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Plötzlich lief Max, die Maus, wie der Blitz an dem Elefanten empor und wisperte ihm etwas ins Ohr. »Donnerwetter!«, sagte der. »Das ist deiner Pappkusine eingefallen?« Dann beugte er sich zu Alois und flüsterte diesem etwas ins Ohr. Dann beugte sich der Löwe zum Eisbären und sprach leise auf ihn ein. Und dann lächelten allesamt verschmitzt. Endlich meinte Oskar: »Wird gemacht! Ich telefoniere sofort mit Südafrika! Die Herren werden morgen früh die Augen nicht schlecht aufreißen!«

Am nächsten Morgen bot sich in Kapstadt ein erstaunliches Schauspiel. Aus allen Himmelsrichtungen strömten Mäuse und Ratten in die Stadt. Die Autos und Straßenbahnen blieben stecken. Die Menschen flohen in die Häuser und auf die Dächer. Es war wie eine Springflut! Die Tiere blickten nicht rechts, noch links. Ihr Ziel war das gewaltige weiße Gebäude, in dem gerade die Konferenzmitglieder Platz genommen hatten. Millionenweise strömten die Nagetiere die Stufen hinauf durch Türen und Fenster und über Balkone, endlos und unaufhaltsam, einem unbekannten Befehl gehorchend.

Den Menschen, die es sahen, blieb fast das Herz stehen ...

Schon nach wenigen Minuten waren die Zimmer, Korridore und Säle nicht wieder zu erkennen. Sämtliche Akten der Konferenzteilnehmer, der Kommissionen, Unterkommissionen, Referenten und Sekretäre lagen in Fetzen am Boden. Kein Stück Papier blieb verschont. Im großen Verhandlungssaal sah es aus, als sei eine Papierlawine niedergegangen. Einige der Anwesenden blickten gerade noch mit der Nasenspitze aus den Aktenschnitzeln heraus. So schnell sie gekommen waren, verschwanden die Mäuse und Ratten wieder. Und nun erschien auf der Fernsehleinwand Alois, der Löwe, und seine Stimme sprach: »Es musste sein. Eure Akten waren eurer Vernunft im Wege. Jetzt ist der Weg frei. Wir verlangen, dass ihr euch einigt. Es geht um die Kinder!«

telegramm an alle weit: –..– gesamtes aktenmaterial der kapstadter konferenz durch mäuseplage vernichtet –..– fortführung der Verhandlungen dadurch ernstlich in frage gestellt –..– konferenz der tiere stellt ultimative forderung –..– geheime beratungen im gange –..– ablehnung des Ultimatums selbstverständlich –..–..

Nachdem die Mäuse in den Kapstadter Palast eingedrungen waren und sämtliche Akten vernichtet hatten, war es ein paar Photographen auf der Pressetribüne gelungen, mehrere Aufnahmen von dem merkwürdigen Durcheinander zu machen. Die Photos erschienen noch in allen Abendblättern, und in sämtlichen Hauptstädten der Erde sah man vergnügte Gesichter.

Mittlerweile saßen die Staatsmänner in Kapstadt zusammen, kauten vor Wut an den Fingernägeln und schämten sich. Da trat General Zornmüller, aufrecht wie immer, in den Saal und sagte: »Alles in Ordnung, meine Herren Staatshäupter! Die Flugzeuge mit den Kopien und Abschriften aller vernichteten Akten sind unterwegs. Die morgige Sitzung kann ungehindert stattfinden.« »Wir danken Ihnen, Feldmarschall Zornmüller!«, antworteten die Präsidenten.

Während General Zornmüller auf diese Weise zum Feldmarschall ernannt wurde, flogen Hunderte von großen Flugzeugen aus allen Richtungen der Erde nach Kapstadt in Südafrika. Und die letzte Radiomeldung des Abends lautete: »Die Kopien der vernichteten Akten sind aus den Staatsarchiven eingetroffen. Militär wird die Aktenschränke bewachen und im Notfalle von den Waffen Gebrauch machen.«

»Das war ein kurzes Vergnügen«, brummte Paul, der Eisbär, der mit den anderen im Hochhaus der Tiere am Radio saß. »Sie sind uns über«, klagte der Tapir Theodor. »Kunststück!«, trompetete Oskar. »Mit ihren fliegenden Festungen, mit ihrer Infanterie und Artillerie! Fällt euch nichts ein? Gar nichts? Max, dir auch nicht? Freunde, lasst uns nachdenken!« Und so zogen sie ernste Gesichter und dachten nach...

Darüber verging eine Stunde. Dann erklärte die Giraffe Leopold mit hoher, leiser Stimme: »Die meisten Menschen sind, glaub ich, viel netter und vernünftiger, als wir denken. Es liegt im Grunde an den Akten und am Militär.« »Dazu hättest du nicht so lange nachzudenken brauchen«, sagte Julius, das Kamel, »das wussten wir schon vor einer Stunde!« »Ist den anderen auch nichts eingefallen?«, fragte Oskar. »Freunde, denkt weiter nach!« »Na schön«, murmelten alle. Und dachten weiter nach...

Darüber verging wieder eine Stunde. Sie waren schon ganz müde vor lauter Nachdenken. »Die Akten und die Uniformen«, rief plötzlich Reinhold, der Stier, »nur daran liegt's!« »Du merkst aber auch alles!«, knurrte der Eisbär. Und das Kamel sagte: »Das wussten wir schon vor zwei Stunden.« »Freunde«, bat Oskar, »denkt weiter nach! Wenn keinem von uns etwas einfällt, sind wir...« Plötzlich zeigte Gustav, das Känguru, auf die Motte, die gegen die Lampe flog, und flüsterte: »Ich hab's!«

Am Morgen des dritten Konferenztages war in Kapstadt alles wieder auf seinem Platz: die Staatshäupter, die Akten, die Schränke, die Mikrophone, die Fernsehleinwand, die Notizblöcke, die Schreibmaschinen, das Durchschlagpapier und die harten und weichen Radiergummis. An den Aktenschränken, ja sogar an jeder Aktenmappe stand ein Soldat mit geladenem Gewehr. An der Tür, auf den Gängen, an den Treppen und vor dem Portal hatten Artilleristen ihre Kanonen postiert. Und Feldmarschall Zornmüller hatte so viel echtes Gold an der Uniform, dass er sich auf seinen Säbel stützen musste, um nicht zusammenzubrechen. Weil es plötzlich so dunkel im Saale wurde, als ob ein schweres Gewitter heraufzöge, steckte der Feldmarschall den Kopf aus dem Fenster. »Was ist denn das schon wieder?«, fragte er ärgerlich. Der Himmel war voller Wolken, die mit rasender Geschwindigkeit näher und näher kamen ...

Um es gleich zu sagen: Es waren Motten! Diese sausenden Mottenwolken schwirrten, alles verdunkelnd, durch die Fenster und Türen und sanken, sich teilend, wie dichte graue Schleier auf jeden herab, der eine Uniform trug. Denen, doch auch den Zivilisten, die verschont blieben, stockte der Atem. In diesem Augenblick wurde auf der Fernsehleinwand Reinhold, der Stier, sichtbar. »Eure Uniformen«, rief er, »stehen der Einigkeit und der Vernunft im Wege! Nicht nur in diesem Saal, sondern auf der ganzen Welt! Sie müssen verschwinden! Nicht nur in diesem Saal, sondern auf der ganzen Welt! Wir verlangen, dass ihr euch einigt! Es geht um die Kinder!« So schnell, wie sie gekommen waren, schwebten die Wolken wieder hoch, fort durch Fenster und Türen, empor zum Himmel, immer weiter weg, bis die Sonne wieder schien und man denken konnte, das Ganze sei nur ein Traum gewesen! Wenn man sich aber im Saal umsah und die Soldaten betrachtete, die neben den Kanonen und die mit den Schießgewehren, merkte man, dass es beileibe kein Traum gewesen war... Sie sahen toll aus... Von Feldmarschall Zornmüller wollen wir gar nicht erst reden. Er hatte nur noch seinen Säbel an...

Nicht nur im Konferenzsaal zu Kapstadt, Südafrika, sondern auf dem gesamten Planeten müssten die Uniformen verschwinden, hatte Reinhold, der Stier, gesagt. Und die Motten hielten, was er versprochen hatte! Kein Land, keine Kaserne, kein Uniformrock blieb verschont. Überall sanken die Wolle fressenden Wolken silbergrauer Motten aus dem Himmel auf die Erde herab. Und weil die Motten die Uniformen nicht zu unterscheiden wussten, mussten nicht nur die Soldaten, sondern auch die Briefträger, Stationsvorsteher, Hotelportiers und Straßenbahnschaffner dran glauben!