»Die Frage ist: Lebt hier jemand?«, murmelte er.
Anyi schaute ihn an. »Lass uns nachsehen.«
Sie gingen näher heran und versteckten sich zuerst hinter Bäumen, dann hinter den langen Beerenreihen. Die Hütten lagen am anderen Ende. Cery sank der Mut, als er den Rauch bemerkte, der aus dem Schornstein aufstieg. Außerdem war inzwischen eine Frau in Dienstbotenkleidung aus einer der Hütten getreten. Er beobachtete, wie sie in etwas verschwand, das ein Rassook-Pferch zu sein schien.
»Sieht für mich bewohnt aus«, meinte Anyi. »Willst du noch näher herangehen?«
Cery nickte. Sie zogen sich an den Waldrand zurück, um die Deckung durch das Unterholz auszunutzen, und schlichen an dem Gehöft entlang. Er hatte recht, was den Rassook-Pferch betraf. Wo das bebaute Land und die Gebäude endeten, lagen größere Weiden, auf denen Enker, Reber und sogar einige große, unbeholfene Gorin grasten.
Nicht genug, um die Gilde mit Nahrung zu versorgen, überlegte er, aber sie nutzen alles, was sie an Platz haben.
»Da drüben«, sagte Anyi und zeigte auf das letzte der Gebäude.
Cery begriff rasch, dass sie ihn nicht auf das Gebäude selbst aufmerksam machen wollte, sondern auf die alten Möbel, die davor standen. Nicht zueinanderpassende Stühle bildeten einen Kreis um eine Planke, die auf Baumstümpfen ruhte. Dicke, rohe Bretter auf alten Fässern dienten offenbar als Bänke.
»Wir könnten etwas von diesem Stroh gebrauchen, um Matratzen zu machen«, sagte Anyi und deutete auf einen Unterstand, in dem mehrere Bündel aufgestapelt lagen. »Ich habe auf dem Markt gesehen, wie es gemacht wird. Man braucht einige alte Säcke und eine Nadel und Garn.«
»Du kannst nähen?«
»Nicht sehr gut, aber wir brauchen Matratzen, keine Ballkleider.«
Cery lachte leise. »Was ein Glück ist, hm? Ich erinnere mich daran, dass deine Mutter dich nicht dazu bewegen konnte, ein Kleid zu tragen. Ich denke, nicht einmal der König würde dich dazu bringen, ein Ballgewand zu tragen.«
»Keine Chance«, erwiderte Anyi. »Nicht einmal wenn er der bestaussehende Mann auf der Welt wäre.«
»Ein Jammer«, sagte Cery. »Es wäre schön, dich einmal in vollem Sonntagsstaat zu sehen. Nur ein einziges Mal.«
»Mir würden schon ein paar einfache Sachen zum Wechseln genügen.« Anyi kniff die Augen zusammen, als sie zu den Hütten hinüberschaute. »Ich frage mich, wie viele Menschen hier leben und was sie tragen. Wahrscheinlich Dienstbotenuniformen. Ich nehme an, es wäre praktisch, wenn wir wie Dienstboten aussähen, wann immer wir uns aus den Tunneln schleichen.« Sie schürzte die Lippen. »Ich werde später hierher zurückkommen und sie für ein Weilchen ausspionieren, wenn du damit einverstanden bist.«
»Eine gute Idee. Aber bleib im Wald und versuche noch nicht, irgendetwas zu stehlen.« Cery nickte. »Dafür werden wir bei Nacht zurückkommen.«
Dannyl starrte aus dem Fenster der Kutsche, ohne etwas von der Umgebung wahrzunehmen, während er sich auf eine Zurückweisung vorbereitete.
Lorkin war erst seit drei Tagen im Palastgefängnis, aber es kam ihm viel länger vor. Natürlich fühlte es sich für Lorkin selbst wahrscheinlich noch länger an. Ashaki Achati hatte ihn nicht erneut aufgesucht. Dannyl konnte nicht entscheiden, ob er deswegen erleichtert war oder ob er es bedauerte. Jedes Treffen mit Achati musste zwangsläufig angespannt und voller Groll und Verlegenheit sein, wegen der Situation mit Lorkin, aber Dannyl vermisste dennoch Achatis Gesellschaft und sehnte sich nach seinem Rat.
Es ist ein Jammer, dass er dem König so nahesteht. Wenn ich mich nur mit einem Sachakaner in einer neutraleren Position angefreundet hätte! Er wäre in der Lage gewesen, mir zu sagen, wie ich mit der Situation am besten umgehen soll.
Gab es irgendwelche Ashaki, die sich in einer politisch neutralen Position befanden? Nach dem, was Dannyl erfahren hatte, waren die meisten entweder dem König treu ergeben oder mit Ashaki verbündet, die mit Freuden die Zügel der Macht ergreifen würden, wenn sie eine Chance dazu sähen – die sie wahrscheinlich nicht bekommen würden. König Amakiras Position war gesichert, unterstützt durch die mächtigsten Ashaki.
Als die Kutsche vor dem Palast vorfuhr, stieß Dannyl einen Seufzer aus. Er wartete, bis der Sklave des Gildehauses den Wagenschlag öffnete, dann stand er auf und stieg aus. Er glättete seine Roben, drückte den Rücken durch und schritt auf den Eingang zu.
Niemand hielt ihn auf. Er hatte sich gefragt, warum sie ihn am vergangenen Tag eingelassen hatten, wenn sie nichts anderes vorhatten, als ihm zu sagen, dass er nach Hause fahren solle. Einmal mehr trat er aus dem breiten Gang in die Halle und erfuhr von einem Sklaven, dass er auf einer Seite warten sollte.
Mehrere Personen standen in der Halle. Diesmal war der König zugegen. Zumindest würde Dannyl in der Lage sein, Amakira seine Bitte direkt vorzutragen. Nicht dass ihm das eine positive Reaktion eintragen würde. Der König beendete sein Gespräch mit zwei Männern und lud eine Gruppe von drei Männern ein, näher zu treten.
Zeit verstrich. Mehr Menschen trafen ein. Der König empfing einige von ihnen nicht lange nach ihrer Ankunft – früher als Dannyl und einige der anderen, die ebenfalls auf eine Audienz warteten. Sie mussten wichtiger sein, oder zumindest war die Angelegenheit wichtiger, die es zu diskutieren galt. Oder er ignoriert mich absichtlich, um mich auf meinen Platz zu verweisen.
Dannyl vermutete, dass einige Stunden vergangen waren, als der König in seine Richtung schaute und ihn heranwinkte.
»Gildebotschafter Dannyl«, begrüßte er ihn.
Dannyl trat vor ihn hin und kniete nieder. »Euer Majestät.«
»Erhebt Euch und tretet näher.«
Er gehorchte. Die Luft vibrierte schwach, und Dannyl begriff, dass der König oder jemand anders einen Schild um sie gewoben hatte, um zu verhindern, dass Geräusche nach außen drangen.
»Ihr seid zweifellos hier, um mich darum zu bitten, Euch Lorkin zurückzugeben«, sagte der alte Mann.
»Ja«, bestätigte Dannyl.
»Die Antwort lautet nein.«
»Darf ich ihn zumindest sehen, Euer Majestät?«
»Natürlich.« Der Blick des Königs war kalt. »Wenn Ihr versprecht, ihm zu befehlen, mir alles zu erzählen, was er über die Verräter weiß.«
»Ich kann diesen Befehl nicht geben«, erwiderte Dannyl.
Amakiras Blick blieb hart. »Das habt Ihr bereits gesagt. Ich bin mir sicher, Ihr könntet ihn überzeugen, dass der Befehl von jenen kam, die die Autorität besitzen, ihn zu erteilen.«
Dannyl öffnete den Mund, um abzulehnen, dann hielt er inne. Ich könnte zustimmen, es zu versuchen, um Lorkin zu sehen und mich davon zu überzeugen, dass er lebt und wohlauf ist. Aber was war, wenn der König zu dem Schluss kam, dass Dannyl sein Versprechen gebrochen hatte? War das Verbrechen genug, um dafür eingekerkert zu werden? Osen hat klargemacht, dass ich das vermeiden sollte. Und wenn sie mich gefangen nehmen, werden sie mir Osens Ring abnehmen.
»Das kann ich auch nicht tun, Euer Majestät«, erklärte Dannyl.
Der König lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. »Dann kommt wieder, wenn Ihr es könnt.« Er machte eine abschätzige Geste. Dannyl verstand den Hinweis, verneigte sich, bewegte sich ein Stück rückwärts, drehte sich dann um und verließ die Halle.
Nun, zumindest habe ich den König diesmal gesprochen, dachte er, während er auf die Kutsche wartete. Eine Zurückweisung durch den Herrscher ist ein geringfügig besseres Versagen als eine Zurückweisung durch einen seiner Lakeien. Er fragte sich, was er morgen erhalten würde oder ob sie anfangen würden, ihm den Zutritt zum Palast zu verwehren.
Als die Kutsche das Gildehaus erreichte, öffnete er die Tür selbst, bevor irgendein Sklave es tun konnte. Die Luft draußen vor dem Haus war heiß und trocken, und es war eine Erleichterung, in das kühlere Innere zu entkommen. Er ging auf seine Räume zu, aber bevor er dort ankam, erschien Merria vor ihm im Flur.