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Ich schätze, ich habe einfach Glück. Sie verspürte ein unerwartetes Mitgefühl mit Kallen. Und er hat offensichtlich kein Glück.

»Sagt uns, was Ihr wisst, und Ihr seid frei.«

Lorkin konnte sich ein Kichern nicht verkneifen. Der Mann, der ihn verhörte, richtete sich bei seiner Reaktion ein wenig höher auf, und seine Augen leuchteten heller.

»Warum lacht Ihr?«

»Ich könnte Euch alles Mögliche erzählen. Woher würdet Ihr wissen, dass es die Wahrheit ist?«

Der Mann lächelte, aber da war kein Humor in seinen Augen. Er weiß, dass ich recht habe. Als Lorkin dem Mann in die Augen sah, überlief ihn ein Schauder. Da war eine Schärfe in diesen Augen. Eine Geduld, die andeutete, dass er die bevorstehenden Stunden des Verhörs genießen würde. Dass er gerade erst anfing. Dass dies erst der zweite von vielen Tagen war.

Sie hatten noch nicht versucht, seine Gedanken zu lesen. Irgendetwas hielt sie zurück. Ein Widerstreben, die Beziehungen mit den Verbündeten Ländern zu gefährden? Aber warum hatten sie ihn dann überhaupt eingesperrt?

Sie können die Idee nicht zur Gänze abgetan haben. Irgendwann würden sie es versuchen. Sobald sie sich erfolglos bemühten, seine Gedanken zu lesen, würden sie begreifen, dass sie die guten Beziehungen zu den Verbündeten Ländern für nichts und wieder nichts geopfert hatten. Wenn sie dann jede Zurückhaltung fallen ließen, die sie sich bis dahin aus diplomatischen Gründen auferlegt hatten, würden sie ihn vielleicht foltern – aber sie würden vor demselben Problem stehen: nicht zu wissen, ob das, was er sagte, der Wahrheit entsprach.

Vielleicht würden sie den Wahrheitsgehalt seiner Worte auf andere Weise ermitteln. Vielleicht hofften sie, dass Einkerkerung, Unannehmlichkeiten und Furcht ihn dazu treiben würden, ihnen die Erlaubnis zu geben, seine Gedanken zu lesen.

Er wünschte beinahe, sie würden es endlich hinter sich bringen. Er fühlte sich versucht, eine freiwillige Gedankenlesung anzubieten, um die Dinge zu beschleunigen. Stattdessen dachte er sich eine Reihe lächerlicher Lügen aus, die er dem Vernehmer auftischen konnte. Es würde Spaß machen, zumindest vorübergehend, den Mann für eine Weile an der Nase herumzuführen. Aber noch nicht jetzt, sagte er sich. Es ist erst der zweite Tag. Du kannst noch viel länger durchhalten.

Der Begleiter seines Vernehmers erschien mit einer Schale in der Tür. Als er ihn sah, lächelte der Ashaki, dann schaute er wieder zu Lorkin hinüber.

»Erzählt uns etwas über die Verräterinnen – nur eine winzige Kleinigkeit –, und wir werden Euch etwas zu essen geben.«

Ein köstlicher Geruch drang an Lorkins Nase. Sein Magen krampfte sich zusammen, dann knurrte er vor Hunger. Er hatte an diesem Morgen Wasser bekommen, an dem er vorsichtig genippt hatte, aber er hatte noch immer nichts zu essen erhalten, seit man ihn hier heruntergebracht hatte. Er hatte der Versuchung widerstanden, heilende Magie zu benutzen, um den wachsenden Hunger zu dämpfen; er wollte die Magie, die Tyvara ihm gegeben hatte, nicht verwenden. Sie konnte nicht ersetzt werden, und er würde sie vielleicht noch brauchen.

Der Geruch von Essen war stark und machte ihn schwindlig. Er dachte an die Lügen, die er erwogen hatte ihnen aufzutischen, und er verspürte einen starken Drang zu sprechen. Osen hatte gesagt, er solle so lange wie möglich vermeiden zu offenbaren, dass man seine Gedanken nicht lesen konnte. Den Vernehmer auf eine falsche Fährte zu führen würde das Unvermeidliche vielleicht hinauszögern.

Mach dich nicht lächerlich, dachte er. Es könnte ihn für eine kurze Zeit ablenken, aber je mehr ich die Geduld dieses Mannes auf die Probe stelle, desto eher wird er den Versuch aufgeben, mich zum Sprechen zu bringen. Tyvara würde von mir erwarten, dass ich mehr Willenskraft habe.

Sie erwartete außerdem, dass er die Magie, die sie ihm gegeben hatte, zu seinem Schutz benutzte. Diese Magie würde ihn niemals aus dem Gefängnis bringen oder einen Ashaki daran hindern, ihn zu foltern oder zu töten, aber sie konnte ihm helfen, weniger direkte Angriffe auf seine Entschlossenheit zu vereiteln.

Er schloss die Augen, zog ein wenig Magie in sich hinein und sandte sie in seinen Körper, um das nagende Gefühl in seinem Magen zu lindern und dafür zu sorgen, dass sein Kopf aufhörte, sich zu drehen.

Als er die Augen öffnete, beobachtete ihn der Ashaki eindringlich. Der Mann starrte Lorkin nachdenklich an, dann winkte er seinen Assistenten herbei. Die beiden begannen mit demonstrativer Genüsslichkeit zu essen.

5

Gerüchte und Geheimnisse

Der Diener, der auf Soneas Klopfen öffnete, hatte ihr mitgeteilt, dass Lord Regin sich in einer Besprechung mit Schwarzmagier Kallen befinde. Sie hatte ihn gebeten, sie zu informieren, wenn Regin zurückkehrte, und war wieder in ihre Räume gegangen, um sich eine dringend benötigte Tasse Raka zu gönnen.

Die Wartezeit war quälend.

Das ist doch lächerlich. Ich habe ihn als meinen Assistenten ausgesucht. Ich habe schon früher mit ihm zusammengearbeitet. Aber seit er sich bereitgefunden hatte, mit ihr nach Sachaka zu reisen, hatte sie begonnen sich Sorgen zu machen, ob sie nicht vielleicht zu schnell gewählt hatte. Er hatte all die richtigen Qualifikationen für die Rolle: Er war intelligent, ein starker Magier, ein gut ausgebildeter Krieger, geschickt, was politisches Manövrieren betraf, und voll grimmiger Loyalität gegenüber der Gilde und Kyralia.

Aber werden wir uns auch verstehen?

Alles war bestens zwischen ihnen gewesen, als er ihr bei der Suche nach Lorandra geholfen hatte. Es war bemerkenswert einfach, mit ihm zu arbeiten. Aber diesmal würden sie Tag und Nacht zusammen sein, Woche für Woche, ohne eine Ruhepause voneinander.

Nun, das ist nicht ganz wahr. Sobald wir das Gildehaus in Arvice erreichen, werden wir zwei andere Magier haben, mit denen wir reden können, und außerdem den elynischen Botschafter.

In der Zwischenzeit würden sie einander wohl oder übel Gesellschaft leisten müssen. Obwohl sie Regin nicht mehr misstraute, wie sie es zu Beginn der Suche nach Lorandra getan hatte, war es unmöglich für sie, den Schmerz und die Demütigung zu vergessen, die er ihr als Novizin zugefügt hatte.

Das liegt in der Vergangenheit. In den letzten zwanzig Jahren hat er mir gegenüber nichts anderes an den Tag gelegt als Respekt und Unterstützung. Er hat sich sogar während der Ichani-Invasion entschuldigt. Bin ich außerstande, Entschuldigungen anzunehmen? Es ist dumm von mir, diesen Groll mit mir herumzutragen.

Ein Klopfen an der Haupttür ließ sie zusammenzucken, obwohl sie es erwartet hatte. Sie setzte ihre Tasse ab, erhob sich und ging zur Tür, während sie sie mit Magie öffnete. Regins Diener verneigte sich.

»Lord Regin ist in seinem Quartier und erwartet Euren Besuch.«

»Danke«, sagte sie.

Sie trat an dem Mann vorbei, schloss die Tür und ging den Flur hinunter zu Regins Räumen. Als sie seine Tür erreichte, hielt sie inne, um tief durchzuatmen, bevor sie anklopfte. Die Tür öffnete sich. Regin neigte den Kopf.

»Schwarzmagierin Sonea«, sagte er. »Bitte, tretet ein.«

»Vielen Dank, Lord Regin«, erwiderte sie.

Sie trat ein. Der Raum war spärlich möbliert, und die meisten Stücke sahen neu aus. Sie bemerkte nichts, was nach einem lange gehegten Schatz oder einem persönlichen Besitztum aussah.

Regin deutete auf einen Stuhl. »Würdet Ihr Euch gern setzen?«