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Am vergangenen Tag war er sich sicher gewesen, dass der Ashaki die Sklavin irgendwann töten würde. Gewiss hatte er nicht erwartet, dass der Mann sie mit ihm in die Zelle warf. Während Zeit verstrich, war seine Losgelöstheit verebbt. Er hatte es immer schwerer gefunden, das gequälte Wimmern und Stöhnen der Frau zu hören.

Hofften sie lediglich, mich mit Schuldgefühlen zu zermürben? Oder darauf, dass ich mich selbst schwächen würde, indem ich sie heile? Oder wollten sie sehen, ob ich sie selbst töten würde, um ihren Schmerz zu beenden?

Wenn er die zusätzliche Macht, die Tyvara ihm gegeben hatte, benutzen würde, um die Sklavin zu heilen, würde ihn das nicht viel kosten, hatte er entschieden. Es würde niemals genug sein, um ihn lange zu beschützen, wenn der Vernehmer beschloss, ihn zu foltern oder zu töten. Erst im Nachhinein kam ihm der Gedanke, dass die Heilung der Sklavin bedeutete, dass der Ashaki sie ganz von neuem würde foltern können.

Sie hatte ihm gedankt, was nur dazu geführt hatte, dass er sich noch schlechter fühlte. Er hatte lange Zeit wach gelegen und versucht, sich einzureden, dass der Vernehmer sein Ziel erreicht hatte. Der Zweck dessen, die Sklavin zu benutzen, war es gewesen, ihn zu zwingen, seine Macht zu verbrauchen. Lorkin hatte bewiesen, dass ihre Folterung ihn nicht dazu bringen konnte zu sprechen. Sie wurde nicht länger benötigt.

Jetzt kam ihm das wie eine törichte Illusion vor.

Der Ashaki führte sie in denselben Raum. Er war gesäubert worden. Das Sklavenmädchen wurde in eine Ecke gestoßen, wo sie sich unterwürfig zusammenkauerte.

Wie zuvor führte man Lorkin zu einem Hocker. Der Ashaki lehnte sich an die Wand und verschränkte die Arme vor der Brust. Der Assistent setzte sich auf einen anderen Hocker.

»Also, habt Ihr mir irgendetwas zu sagen?«, fragte der Ashaki. »Das heißt, irgendetwas in Bezug auf die Verräterinnen.«

»Nichts, was Ihr nicht bereits wisst.«

»Seid Ihr Euch da sicher? Warum erzählt Ihr mir nicht, was ich Eurer Meinung nach über die Verräterinnen weiß?«

»Um Euch auf den neuesten Stand zu bringen?« Lorkin seufzte. »Als würde ich auf diesen Trick hereinfallen. Wann werdet Ihr endlich akzeptieren, dass ich Euch nichts verraten werde?«

Der Mann zuckte die Achseln. »Es liegt nicht bei mir. Es liegt beim König. Ich bin lediglich sein …« Er schürzte nachdenklich die Lippen. »Sein Forscher. Nur dass ich Informationen aus Menschen beziehe, nicht aus staubigen alten Büchern und Schriftrollen oder indem ich ferne Orte erkunde oder fremde Länder ausspioniere.«

»Folter muss die am wenigsten verlässliche Forschungsmethode sein.«

»Sie erfordert ein gewisses Geschick.« Der Ashaki ließ die Arme sinken und stieß sich von der Wand ab. »Eins, das zu üben ich nicht oft Gelegenheit habe, daher bin ich glücklich darüber, dass sich mir jetzt eine bietet. Es sei denn natürlich, Ihr lenkt mich mit etwas Interessanterem ab.«

Lorkin zwang sich, dem Mann in die Augen zu sehen und seine Stimme ruhig zu halten, obwohl sein Magen sich zusammenkrampfte. »Ist es Euch in den Sinn gekommen, dass die Methoden, die Ihr benutzt, um mich zum Sprechen zu bringen, meine Entschlossenheit zu schweigen vielleicht noch verstärken?«

Das Lächeln des Ashaki war sorglos. »Ach ja? Nun denn. Unterziehen wir diese Theorie einer Prüfung.«

Als er sich zu der Sklavin umdrehte, wimmerte sie. Lorkins Entschlossenheit wurde schwächer. Aber wenn ich ihnen von den Verrätern erzähle, könnten Tausende wie diese Frau enden. Und wenn sie eine Verräterin ist, weiß sie das und würde nicht wollen, dass ich sie verrate.

Er klammerte sich an diesen Gedanken und versuchte die Vorstellung auszublenden, dass sie vielleicht nicht einmal eine Verräterin war, während der Vernehmer sich daranmachte, alles wieder zu zerstören, was Lorkin in der Nacht zuvor geheilt hatte.

Wie die meisten Novizen hatte Lilia früh gelernt, dass innerhalb des Universitätsgebäudes ein Komplex innerer Gänge und Räume lag, die man durch kurze, als Lagerräume getarnte Flure erreichte. Sie waren für Novizen jedoch nicht verboten. Vor Hunderten von Jahren war die Gilde so groß geworden, dass die Notwendigkeit von Unterrichtsräumen jeden Zweck überwog, den die inneren Räume vielleicht zuvor gehabt hatten. Jetzt fanden dort spezialisierte oder private Kurse statt.

Die Gänge unter der Gilde waren auch kein großes Geheimnis. Jeder wusste, dass sie während der Invasion der Ichani benutzt worden waren. Obwohl sie sowohl für Novizen als auch für Magier verboten waren, weil man sie für unsicher hielt, würde die Gefahr eines Einsturzes die Abenteuerlustigeren unter ihnen niemals aufhalten, daher waren nicht lange nach dem Krieg alle Tunneleingänge in der Universität versiegelt worden.

Lilia war nicht die einzige Novizin, die den Verdacht hatte, dass die Gilde einige Eingänge offen gelassen hatte, nur für den Fall der Fälle. Anyis Erkundungszüge hatten jedoch ergeben, dass die Gilde ganze Arbeit geleistet hatte. Alle Tunneleingänge waren zugemauert worden. Lilia hatte gehofft, dass ihre Freundin zumindest einen Zugangspunkt in die Universität finden würde. Das wäre erheblich bequemer, als immer in den schmalen Hohlraum in der Mauer der Magierquartiere zu klettern.

Anyi hatte jedoch unbeirrt an einem neuen Zugang gearbeitet. In der Nacht zuvor hatte sie verkündet, dass sie durch das Mauerwerk eines alten Eingangs gebrochen war, der in die inneren Gänge der Universität führte. Lilia hatte sich den Durchgang angesehen und die verborgene Tür in der Vertäfelung, hinter der er lag, ein wenig geölt, damit sie sich mühelos öffnen ließ. Jetzt konnte Lilia durch diese Tür zu Soneas Räumen zurückgelangen.

Jetzt war sie wieder auf dem Weg zu der versteckten Tür und hoffte, dass es noch zu früh war, als dass andere Novizen in den inneren Gängen waren. Jonna hatte ihr mit dem Frühstück eine große Flasche Lampenöl gebracht. Lilia war sich nur allzu bewusst, dass ihren Freunden bald die Lichtquellen ausgehen würden. Der neue Weg in die unterirdischen Gänge war viel schneller, da die mühselige Kletterei zwischen den Mauern wegfiel, und wenn sie zurückkehrte, würde sie ihrem ersten Kurs an diesem Tag näher sein.

Nachdem sie die Universität betreten hatte, bog sie in einen der schmalen Flure zwischen den Klassenzimmern und ging auf den kleinen Raum am Ende des Flurs zu, der in die inneren Gänge führte. Irgendwo hinter sich hörte Lilia das Echo schwacher Schritte, die ihr folgten. Wahrscheinlich ein Novize auf dem Weg zu einem privaten Unterrichtskurs. Die inneren Gänge waren für gewöhnlich stiller als der Hauptteil der Universität, aber sie würde gut aufpassen müssen, dass niemand sah, wie sie durch die geheime Tür schlüpfte.

Der seltsame kleine Raum, der den Hauptteil mit dem inneren Teil der Universität verband, enthielt eine Wand mit abgeschlossenen Schränken. Anscheinend waren diese Räume kahl gewesen, bis der ehemalige Direktor der Universität gestorben war, und sein Nachfolger hatte beschlossen, dass kein Lagerraum verschwendet werden sollte. Lilia ging durch die Tür gegenüber und betrat die inneren Gänge.

Sie hatte zehn oder zwölf Schritte gemacht, als sie hörte, wie die Tür zu der anderen Seite des kleinen Raums geöffnet und wieder geschlossen wurde, gedämpft von der Tür hinter ihr. Wer immer ihr folgte, kam näher. Sie beschleunigte ihre Schritte in der Hoffnung, dass sie um eine Ecke biegen konnte, bevor diese andere Person auftauchen und sie sehen würde, aber die Entfernung war zu groß. Sie hörte, wie die Tür hinter ihr geöffnet wurde, dann ein Lachen.

»Hey, Lilia«, rief jemand. »Wohin gehst du?«

Ihr wurde flau im Magen. Bokkin. Sie blieb stehen und drehte sich um, um ihn zu mustern. Wie dumm kann dieser Junge noch werden? Er weiß nicht, wie stark oder wie schwach ich bin. Er hat nicht einmal Freunde bei sich, mit denen er sich gegen mich verbünden könnte. Wenn er hofft, dass ich etwas im Schilde führe, für das er mich melden könnte, hätte er nicht nach mir rufen sollen, sondern mich stattdessen heimlich beobachten.