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»Aber die Gilde würde es bemerken«, stellte Anyi fest. »Lilia weiß, dass wir hier sind, und sie wird ihn aufhalten, oder wenn sie es nicht kann, dann würde sie Hilfe holen.«

»Ja, aber das weiß Skellin nicht«, entgegnete Cery.

Gol stieß ein leises Knurren aus. »Nein«, sagte er.

Cery drehte sich zu seinem Freund um, erheitert über die in einem einzigen Wort zusammengefasste Ablehnung. »Warum nicht?«

»Dies ist für uns der letzte und einzige sichere Ort«, erwiderte Gol. »Wir können das Risiko nicht eingehen, ihn zu verlieren.«

»Wir haben durchaus noch einen weiteren sicheren Ort.« Cery deutete nach oben. »Den Schutz, von dem Skellin denkt, dass wir ihn bereits genießen.« Er zeigte auf den Raum, in dem sie saßen. »Dies hier ist unsere letzte und einzige Chance, ihn in eine Falle zu locken.«

»Eine Falle, die, wenn es schiefgeht, deinen Tod bedeutet«, widersprach Gol.

»Lilia wird ihn beschützen«, sagte Anyi, deren Augen leuchteten bei der Aussicht darauf, endlich etwas zu tun.

Lilia nickte. »Und Kallen. Du hast die Absicht, Kallen einzuweihen, nicht wahr?«

»Ja«, antwortete Cery. »Es ist ein bisschen viel verlangt, Lilia zu bitten, die ganze Bürde des magischen Schutzes allein zu schultern oder es mit zwei Magiern aufzunehmen, falls Skellin seine Mutter mitbringt.«

Anyi rieb sich eifrig die Hände. »Also, was werden wir als Köder benutzen?«

Gol schnaubte. »Es ist offensichtlich. Dein Vater beabsichtigt, Skellin mit etwas hierherzulocken, das er mehr will als alles andere.«

Lilia erbleichte ein wenig. »Schwarze Magie?«

»Nein«, antwortete Gol. »Skellin will die volle Kontrolle über die gesamte Unterwelt. Wenn er herausfindet, dass Cery noch lebt, wird er wissen, dass immer die Gefahr besteht, dass Cery versuchen wird, sich seine Macht zurückzuholen – mithilfe der Gilde. Er wird eine Menge riskieren, um ihn zu töten.«

Anyis eifriges Grinsen verschwand. Sie starrte Cery an und suchte in seinen Zügen, als hoffe sie auf ein Zeichen dafür, dass er scherzte. Als er nickte, runzelte sie die Stirn und verschränkte die Arme vor der Brust. »Gol hat recht. Das Risiko ist zu groß.«

»Was schlägst du dann vor? Was sonst würde ihn in Versuchung führen, das Risiko einzugehen, der Gilde so nahe zu kommen?«

Anyi sah Lilia an. »Schwarze Magie …«

»Er wird das Risiko nicht eingehen zu versuchen, sie gefangen zu nehmen. Sie könnte viele Male stärker sein als er selbst. Tatsächlich muss, damit dies funktioniert, offensichtlich sein, dass Lilia nicht hier ist. Er könnte glauben, dass die Gilde nicht weiß, dass ich hier bin, aber er wird nicht so leicht glauben, dass sie es nicht weiß. Lilia wird sich irgendwo anders sehen lassen müssen, bevor er herkommen wird, um nach mir zu suchen.«

»Aber ihr werdet hier einen Magier brauchen«, wandte Lilia ein. »Oder ihr werdet nicht in der Lage sein, ihn daran zu hindern, euch alle zu töten.«

Er nickte. »Ja. Kallen. Sag ihm, dass wir einen Plan haben, Skellin in die Falle zu locken, und frage ihn, wie wir uns mit ihm in Verbindung setzen sollen, wenn wir bereit sind. Natürlich darfst du ihm nicht verraten, wo die Falle zuschnappen wird. Ich habe das Gefühl, dass er beschließen würde, dass es wichtiger ist, Leute aus diesen Gängen fernzuhalten, als Skellin zu fangen.«

Lilia nickte. Anyi schüttelte den Kopf. »Mir gefällt das nicht«, sagte sie.

Cery verschränkte die Arme vor der Brust. »Warum?«

»Ich …« Sie wandte den Blick ab und zog die Brauen zusammen. Dann stand sie abrupt auf, griff nach einer Lampe und stolzierte aus dem Raum.

Mehrere Herzschläge lang war alles still. Lilia sah Cery und Gol an, dann eilte sie hinter Anyi her.

Cery starrte die leere Tür an. Sein Herz krampfte sich auf eine Weise zusammen, die gleichzeitig schmerzhaft und angenehm war. Er wollte niemandes Leben aufs Spiel setzen. Gewiss nicht sein eigenes. Aber sie konnten nicht für immer hierbleiben.

Rückblickend erinnerte er sich an die zornige, trotzige junge Frau, mit der er in Verbindung zu bleiben versucht hatte, nachdem er sich von ihrer Mutter getrennt hatte. Anyi hatte ihn gehasst – oder zumindest hatte sie sich so benommen, als hasste sie ihn. Das Wissen, dass er sie irgendwie für sich gewonnen hatte, war eine bittersüße Freude. Der Preis, den sie dafür gezahlt hatten, war ihre Sicherheit.

Aber andererseits genügte ihre Verwandtschaft mit ihm vollauf, um ihr Leben gefährlich zu machen, vor allem solange ein wilder Magier und Dieb die Unterwelt regierte und dieser Magier Cery hasste.

»Ausnahmsweise einmal sind deine Tochter und ich einer Meinung«, erklärte Gol mit leiser Stimme. »Es ist zu gefährlich.«

»Lass uns abwarten, was Kallen dazu sagt«, erwiderte Cery.

Binnen weniger Schritte verlangsamte Anyi das Tempo, damit Lilia sie einholen konnte, aber sie blieb nicht stehen.

»Ist alles in Ordnung mit dir?«, fragte Lilia.

Anyi schüttelte den Kopf. »Nein. Ja. Ich … ich muss nachdenken.«

Ihr Tonfall deutete an, dass sie nicht in der Stimmung war zu reden, daher blieb Lilia still. Sie zog Magie in sich hinein, um eine Lichtkugel zu schaffen, und Anyi drehte wortlos die Flamme ihrer Lampe herunter, um Öl zu sparen. Sie gingen nicht weit. Nach einigen hundert Schritten wurde Anyis Gang entschlossener, und schon bald wurde klar, dass sie Lilia zu einigen Räumen näher bei der Universität führte, die sie vor kurzem entdeckt hatte.

Anyi wählte willkürlich einen Raum aus, dann setzte sie sich in Ermangelung von Stühlen auf den Boden, mit dem Rücken zur Wand. Lilia setzte sich neben sie und wischte dabei unbeabsichtigt über eine zerbrochene, verstaubte Platte. Sie säuberte sie ganz, und auf der Unterseite wurde ein Gildesymbol sichtbar. Diese Platte ist nicht besonders alt. Ich frage mich, wie sie hierhergekommen ist.

»Es sollte mich nicht kümmern«, bemerkte Anyi.

Lilia drehte sich zu ihr um. »Natürlich sollte es das. Er ist dein Vater.«

Anyis Mund verzog sich zu einem bitteren Lächeln. »Kein besonders guter. Den größten Teil meines Lebens hat er mich ignoriert. Erst als seine andere Familie ermordet wurde, hat er mir Aufmerksamkeit geschenkt.«

Nicht sicher, was sie erwidern sollte, sagte Lilia nichts.

»Aber das ist nicht wirklich fair«, fügte Anyi mit leiserer, weicherer Stimme hinzu. »Mutter hat ihn verlassen. Sie sagte, es sei nicht sicher, die Ehefrau eines Diebes zu sein, und dass sie es nicht ertragen könne, sich ständig verstecken zu müssen. Ich denke nicht, dass zwei Menschen gezwungen sein sollten, zusammen zu sein, wenn sie es nicht wollen.«

»Wie ist es gekommen, dass Cery wieder geheiratet hat?«, fragte Lilia. Eine Scheidung war etwas, das nur der König gewähren konnte. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass ein Dieb den König bat, seine Ehe zu beenden.

Anyi zuckte die Achseln. »Er hat es einfach getan.«

»Aber das ist …«

»Bigamie?« Anyi sah Lilia an und zuckte die Achseln. »Nicht wirklich. Niemand in der Unterwelt kann sich eine legale Heirat leisten. Ich nehme an, Cery könnte es, aber warum eins der Gesetze des Königs beachten, wenn man den restlichen nicht viel Beachtung schenkt? Wir haben unsere eigenen Methoden, uns für verheiratet zu erklären – oder für unverheiratet.«

Lilia schüttelte staunend den Kopf. »Es ist eine vollkommen andere Welt.« Sie zuckte die Achseln. »Obwohl ich das auch von der Familie sagen könnte, in deren Dienst meine Eltern standen. Wir mögen ein Teil ihrer Welt gewesen sein, aber wir waren nicht in ihrer Welt. Es wäre schön gewesen, so reich zu sein und andere herumkommandieren zu können, aber manchmal hatten sie noch weniger Entscheidungsfreiheit als wir, was ihr Leben betraf. Sie dürfen nicht entscheiden, wen sie heiraten, und sie müssen den König um eine Scheidung bitten – und hoffen, dass er sie gewährt.«