Dannyl seufzte. »Natürlich.« Aber sein Widerstand war größtenteils Gewohnheit. In Wahrheit war er dankbar für Tayends Gesellschaft. Die Tatsache, dass sie eine gemeinsame Sache hatten und zusammenarbeiteten, und Tayends Anerkennung Achatis hatten etwas verändert. Sie lagen nicht länger im Zwist miteinander. Der Groll über ihre Trennung war erloschen, oder zumindest gehörte er der Vergangenheit an.
Tayends Anwesenheit würde außerdem dafür sorgen, dass das Treffen einen förmlichen Charakter hatte, was es vielleicht leichter machen würde, seine persönlichen Gefühle gegenüber Achati zu ignorieren. Wie das Gefühl, verraten worden zu sein.
Doch wir wissen, dass Achati Lorkin aus Arvice fortgebracht hat, rief er sich ins Gedächtnis.
»Lorkin ist bei Sonea«, murmelte Dannyl. »Ich stand gerade im Gespräch mit Osen, als Kai Achatis Ankunft vermeldet hat.«
Tayend zog die Augenbrauen hoch. »Gute Neuigkeiten.«
Als sie ein Geräusch aus dem Flur hörten, drehten sie sich zu dem Besucher um. Tav, der Türsklave, erschien als Erster und warf sich zu Boden. Achati kam hinter ihm herein. Er lächelte.
»Willkommen Ashaki Achati«, begrüßte ihn Dannyl. »Wie immer scheint Ihr immun gegen die Ungnade zu sein, in die ihr Sachakaner fallt, wenn ihr mit dem Gildehaus zu tun habt.«
Achati breitete die Hände aus. »Ein Vorteil meiner Position, Botschafter Dannyl.« Er nickte Tayend zu. »Botschafter Tayend. Es ist schön, das Gildehaus unter erfreulicheren Umständen als beim letzten Mal zu besuchen.«
»Wenn Ihr meint, in Gesellschaft der Spione des Königs, dann sage ich, die Umstände sind wahrscheinlich ganz ähnlich.«
Achati nickte mitfühlend. »Der König hat weitaus weniger Skrupel in solchen Dingen, als Ihr erwartet habt.«
»Es wäre gutes Benehmen, zumindest so zu tun, als würde man andere nicht ausspionieren. Selbst wenn es offensichtlich ist, dass man es tut.«
Achati schüttelte den Kopf. »Wirklich? Kyralier haben so seltsame Vorstellungen, wenn es um Manieren geht. Aber das ist nicht der Grund, weshalb ich mit Euch reden wollte.«
Dannyl verschränkte die Arme vor der Brust. »Und welcher Grund wäre das?«
»Ich bin gekommen, um zu erklären, warum ich dem König von meinem Anteil an Lorkins Flucht erzählt habe.«
»Ich denke, das haben wir erraten«, sagte Tayend. »Ihr habt eine Möglichkeit gesehen, Informationen von Lorkin zu bekommen.«
Achati nickte. »Eine Möglichkeit, die keine Entführung, Einkerkerung oder Schlimmeres erforderlich machte. Ich bin jedoch das Risiko eingegangen, dass er nicht Wort halten würde. Der König fand es verwegen, ließ sich aber zu guter Letzt überreden, dass es die beste Vorgehensweise sei.« Er kam einige Schritte näher. »Ihr versteht doch, dass alles, was ich tue und was gegen die Wünsche des Königs verstößt, am Ende entdeckt werden würde.«
Dannyl nickte. »Beim nächsten Mal, wenn Ihr seinen Blutring tragt.«
»Ja. Initiative ist ein heikles Thema für einen König. Wann endet die Initiative, und wann beginnt der Ungehorsam? Es besteht immer die Gefahr, dass das Wissen um das, was der König braucht, als vorschnelle Annahme dessen gedeutet wird, was der König will.«
»Hat der König bekommen, was er wollte?«
Achati zog die Schultern hoch. »Nein. Er hat bekommen, was er brauchte. Nicht alles, was Lorkin wusste, aber genug.«
»Lorkin hat die Verräter verraten?« Tayend schüttelte ungläubig den Kopf.
»Ich vermute, dass er nicht dachte, dass er es tat.« Achatis Lächeln war dünn. »Er dachte, er hätte uns überlistet, aber er hat uns viel mehr offenbart, als ihm bewusst war.«
»Was hat er gesagt?« Dannyl erwartete keine Antwort von dem Ashaki. Wenn die Information so wichtig war, dass der König Lorkin hatte gehen lassen …
»Er hat uns gesagt, wo das Zuhause der Verräterinnen ist, genau wie er es versprochen hatte.«
Tayend kniff die Augen zusammen. »Er hat etwas Vages gesagt wie ›in den Bergen‹?«
»Nein. Er sagte: ›Sachaka.‹«
Achati sah erwartungsvoll zu, wie Tayend sich mit einem Stirnrunzeln zu Dannyl umdrehte. Dannyl erwiderte den Blick des Elyners; er hatte verstanden.
»Er hat offenbart, dass die Verräter das ganze Land als ihr rechtmäßiges Zuhause betrachten«, erklärte er. »Was bedeutet, sie haben nicht die Absicht, im Verborgenen zu bleiben.« Er wandte sich zu Achati um. »Ihre Hoffnung besteht darin, eines Tages über Sachaka zu herrschen.«
»Ah«, sagte Tayend. »Aber das wird vielleicht noch Jahre dauern. Und vielleicht werden sie nicht gewinnen.«
»Sie werden nicht gewinnen«, entgegnete Achati mit fester Stimme. »Es können nicht ebenso viele von ihnen in den Bergen leben, wie es von uns in den Tiefländern Sachakas gibt. Wir sind die bei weitem größere Streitmacht. Was der Grund ist, warum sie sich gewöhnlich in unsere Angelegenheiten einmischen, indem sie spionieren und politische Morde begehen.« Seine Miene wurde ernst. »Und das ist der Grund, warum wir unsere eigenen Spione überall haben, auch im Gildehaus – obwohl wir vor Lorkins Entführung nicht viele Spione hier hatten, weil wir nicht gedacht haben, dass die Verräter sich für Kyralia interessieren könnten.«
Dannyl reagierte auf das offene Eingeständnis von Spionen im Gildehaus mit einem Stirnrunzeln.
»Sie sind zu Eurer Sicherheit hier«, beteuerte Achati. »Lorkin war natürlich eine andere Angelegenheit, aber das ist jetzt vorüber. Der König wünscht Euch nichts Böses. Er will gute Beziehungen zwischen den Verbündeten Ländern und Sachaka. Genau wie ich, da ich Eure Gesellschaft schätze.« Er schaute von Dannyl zu Tayend, um anzudeuten, dass er sie beide meinte. »Ich betrachte Euch als meine Freunde.«
Tayend musterte Dannyl. Er zog leicht die Augenbrauen hoch, dann ließ er sie wieder sinken und lächelte. Ein schelmischer Ausdruck lag in seinen Augen. Er wandte sich wieder Achati zu.
»Nun denn«, sagte er. »Würdet Ihr gern auf ein Getränk bleiben? Ich habe keine Ahnung, wie es Dannyl geht, aber ich würde gern mehr darüber wissen, wie Ihr einen Aufstand der Verräter vereiteln wollt.«
Überrascht konnte Dannyl nur nicken zum Zeichen, dass er die Idee guthieß. Was führte Tayend im Schilde? Sammelte er Informationen, oder beabsichtigte er, nach Löchern in Achatis Geschichte zu suchen oder seine Freundschaftsbeteuerungen auf die Probe zu stellen?
Obwohl Dannyl wusste, dass er das Gleiche tun sollte, musste er zugeben, dass er nicht mit dem Herzen dabei war. Es war einfacher, als ich Achati nicht zu vertrauen brauchte. Obwohl er zugeben musste, dass er ihn umso mehr dafür bewunderte, dass er geschickt alle Beteiligten – Lorkin, Dannyl, Tayend und den sachakanischen König – zu einer Lösung geführt hatte, die alle zufriedenstellte, wenn auch nicht alle erfreute.
Architektur war ein Fach, das alle Novizen belegen mussten, obwohl die meisten nur eine grundlegende Ausbildung erhielten. Lilia hatte immer gedacht, dass es lediglich ein hochtrabender Name für etwas sei, das im Wesentlichen eine untergeordnete Aufgabe für einen Magier war. Nur wenige Magier entwarfen Gebäude, und seit der Invasion der Ichani waren Gebäude, deren Standfestigkeit auf Magie beruhte, nicht mehr besonders beliebt. Die meisten Magier benutzten, was sie in den Architekturkursen lernten, um Gebäude zu reparieren oder die Errichtung von neuen Gebäuden zu beschleunigen. Beide Arten von Arbeit erforderten ein Verständnis für nichtmagische Bautechniken.
Lilia war bereit zu wetten, dass viel Zeit vergangen war, seit irgendein Magier an geheimen, unterirdischen Räumen gearbeitet hatte. Die Mauern, die sie für Cery hatte stärken sollen, waren aus Backsteinen, nicht aus Naturstein. Selbst mit Mörtel gebunden ließ sich mit ihnen nicht die Festigkeit einer Natursteinmauer erzielen. Sie hatten auch nicht dieselben Eigenschaften, was Magie betraf. Aus Naturstein sickerte Magie sehr langsam heraus, während sie aus Backstein im Handumdrehen wieder verschwand. Ihr würde nichts anderes übrig bleiben, als eine Barriere um die Backsteine zu schaffen, um dem Abfluss von Magie Einhalt zu gebieten.