In grimmigem Schweigen marschierten sie gemeinsam zum Vordereingang des Hauses. Die Kutsche wartete noch nicht auf sie, aber dann öffneten sich die Stalltüren, und die Pferde mit den Wagen kamen heraus. Dannyl befahl Savi, hinten neben dem anderen Kutschensklaven aufzusteigen, dann hievte er den Spion in den Wagen. Er stieg hinter ihm ein, und Tayend folgte ihnen.
»Viel Glück«, sagte Merria leise, dann schloss sie die Tür.
Auf Dannyls Befehl verließ die Kutsche das Gildehaus. Er sprach nicht, und auch Tayend bewahrte Stillschweigen. Sie konnten vor dem Spion nicht über ihre Pläne sprechen, und es war kaum eine Situation für belangloses Geplänkel. Der Spion kauerte Tayend und Dannyl gegenüber, und sein ängstlicher Blick flackerte zwischen den beiden hin und her, was beunruhigend war. Als der Fahrer plötzlich einen Ruf ausstieß, zuckten alle zusammen.
Die Kutsche wurde langsamer. Dannyl öffnete das Fenster und beugte sich hinaus.
»Was ist passiert?«
»Die Sklavin, Herr. Sie ist heruntergesprungen und weggerannt.«
Dannyl hielt inne und schaute hinter sich, aber Savi war bereits verschwunden.
»Wir können nicht stehen bleiben«, sagte er zu dem Kutscher. »Fahr weiter zum Palast.«
Vielleicht war es die Erwähnung des Palastes, aber der Entführer hatte aufgehört, sie anzustarren. Erleichtert verbrachte Dannyl den Rest der Fahrt damit, über seinen Plan nachzudenken, ihn zu verfeinern und sich Mut zu machen. Als sie ankamen, zerrte er den Mann hinter sich her. Er überließ es Tayend, ihnen nachzueilen, während er den Spion in den Palast führte.
Die Wachen beobachteten sie, hielten sie aber nicht auf. Sobald Dannyl in der Halle war, sah er zu seiner Freude, dass der König eine große Audienz von Ashaki arrangiert hatte, die die Begegnung beobachten sollten, darunter einige, die, wie Merria erfahren hatte, nicht mit Lorkins Behandlung einverstanden waren. Perfekt. Achati stand in der Nähe des Throns und wirkte zu Dannyls Erleichterung unbesorgt.
Der Monarch zog die Augenbrauen hoch, als Dannyl den Spion auf den Boden drückte. Dannyl kniete dem Protokoll folgend nieder, und Tayend, der an seine Seite geeilt war, verneigte sich.
»Erhebt Euch, Botschafter Dannyl.« Der König sah den Spion an. »Was ist das?«
»Ich gebe nur zurück, wovon man mir gesagt hat, es sei Euer Spion, Euer Majestät«, erwiderte Dannyl, während er sich aufrichtete.
Der König sah ihn scharf an. »Mein Spion.«
»Ja, Euer Majestät. Gestern Nacht hat dieser Mann versucht, meinen ehemaligen Assistenten zu entführen, Lord Lorkin. Eine Verräterin hat es verhindert. Sie hat außerdem seine Gedanken gelesen und erfahren, dass der Mann in Euren Diensten steht.« Dannyl sah die Ashaki an, die erheitert wirkten, aber nicht schockiert. »Ich bitte darum, dass jemand hier seine Gedanken liest, um es zu bestätigen.«
Köpfe wurden hin und her gedreht. Blicke wurden getauscht. Einige Worte wurden gemurmelt. Der König ignorierte alle und fuhr fort, Dannyl zu betrachten.
»Also gut. Ashaki Rokaro, würdet Ihr Botschafter Dannyls Bitte erfüllen und uns mitteilen, ob diese Anklagen der Wahrheit entsprechen?«
Es kam kein Protest, und ein Mann mit grauen Strähnen im Haar trat vor. Alle beobachteten, wie die Gedanken des Spions gelesen wurden. Der Ashaki schien eine gründliche und bedächtige Gedankenlesung vorzunehmen, da die Prozedur länger dauerte, als Dannyl es bisher je erlebt hatte. Als der Ashaki den Spion losließ, sackte der Mann wieder zu Boden und streckte die Hände nach dem König aus wie ein Sklave, der um Vergebung flehte.
»Nun, Ashaki Rokaro?«, fragte der König.
Der Ashaki schaute erst den Spion an, dann Dannyl, dann die versammelten Ashaki.
»Es ist wahr«, erklärte er.
Dannyl verspürte einen Anflug von Überraschung. Er hatte erwartet, dass der Ashaki es leugnen oder sagen würde, der Mann glaube es, habe aber keinen Beweis dafür, dass seine Befehle vom König gekommen waren. Als Dannyl den König anblickte, sah er keine Sorge oder Schuldgefühle, und ihm wurde flau im Magen.
»Ihr sagt, eine Verräterin habe Euch geholfen«, bemerkte der König.
Dannyl zögerte, und ein warnender Schauder überlief ihn. »Wir konnten kaum ablehnen.«
»Wo ist sie jetzt?«
»Ich weiß es nicht. Nicht im Gildehaus.«
»Und Lorkin?«
»Weg.«
»Wohin?«
»Ich weiß es nicht. Zusammen mit den Verrätern, vermute ich.«
»Sie scheinen heutzutage seine bevorzugten Begleiter zu sein.« Er drehte sich um und lächelte Achati mit offenkundiger Anerkennung an. »Aber zumindest haben wir bekommen, was wir alle begehrt haben: Freiheit für Lorkin im Austausch für Informationen.«
Informationen? Plötzlich erinnerte sich Dannyl wieder an das Versprechen, das Lorkin Achati gegeben hatte.
Dannyl hatte nicht geglaubt, dass Lorkin zu seinem Versprechen stehen würde. Er hatte vermutet, dass Lorkin irgendeine Art von Betrug im Sinn hatte. Aber was, wenn er Achati tatsächlich mitgeteilt hatte, wo das Sanktuarium lag? Was, wenn Achati Lorkin dem König übergeben hatte, statt ihm zu helfen zu fliehen? Logen die Verräter, was seine Rettung betraf, um sich an Lorkin dafür zu rächen, dass er ihr Zuhause preisgegeben hatte? Oder wussten sie noch nicht, was Lorkin getan hatte?
Der König sah den Spion an. »Ich schätze, ich sollte Euch danken, dass Ihr meinen Spion zurückgegeben habt, obwohl er sich den Titel kaum verdient hat.« Der König wandte sich Dannyl und Tayend zu. »Ihr dürft in das Gildehaus zurückkehren, Botschafter.«
15
Im Ödland
Die Nachtluft war überraschend kalt, wenn man bedachte, wie heiß es tagsüber im Ödland war. Lorkin zog an den Zügeln und hielt das robuste kleine Reittier, das er ritt, einmal mehr davon ab zu versuchen, das Pferd an der Spitze einzuholen. Die Stute warf protestierend den Kopf hoch, und er hörte das Wasser in den Fässern schwappen, die an ihr festgebunden waren.
Sie waren seit der Abenddämmerung am vergangenen Tag unterwegs. Der falsche Ashaki der Verräter hatte Lorkin in seiner Kutsche an den Rand des Ödlands gebracht und ihn mit zwei Sklaven von einem nahen Besitz allein gelassen. Die Sklaven hatten Lorkin erklärt, dass sie ihn nur bis zu den Hügeln bringen könnten, wo eine Gruppe von Verrätern sie treffen würde. Obwohl sie ein zusätzliches Pferd hatten, das half, Wasser und Proviant zu tragen, konnten sie nicht genug Vorräte mitnehmen, um bis in die Berge und wieder zurück zu gelangen, ohne Verdacht zu erregen.
Lorkin schaute über seine Schulter nach Osten und sah, dass der Himmel bereits heller wurde. Er hatte seit mehr als einem Tag nicht geschlafen, und während der vergangenen beiden Nächte hatte er sich auf dem engen Sitz der Kutsche zusammenrollen müssen. Obwohl er die Erschöpfung mit heilender Magie lindern konnte, waren die ständigen Reisen und die Angst vor Entdeckung überaus anstrengend. Einfach für eine Weile still zu sitzen wäre ihm hochwillkommen gewesen, aber er bezweifelte, dass er in absehbarer Zeit in den Genuss dieses Luxus kommen würde.
Die Hoffnung, dass Tyvara unter den Verrätern sein würde, die auf ihn warteten, schenkte ihm jedes Mal neue Energie, wenn er an sie dachte, was er tat, wann immer er vor Erschöpfung im Sattel in sich zusammensackte. Er dachte an ihr warmes Lächeln, den Klang ihrer Stimme, die Berührung ihrer nackten Haut. Bald, sagte er sich.
Er würde sehr enttäuscht sein, wenn sie nicht unter den Verrätern war, aber nicht überrascht. Man hatte Tyvara für drei Jahre verboten, die Stadt zu verlassen, als Strafe dafür, dass sie Riva getötet hatte. Aber zumindest ist sie dort in Sicherheit, und wenn sie nicht bei ihnen ist, wird mich der Gedanke an sie aufrechterhalten, bis ich sie tatsächlich wiedersehe, ging es ihm durch den Kopf.
Das Geräusch klappernder Zähne lenkte seine Aufmerksamkeit wieder auf sein Reittier. Er sah, dass die Stute dem Tier an der Spitze nahe genug gekommen war, um einen weiteren Biss zu versuchen, und hastig zog er an den Zügeln. Verrücktes, gehässiges kleines Tier, dachte er und murmelte einen Fluch. Ich bin froh, dass sie das nicht bei Menschen versucht.