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Dem neuen Revierförster wurde abwechselnd heiß und kalt. Er trabte und trabte. Bald war er in Schweiß gebadet. Die Zunge hing ihm zum Hals heraus. Er verlor seinen grünen Hut, dann die lederne Jagdtasche. Auch das Gewehr ließ er fallen.

So rannte er kreuz und quer durch den Wald. „Nach links!" kommandierte Abraxas. „Dort hinter dem Graben nach rechts — und dann weiter, den Berg hinauf!"

Als sie endlich beim Hexenhaus anlangten, konnte der Förster nur noch mit knapper Not auf den Füßen stehen. Die kleine Hexe hatte kein Mitleid mit ihm, sondern fragte:

„Wie wäre es, Söhnchen, wenn du das Klaubholz gleich kleinhacken würdest?"

„Ich werde es kleinhacken, bündeln und aufstapeln", keuchte der Förster.

Das tat er denn auch.

Als er fertig war — und es dauerte lange, bis er die Arbeit geschafft hatte —, sagte die kleine Hexe:

„Jetzt darfst du nach Hause gehen. Ich danke dir, Söhnchen! Einen so freundlichen Förster wie dich gibt es sicher nur einmal! Da werden sich aber die

Holzweiber freuen! Ich denke doch, daß du zu allen so hilfreich bist — wie ... ?"

Der neue Revierförster wankte davon. Er schleppte sich müde heim in sein Försterhaus. In Zukunft schlug er um jedes Klaubholzweib einen großen Bogen.

Die kleine Hexe lachte noch oft über diesen Streich. Dem Raben gestand sie:

„So will ich es immer halten! Ich helfe den guten Menschen, indem ich ganz einfach den schlechten Böses zufüge. Das gefällt mir!"

Abraxas entgegnete: „Muß das sein? Du könntest doch Gutes auch anders tun. Ohne Schabernack, meine ich."

„Ach, das ist langweilig!" sagte sie.

„Woher weißt du das?" fragte Abraxas.

Papierblumen

Einmal bekam die kleine Hexe Lust, in die Stadt zu reiten. Sie wollte sich dort auf dem Wochenmarkt umsehen.

„Fein!" rief Abraxas begeistert, „da komme ich mit! Bei uns im Wald ist es einsam, da gibt es nur viele Bäume und wenig Leute. In der Stadt, auf dem Wochenmarkt, ist das gerade umgekehrt!"

Sie konnten jedoch nicht gut mit dem Besen bis auf den Marktplatz reiten. Das hätte ein großes Hallo bei den Leuten gegeben, und womöglich wäre ihnen dann sogar die Polizei auf den Hals gerückt. Sie versteckten daher den Besen am Stadtrand in einem Kornfeld und gingen zu Fuß weiter.

Auf dem Wochenmarkt drängten sich schon die Hausfrauen, Dienstmädchen, Bauemweiber und Köchinnen um die Verkaufsstände. Die Gärtnersfrauen priesen mit schriller Stimme ihr Grünzeug an, die Obsthändler riefen in einem fort: „Kaufen Sie Boskop-Äpfel und Butterbirnen!" Die Fischweiber wollten ihre gesalzenen Heringe anbringen, der Würstelmann seine heißen Frankfurter, der Töpfer die irdenen Krüge und Schüsseln, die er auf einer Strohschütte ausgelegt hatte. Hier rief es: „Sauerkraut! Sauerkraut!", dort rief es: „Wassermelonen, Kürbisse, bitte sehr! Wassermelonen, Kürbisse!"

Am lautesten ließ sich der Billige Jakob vernehmen. Er stand auf der obersten Stufe des Marktbrunnens, klopfte mit einem Hammer an seinen Bauchladen und schrie aus voller Kehle:

„Kauft, Leute, kauft! Heute ist's billig bei mir! Heute habe ich meinen Spendiertag, da gebe ich alles

zum halben Preis her! Schnürsenkel, Schnupftabak, Hosenträger! Rasierklingen, Zahnbürsten, Haarspangen! Topflappen, Schuhwichse, Knoblauchsaft! Immer heran, meine Herrschaften! Kaufen Sie, kaufen Sie! Hiiier ist der Billige Jakob!"

Die kleine Hexe freute sich über den Trubel. Hierhin und dorthin ließ sie sich von der Menge treiben. Sie kostete da von den Butterbirnen und dort aus dem Krautfaß. Für ein paar Kreuzer erstand sie beim Billigen Jakob ein Feuerzeug, und als Dreingabe schenkte er ihr einen gläsernen Fingerring.

„Danke schön!" sagte die kleine Hexe.

„Bitte sehr! — Immer heran, meine Herrschaften! Kaufen Sie, kaufen Sie! Hiiier ist der Billige Jakob!"

Ganz hinten, im allerentlegensten Winkel des Marktes, stand stumm und traurig ein blasses Mädchen mit einem Korb voll Papierblumen. Achtlos eilten die Leute daran vorüber, niemand kaufte dem schüchternen Ding etwas ab.

„Wie wäre es", meinte der Rabe Abraxas, „wenn du dich seiner ein wenig annehmen würdest? Das arme Kind tut mir leid."

Die kleine Hexe bahnte sich einen Weg durch die Menge. Sie fragte das Mädchen:

„Kannst du die Blumen nicht loswerden?"

„Ach", sprach das Mädchen, „wer kauft schon im Sommer Papierblumen! Mutter wird wieder weinen. Wenn ich am Abend kein Geld bringe, kann sie kein Brot für uns kaufen. Ich habe noch sieben Geschwister. Und Vater ist vorigen Winter gestorben. Nun machen wir solche Papierblumen. Aber es mag sie ja niemand."

Mitleidig hatte die kleine Hexe dem Mädchen zugehört. Einen Augenblick überlegte sie, wie sie ihm helfen könnte. Dann kam ihr ein Gedanke. Sie sagte:

„Ich kann nicht verstehen, weshalb dir die Leute die Blumen nicht abkaufen wollen. Sie duften doch!"

Ungläubig blickte das Mädchen auf.

„Duften? — Wie sollten Papierblumen duften können?"

„Doch, doch", versicherte die kleine Hexe ernsthaft. „Sie duften viel schöner als richtige Blumen. Riechst du es nicht?"

Die Papierblumen dufteten wirklich! Das merkte nicht nur die kleine Verkäuferin.

überall auf dem Marktplatz begannen die Leute zu schnuppern. „Was duftet da?" fragten sie untereinander. „Nicht möglich! Papierblumen, sagen Sie? Gibt es die etwa zu kaufen? Da muß ich mir gleich welche mitnehmen! Ob sie wohl teuer sind?"

Alles was Nasen und Beine hatte, eilte dem Winkel zu, wo das Mädchen stand. Die Hausfrauen kamen gelaufen, die Dienstmädchen kamen, die Bauersfrauen, die Köchinnen, alle. Die Fischweiber ließen ihre gesalzenen Heringe im Stich, der Würstelmann seinen Würstelofen, die Gärtnersfrauen das Grünzeug. Alle, alle drängten sich kauflustig um das Papierblumenmädchen. Selbst der Billige Jakob mit seinem Bauchladen rannte herzu. Weil er als allerletzter gekommen war, stellte er sich auf die Zehenspitzen und formte die Hände zu einem Trichter. „Hallo!" schrie er über die Köpfe der Leute weg, „hörst du mich, Blumenmädchen? Hiiier ist der Billige Jakob! Hebe mir unbedingt ein paar Blumen auf! Eine einzige wenigstens! Hörst du mich? Wenigstens eine einzige!"

„Nein, keine Extrawürste! Auch für den Billigen Jakob nicht!" riefen die Leute, die vorn bei dem Mädchen standen. „Verkaufe die Blumen der Reihe nach!" Ein Glück, daß wir vorne dran sind, dachten sie. Lang kann der Vorrat nicht reichen, und alle, die später gekommen sind, werden das Nachsehen haben. — Das Mädchen verkaufte, verkaufte, verkaufte. Aber die Blumen im Körbchen gingen nicht aus. Sie reichten für alle Leute, die kaufen wollten — sogar für den Billigen Jakob.

„Wie kommt es nur, daß die Blumen nicht alle werden?" fragten die Menschen verwundert und steckten die Köpfe zusammen. Aber das wußte das Blumenmädchen ja selbst nicht. Das hätte ihm höchstens die kleine Hexe erklären können. Die aber hatte sich längst mit Abraxas davongeschlichen. Schon lagen die Häuser der Stadt hinter ihnen. Bald mußten sie an dem Kornfeld sein, wo der Besen versteckt lag.

Die kleine Hexe war in Gedanken noch mit dem Blumenmädchen beschäftigt. Sie schmunzelte vor sich hin. Da stieß sie der Rabe leicht mit dem Schnabel an und zeigte ihr eine schwarze Wolke, die eilig am Himmel davonzog. Das wäre nicht weiter verdächtig gewesen, wenn nicht ein Besenstiel aus der Wolke herausgeragt hätte.

„Sieh da!" rief Abraxas, „die Muhme Rumpumpel! Das alte Scheusal hat dir wohl nachspioniert?"

„Die bringt alles fertig!" brummte die kleine Hexe.

„Na, wennschon!" sagte der Rabe. „Vor der hast du nichts zu verbergen — und das, was du heute getan hast, am allerwenigsten!"