberei? Den Mitgliedern des Koalitionsrates fehlte es an jeglicher praktischen Erfahrung. Sie hatten einfach beschlossen, daß etwas getan werden mußte, um diejenigen zufriedenzustellen, die behaupteten, die Vier Länder litten an Krankheiten und Menschen würden wie in Jair Ohms-fords Zeiten in dunkle Wesen verwandelt, in eine Art niederer Lebewesen, Wesen, die ihre Kraft aus der Dunkelheit und aus Zauberkräften schöpften, die seit der Zeit der Druiden verloren schienen. Diese Wesen hatten sogar einen Namen. Man nannte sie Schattenwesen.

Plötzlich drängte sich Par wieder der unangenehme Gedanke an die Träume auf und an das Dunkle in ihnen, das ihn gerufen hatte.

Er bemerkte, daß die Stimmen der Fischer und Hafenarbeiter, das Surren der Insekten, ja selbst das Rascheln des Nachtwindes verstummt waren. Er konnte seinen eigenen Pulsschlag hören und zudem ein eigenartiges Flüstern…

Im nächsten Augenblick schreckte er durch ein plätscherndes Geräusch aus seinen Gedanken auf. Coll, der einige Schritte entfernt das Ufer des Mermidon erklommen hatte, kam jetzt prustend auf ihn zu. Er war vollkommen nackt.

Par faßte sich langsam wieder und starrte ihn ungläubig an. »Himmel, du hast mich vielleicht erschreckt! Was hast du denn getrieben?«

»Was glaubst du wohl?« Coll grinste. »Ich war schwimmen.«

Erst als Par nachfragte, erfuhr er, was Coll wirklich getrieben hatte; er hatte sich kurzerhand ein Fischerboot, das dem Besitzer des Bierhauses gehörte, ausgeliehen.

»Das ist das Mindeste, was er für uns tun kann, nach all dem, was er an uns verdient hat«, brachte er zu seiner Rechtfertigung vor, während er sich abtrocknete und anzog.

Par hatte dem nichts entgegenzusetzen. Sie brauchten ein Boot notwendiger als der Bierhausbesitzer. Das Runnegebirge zu Fuß zu erreichen war ein Unterfangen, das mehr als eine Woche gedauert hätte. Eine Fahrt auf dem Mermidon dagegen würde höchstens ein paar Tage dauern. Und letztendlich konnte man nicht behaupten, daß sie das Boot gestohlen hatten. Sie würden es zurückbringen, sobald sie dazu in der Lage waren.

Das Boot war ziemlich klein, doch es war nebst Rudern, einigen Decken und einer Zeltplane mit allem ausgerüstet, was sie brauchten, um zu fischen, zu kochen und ein Lager zu errichten. Nachdem sie ins Boot geklettert waren, stießen sie vom Ufer ab und ließen sich von der Strömung den Fluß hinuntertreiben.

Irgendwann teilte Coll Par mit, wie sie seiner Meinung nach am besten weiter vorgingen. Es war natürlich unmöglich, in absehbarer Zeit nach Callahorn zurückzukehren.

Die Föderation würde nach ihnen suchen. Es würde auch zu gefährlich sein, sich einer der größeren Städte im Südland zu nähern, weil auch die dort stationierten Truppen der Föderation in Alarmbereitschaft sein würden. Seiner Meinung nach war es am besten, wenn sie einfach ins Tal zurückkehrten. Dort konnten sie ihre Geschichten auch weiterhin erzählen – vielleicht nicht sofort, aber vielleicht in einem Monat, wenn die Föderation die Suche nach ihnen aufgegeben hatte. Später konnten sie dann in die abgelegeneren Gebiete gehen, an Orte, in die die Föderation nur selten ihren Fuß setzte. Es würde sich alles zum Guten wenden.

Par ließ ihn reden.

Bei Sonnenaufgang legten sie an einem felsigen Ufer an und errichteten in einer schattigen Waldlichtung ihr Lager. Sie schliefen bis Mittag und aßen danach die Fische, die sie gefangen hatten. Am frühen Nachmittag machten sie sich wieder auf den Weg und ließen sich bis spät nach Sonnenuntergang auf dem Fluß treiben. Wieder legten sie an und bereiteten ein Lager. Als es zu regnen anfing, zogen sie sich die Decken fest um die Schultern und beobachteten schweigend, wie der Regen den Fluß anschwellen ließ.

Danach unterhielten sie sich eine Zeitlang darüber, wie sich seit den Tagen von Jair Ohmsford die Dinge in den Vier Ländern verändert hatten.

Vor dreihundert Jahren herrschte die Föderation, die damals eine Isolationspolitik verfolgte, nur in den Städten ganz unten im Südland. Der Koalitionsrat, der sich aus Männern zusammensetzte, die von den Städten als Vertreter ihrer Regierungen entsandt wurden, hatte schon damals die Führerschaft inne. Aber dann übernahm anstelle des Rates allmählich die Armee der Föderation die Herrschaft, und mit der Zeit wurde die Isolationspolitik zugunsten einer Expansionspolitik aufgegeben. Die Föderation beschloß, ihren Machtbereich auszudehnen. Es schien nur logisch, daß das ganze Südland unter einer Regierung vereinigt sein sollte, und wer wäre dazu besser in der Lage gewesen als die Föderation?