»Aber er ist gar nicht da«, sagte Carol. »Er ist davongeflogen.«
»Oop, du hast noch kein Wort gesagt«, erklärte Sharp. »Was ist los? Du bist doch sonst so gesprächig. Was ist hier los?«
»Ich bin gekränkt«, sagte Oop.
Sharp wandte sich von ihm ab und sah Maxwell an.
»Pete, dir ist vielleicht klar, was du angestellt hast. Der Wächter rief mich an und wollte die Polizei verständigen. Aber ich sagte ihm, er solle warten, bis ich selbst vorbeigesehen hätte. Ich hatte keine Ahnung, daß es so schlimm stand. Das Ding ist fort, und ich kann es nicht abliefern. Ich muß das ganze Geld zurückgeben. Außerdem sind die meisten Museumsstücke zerstört und …«
»Das war der Drache, bevor wir ihn hinausließen«, erklärte Maxwell.
»Ihr habt ihn also hinausgelassen? Er ging gar nicht von selbst? Ihr habt ihm einfach das Tor aufgemacht?«
»Nun ja, er zerschmetterte doch das ganze Zeug. Ich glaube, wir kamen gar nicht richtig zum Denken.«
»Ganz ehrlich, Pete — war es wirklich ein Drache?«
»Ja. Er befand sich im Innern des Dings. Frag mich nicht, wie er da hineinkam. Durch einen Bann schätzungsweise.«
»Einen Bann?«
»So etwas gibt es tatsächlich, Harlow. Ich weiß nicht, wie es funktioniert. Ich habe Jahre damit zugebracht, es herauszufinden, aber ich habe bis jetzt nichts entdeckt.«
»Mir scheint, daß jemand fehlt«, sagte Sharp. »Wenn irgendwo der Teufel los ist, darf er doch nicht weit sein. Oop, könntest du mir sagen, wo dein Busenfreund Gespenst ist?«
Oop schüttelte den Kopf. »Der ist flüchtig. Man kann ihm so schlecht auf der Spur bleiben. Immer entschlüpft er einem.«
»Das ist noch nicht alles«, fuhr Sharp fort. »Ich wollte euch mitteilen, daß Shakespeare verschwunden ist. Ihr wißt nicht zufällig, wo er sich aufhält?«
»Er saß eine Zeitlang bei uns«, erzählte Oop. »Wir wollten eben mit dem Essen anfangen, als er einen Schreck bekam und floh. Zufällig hatte sich nämlich Gespenst erinnert, daß er Shakespeares Geist war. Du weißt ja, daß ihn die Frage seiner Abstammung seit Jahren geplagt hat.«
Langsam setzte sich Sharp auf die oberste Treppenstufe und sah ebenso langsam von einem zum anderen.
»Nichts«, sagte er. »Ihr habt aber auch gar nichts vergessen, um mich zu ruinieren. Ihr seid gründlich zu Werk gegangen.«
»Wir wollten dich nicht ruinieren«, sagte Oop. »Wir hatten nicht das geringste gegen dich. Irgendwie liefen die Dinge von Anfang an falsch und ließen sich nicht mehr aufhalten.«
»Von Rechts wegen müßte ich euch verklagen und euch jeden Cent abnehmen lassen«, erklärte Sharp. »Ich könnte es erreichen, daß ihr alle drei Zeit eures Lebens umsonst für mein College arbeiten müßt. Aber damit könntet ihr nur einen winzigen Bruchteil des Schadens wiedergutmachen, den ihr heute abend angerichtet habt. Deshalb hat es gar keinen Sinn. Allerdings nehme ich an, daß sich die Polizei um den Aufruhr, den ihr gemacht habt, kümmern wird. Man kann sie wohl nicht fernhalten. Ihr drei werdet eine Menge Fragen beantworten müssen.«
»Wenn mir nur jemand zuhören würde«, sagte Maxwell. »Ich könnte alles erklären. Das versuche ich doch schon seit meiner Rückkehr — jemanden zu finden, der mir zuhört. Ich wollte heute nachmittag mit dir sprechen …«
»Dann fange nur gleich an«, unterbrach ihn Sharp. »Ich gestehe, daß meine Neugier wächst. Gehen wir in mein Büro, dort haben wir es bequemer. Oder ist euch das unangenehm? Habt ihr vielleicht noch ein paar unerledigte Dinge?«
»Nein, wir haben getan, was wir konnten«, sagte Oop.
Kapitel 23
Inspektor Drayton erhob sich schwerfällig von dem Sessel in Sharps äußerem Büro.
»Ich bin froh, daß Sie endlich kommen, Dr. Sharp«, sagte er. »Etwas hat sich ereignet …«
Der Inspektor unterbrach sich, als er Maxwell erblickte. »Ah, Sie sind es«, sagte er. »Freut mich, daß ich Sie hier treffe. Ich bin Ihnen lange genug nachgejagt.«
Maxwell schnitt eine Grimasse. »Ich weiß nicht, ob ich mich ebenfalls freuen soll, Inspektor.«
Inspektor Drayton hatte ihm wirklich noch gefehlt.
»Und wer sind Sie?« fragte Sharp trocken. »Was suchen Sie in meinem Büro?«
»Ich bin Inspektor Drayton vom Sicherheitsdienst. Ich hatte kürzlich mit Professor Maxwell eine kurze Unterredung, als er auf die Erde zurückkehrte, aber ich fürchte, daß die Fragen noch nicht restlos geklärt sind …«
»In diesem Falle müssen Sie noch eine Weile warten«, sagte Sharp. »Alles hübsch der Reihe nach. Ich habe auch ein paar Fragen an Mister Maxwell, und ich fürchte, sie sind wichtiger als die Ihren.«
»Sie verstehen nicht«, erklärte Drayton. »Ich war nicht hierhergekommen, um Ihren Freund festzunehmen. Sein Auftauchen ist ein unerwartetes Glück für mich. Es handelt sich um eine andere Sache, bei der Sie mir vielleicht behilflich sein können — eine Sache, die ziemlich unerwartet auftauchte. Sehen Sie, ich hatte gehört, daß Professor Maxwell bei Miß Claytons Party gewesen war, und so ging ich zu ihr …«
»Reden Sie vernünftig, Mann«, sagte Sharp. »Was hat Nancy Clayton mit dem ganzen Wirrwarr zu tun?«
»Ich weiß nicht, Harlow«, sagte Nancy Clayton und tauchte an der Verbindungstür zum inneren Büro auf. »Ich hatte nicht die Absicht, mich in irgend etwas verwickeln zu lassen. Ich versuche nur, meine Freunde zu unterhalten, und das ist doch nicht strafbar …«
»Nancy, bitte«, sagte Sharp. »Erzähle mir zuerst, was los ist. Weshalb bist du hier, und weshalb ist der Inspektor hier und …?«
»Es geht um Lambert«, sagte Nancy.
»Der Maler, von dem du ein Gemälde hast?«
»Ich habe drei von ihm«, sagte Nancy stolz.
»Aber Lambert ist seit mehr als fünfhundert Jahren tot.«
»Das dachte ich auch«, sagte Nancy, »aber er tauchte heute abend auf. Er sagte, daß er sich verirrt hätte.«
Ein Mann trat aus dem inneren Büro und drängte Nancy zur Seite — ein großer, knorriger Mann mit rötlichem Haar und tief eingegrabenen Linien.
»Es scheint, meine Herren, daß Sie von mir sprechen«, sagte er. »Macht es Ihnen etwas aus, wenn ich mein Problem selbst erläutere?«
Seine Stimme klang sonderbar näselnd. Er strahlte sie gutmütig an, und eigentlich fanden ihn alle recht sympathisch.
»Sie sind Albert Lambert?« fragte Maxwell.
»In der Tat«, erwiderte Lambert, »und ich hoffe, daß ich nicht störe, aber ich habe ein Problem.«
»Da sind Sie nicht der einzige«, meinte Sharp.
»Sie haben recht«, sagte Lambert. »Aber wenn man ein Problem hat, muß man sich dahin wenden, wo es am ehesten gelöst wird.«
»Mister«, sagte Sharp, »ich bin in der gleichen Lage wie Sie.«
»Aber verstehst du denn nicht?« mischte sich Maxwell ein. »Lambert hat recht. Er ist zu dem einzigen Ort gekommen, an dem sein Problem gelöst werden kann.«
»Wenn ich Sie wäre, junger Mann«, sagte Drayton, »wäre ich nicht so sicher. Sie waren ja letzthin recht ausweichend, aber heute entkommen Sie mir nicht mehr. Es gibt eine Menge Dinge, die …«
»Inspektor, könnten Sie sich bitte heraushalten«, unterbrach ihn Sharp. »Es steht schon schlimm genug, und wir wollen die Sache nicht komplizieren. Das Ding ist verschwunden, und das Museum ist ein Trümmerhaufen, und Shakespeare hat sich aus dem Staub gemacht.«
»Aber ich will doch nur wieder heim«, erklärte Lambert geduldig. »Zurück ins Jahr 2023.«
»Also, einen Augenblick«, befahl Sharp. »Sie verwechseln einiges. Ich …«
»Harlow«, sagte Maxwell, »ich habe dir das alles erklärt. Erst heute abend. Und ich fragte dich wegen Simonson — weißt du noch?«
»Simonson? Jetzt erinnere ich mich.« Sharp sah Lambert an. »Sie sind der Mann, der das Ding gemalt hat?«
»Das Ding?«