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Trotzdem hatte er ihre Pläne durchkreuzt. Vielleicht war das alles, was er wollte.

»Bist du gekommen, um mir deine Kräfte anzubieten, Bokkin?«, fragte sie.

Er schlenderte auf sie zu. »Du hältst dich wohl für etwas ganz Besonderes? Du denkst, du seist besser als alle anderen, weil du schwarze Magie beherrschst? Es ist genau andersherum. Du bist der niedrigste Abschaum der Gilde, und alle hassen dich. Das ist der Grund, warum du keine Freunde hast. Alle wissen, dass Nakis Tod deine Schuld war.«

Sie spürte, wie etwas in ihr zusammenschrumpfte, aber das führte nicht dazu, dass sie vor ihm zurückwich, sondern schuf eine Leere, die sich schnell mit Zorn füllte.

Sei vorsichtig, ermahnte sie sich. Zeige Zorn, und er wird wissen, dass er dich getroffen hat, und eine versehentliche Verletzung eines anderen Novizen wird die Gründe nur mehren, warum die Leute dich nicht mögen.

Sie lächelte. »Bist du froh, dass du dir das von der Seele geredet hast, Bokkin?«

Er kam näher und versuchte, sie mit seiner Körperfülle und seiner Größe einzuschüchtern. »Ja. Aber ich bin noch nicht fertig mit dir. Ich will, dass du dich entschuldigst – nein, ich will, dass du mich anflehst …«

Die Tür hinter ihnen wurde geöffnet, und er trat schnell zurück.

»Lady Lilia.«

Verwirrung und Erleichterung stiegen in Lilia auf, als sie Jonnas Stimme erkannte. Sie spähte an Bokkin vorbei und schaute der näher kommenden Dienerin entgegen. Die Frau machte eine schnelle Verbeugung vor ihnen beiden.

»Es ist eine Nachricht für Euch gekommen«, sagte Jonna. Sie schob sich an Bokkin vorbei. »Entschuldigung, Mylord.«

Jonna legte Lilia eine Hand auf den Arm und führte sie durch den Gang, weg von Bokkin. Der Novize blieb still, und Lilia würdigte ihn keines Blickes. Sie und Jonna bogen um eine Ecke. Als sie weit genug gegangen waren, schaute Jonna zurück.

»Er folgt uns nicht. Hat er Euch belästigt?«

Lilia zuckte die Achseln. »Er ist ein Unruhestifter, aber ein ziemlich begriffsstutziger.«

»Nehmt das nicht auf die leichte Schulter. Er könnte mit anderen zurückkommen. Sonea hatte Feinde unter den Novizen, als sie hier gelernt hat, und sie haben ihr das Leben zur Hölle gemacht.«

»Wirklich? Wer war der Anführer?« Wie demütigend, sein Leben in dem Wissen zu leben, der Novize zu sein, der dumm genug war, die berühmte Schwarzmagierin Sonea gepiesackt zu haben.

Jonna wirkte erheitert. »Lord Regin.«

Lilia starrte sie erstaunt an. »Wirklich? Er ist nicht dumm.«

»Nein.«

»Ich schätze, die Tyrannen unter den Novizen waren damals klüger.«

Jonna tätschelte energisch ihren Arm. »Ich will wissen, wohin Ihr mit einer Flasche Lampenöl in Eurer Tasche unterwegs seid.«

Lilia schaute auf ihre Tasche hinab und sah dann wieder Jonna an. »Welche Flasche? Ich habe sie im Zimmer gelassen.«

»Das habt Ihr ganz gewiss nicht getan, und die Art, wie die Tasche sich ausbeult und hin und her schwingt, beweist, dass Ihr sie dort drin habt.« Jonna runzelte auf eine mütterliche, missbilligende Art die Stirn. »Ich habe Sonea versprochen, ein Auge auf Euch zu haben. Ich habe geholfen, Soneas Sohn großzuziehen, Lorkin, daher weiß ich, wie man es bemerkt, wenn ein Novize etwas im Schilde führt.«

Lilia sah die Dienerin entsetzt an. Es war nicht so, dass sie Jonna nicht erzählen wollte, dass Cery, Gol und Anyi unter der Gilde lebten, aber sie hatte versprochen, es nicht zu tun. Aber wenn ich es nicht tue, wird Jonna mir nicht die Dinge beschaffen, die sie brauchen.

Jonna hatte in den Hüttenvierteln gelebt, bevor sie Soneas Dienerin geworden war. Sie würde gewiss Verständnis für Cerys Situation haben. Und selbst wenn sie keines hatte, würde sie vielleicht aus Sympathie für Anyi helfen.

Oder bin ich zu vertrauensvoll?

»Sagt es mir, Lilia«, drängte Jonna. »Es wird mir vielleicht nicht gefallen, aber ich verspreche, ich werde es nicht der Gilde melden.« Sie runzelte die Stirn. »Nun, es sei denn, Ihr unterrichtet jemanden in schwarzer Magie. Obwohl ich annehme, dass ich Sonea und Akkarin nicht gemeldet hätte, wenn ich gewusst hätte, was wirklich vorging.«

»Ich unterrichte niemanden in schwarzer Magie«, erwiderte Lilia. Sie holte tief Luft und senkte die Stimme zu einem Flüstern. »Anyi lebt unter der Gilde.«

Jonna sah sie nachdenklich an. »Ich verstehe. Ich habe schon vermutet, dass sie Euch auf diesem Weg besucht. Ist es auch sicher?«

»Wir haben es sicherer gemacht«, entgegnete Lilia.

»Also … warum ist sie dort?«

Lilia schüttelte den Kopf. »Es war nicht mehr sicher in der Stadt. Skellins Leute hätten Cery beinahe getötet …«

»Ihr meint, Cery ist ebenfalls dort unten?« Jonnas Augen wurden schmal.

Lilia seufzte und nickte.

»Wie viele Leute sind da unten?«

»Nur sie.«

Die Dienerin wirkte erleichtert. Ich nehme an, sie hat sich vorgestellt, was die Gilde davon halten würde, wenn ein Dieb dort unten seine Geschäfte führen würde, dachte Lilia, während ständig alle möglichen Verbrecher kommen und gehen.

Jonna deutete auf den Flur. »Also, warum kommt Ihr hierher?«

»Wir haben einen der alten Eingänge geöffnet.«

Jonna runzelte die Stirn und schüttelte den Kopf. »Das ist zu gefährlich«, befand sie. »Und ich meine nicht, dass es unten zu gefährlich ist, ich meine, dass es hier oben zu gefährlich ist. Irgendjemand wird Euch sehen. Ihr dürft nur den Gang in Soneas Räumen benutzen.«

Lilia lächelte, erleichtert darüber, dass sie recht damit gehabt hatte, Jonna zu vertrauen. »Ist dir nicht aufgefallen, wie abgewetzt und schmutzig meine Roben in letzter Zeit waren?«

»Ihr Zustand ist mir nicht entgangen.« Jonna reckte das Kinn vor und warf Lilia einen hochmütigen Blick zu. »Was das betrifft, werden wir etwas unternehmen müssen. Zum Beispiel könnten wir Euch andere Kleider besorgen. In der Zwischenzeit«, sie bückte sich und öffnete Lilias Tasche, »nehme ich die Flasche mit, und Ihr geht direkt zum Unterricht. Heute Abend werden wir über effektivere Strategien reden, wie wir unseren Gästen helfen können.«

Sie hievte die Flasche Lampenöl hoch, bedachte Lilia mit einem strengen Blick, drehte sich um und schritt den Flur entlang zurück. Ein schwacher Hauch von ihrem Parfüm blieb in der Luft hängen, etwas, das Lilia zuvor nicht aufgefallen war.

Lilia schloss ihre Tasche und schüttelte den Kopf. Mir blieb nichts anderes übrig, als es ihr zu erzählen, überlegte sie. Und sie wird es niemandem verraten. Tatsächlich könnte es nützlich sein, dass sie jetzt alles weiß. Dann seufzte sie. In der Zwischenzeit hoffe ich, dass Cery, Gol und Anyi nicht im Dunkeln sitzen werden.

Dannyl tauchte seine Feder in das Tintenfass, dann schrieb er weiter, aber die Spitze begann schon bald, wirkungslos über das Papier zu kratzen. Er tauchte die Feder erneut ein, dann seufzte er, als er sah, dass sein Tintenvorrat fast erschöpft war. Sie ist mir wieder ausgegangen, dachte er. Er straffte sich und stöhnte, als sein Rücken protestierte. Wie lange arbeite ich schon daran?

Einen Tag nach Lorkins Einkerkerung hatte Dannyl all seine Forschungsnotizen zusammengefasst und begonnen, alles in ein großes Notizbuch zu übertragen. Seine Diskussion mit Tayend über die möglichen Absichten der Verräter hatte dazu geführt, dass er befürchtete, beim Eintritt der dramatischeren Szenarien, die sie für möglich hielten, vielleicht nicht mehr dazu zu kommen, alles in einer Form niederzuschreiben, die für andere verständlich war. Er hatte jede Menge Zeit totzuschlagen, und er kam mit seinen Forschungen ohnehin nicht weiter, also schrieb er seine Ergebnisse ins Reine und notierte dazu, an welcher Stelle sie jeweils in seine Geschichte der Magie eingefügt werden sollten.