Er winkte Dannyl zu den Hockern hinüber und hob eine Flasche hoch, so dass sein Gast das Etikett lesen konnte.
»Dunkler Anuren«, rief Dannyl beeindruckt aus. »Wie seid ihr daran gekommen?«
»Ich habe meine Quellen.« Achati deutete auf die Hocker. »Bitte, setzt Euch.«
Es schien, als habe Achati vor, sich zu benehmen, als wäre seit Dannyls letztem Besuch nichts vorgefallen. Nur machte das die Situation für Dannyl noch unbehaglicher. Gewiss sollte der Ashaki in irgendeiner Weise zugeben, dass der König ihnen übel mitgespielt hatte. So zu tun, als sei nichts geschehen, würde ihre Freundschaft nicht heilen.
Dann, gerade als Dannyl langsam ärgerlich wurde, überraschte ihn Achati.
»Ich erwarte nicht, dass Ihr mir verzeiht«, sagte er, während er ein zweites Glas Wein einschenkte.
Dannyl hielt inne. »Ich bin mir nicht sicher, was ich darauf sagen soll«, antwortete er aufrichtig.
»Dann sagt gar nichts. Ihr braucht nicht zu lügen, um diplomatisch zu sein.«
»Wenn Ihr nicht erwartet, dass ich Euch verzeihe, nehme ich an, Ihr werdet Euch auch nicht entschuldigen.«
Achati lächelte. »Nein. Und Ihr werdet mir nicht dafür danken, dass ich Lorkin aus Arvice herausgebracht habe.«
»Ich sollte Euch dafür danken, dass Ihr ihn nicht dem König ausgeliefert habt«, bemerkte Dannyl.
»Ich hätte niemals einem Befehl zugestimmt, der so etwas von mir verlangt hätte.«
»Zugestimmt?« Dannyls Magen krampfte sich zusammen. »Der König hat Euch ausgeschickt, uns vor dem Entführer zu warnen, nicht wahr? Ihr seid nicht aus Sorge um uns gekommen.«
»Ja, er wusste es – und nein, ich bin aus Sorge um Euch alle gekommen.« Achati zuckte die Achseln. »Ich habe den König dazu überredet, mir zu erlauben, Euch zu warnen – in der Hoffnung, dass Lorkin mir vertrauen würde. Ich habe nicht erwartet, dass ich viele Informationen aus ihm herausholen konnte, nicht nach dem, was er im Gefängnis getan hatte, aber ich habe eine Chance gesehen, dass wir einige Informationen bekommen könnten, und das war besser als gar nichts.«
Dannyl runzelte die Stirn. Was hatte Lorkin im Gefängnis getan?
Achati lachte leise. »Lorkin ist erheblich zäher, als er aussieht. Er hat sich als unerwartet skrupellos erwiesen. Umso mehr, weil er nicht wissen konnte, dass er mit seinem Tun den König dazu zwingen würde, ihn freizulassen.« Sein Lächeln verblasste. »Alle, die ich befragt habe, hatten eine andere Meinung, was die Quelle des Giftes betraf. Der König gibt es nicht zu. Die Verräterinnen werden es offensichtlich auch nicht tun. Wenn es jemand anders war als der König, wird er kaum offenbaren, dass er gegen königlichen Befehl gehandelt hat – oder dass es auf königlichen Befehl hin geschah. Was immer die Quelle war, es war klar, dass jemand versucht hatte, einen Gildemagier zu töten, und das hat zu viele Ashaki aufgebracht.«
Jemand hatte versucht, Lorkin zu töten? Mit Gift? Dannyl hoffte nur, dass er seinen Schock gut verbarg. »Also hat der König Lorkin gehen lassen. Nur um zu versuchen, ihn wieder einzufangen. Um ihn an einen Ort zu bringen, wo er vor dem Giftmischer sicher war?«
»Ja.«
»Dann … kann es nicht der König gewesen sein, der versucht hat, Lorkin zu vergiften.«
»Ich glaube es nicht, weil er mir erlaubt hat, Lorkin bei der Flucht zu helfen.«
»Warum hat er das getan?«
»Er hat zugestimmt, dass er, wenn ich Lorkin dazu bewegen konnte, mir irgendetwas über die Verräter zu erzählen, mich tun lassen würde, was immer ich für richtig hielt.« Achati grinste beinahe.
»Es klingt wie eine Wette. Ich nehme nicht an, dass er die Art König ist, die gern Wetten verliert.«
»Er steht zu seinen Abmachungen.«
»Was hattet Ihr zu verlieren?«
Achati wirkte selbstgefällig und machte eine knappe Handbewegung. »Mein Haus.«
»Wirklich?« Dannyl sah sich um. »Besitzt Ihr noch anderes Land?«
»Nein.«
Also ein hoher Einsatz. Aber so war es immer, in der Politik und im Krieg. Dannyl verspürte vertraute Gefühle – Dankbarkeit, Zuneigung und Bewunderung – und widerstand ihnen. Er dachte an Tayends Warnungen und war überrascht, dass die gleichen Gefühle an die Oberfläche stiegen. Er widerstand auch diesen. Tayend ist … ein Freund. Wenn Achati nicht wäre, würden wir vielleicht wieder mehr als das sein …
Der Ashaki betrachtete anerkennend den Wein. Dannyl konnte nicht umhin zu denken, dass er sich nicht mehr von Tayend hätte unterscheiden können. Wenn auch nicht so schwer gebaut wie der durchschnittliche Sachakaner, war Achati dunkelhäutig und breit, während Tayend leicht und schlank war. Wie kann ich mich zu solchen Gegensätzen hingezogen fühlen? Ah, aber sie sind beide klug und scharfsichtig. Ich schätze, ich mag kluge Männer. Aber ich frage mich, was er in mir sieht.
Als Achati Dannyls Blick wahrnahm, wandte er sich um, um ihm in die Augen zu sehen. Seine Miene wurde grüblerisch. »Erinnert Ihr Euch an diesen Augenblick während unserer Reise nach Duna? Als Tayend uns gestört hat?«
Erinnerungen und gemischte Gefühle überschlugen sich in Dannyls Kopf. Begehren, Verlegenheit, Angst und Wut.
»Wie könnte ich das vergessen? Dieser kleine Störenfried …«, murmelte er.
Achati lachte. »Ich bin mir sicher, dass seine Absichten gut waren. Aber ich habe doch das Gefühl, dass solche Augenblicke, solche Chancen rarer für uns werden. Würden wir immer noch Freunde sein, wenn wir abermals eine schwierige Zeit durchmachen würden, wie wir das vor kurzem getan haben, oder wären da zu viel Misstrauen und Argwohn? Ich wünschte …« Er seufzte. »Ich weiß, es ist egoistisch. Ich würde mich freuen, wenn wir mehr als Freunde wären, zumindest für eine Zeit, bevor die Umstände uns das Gefühl geben, dass wir uns wie Feinde benehmen müssen.«
Dannyl holte tief Luft. Sein Herz schlug wieder zu schnell, und da war ein seltsames, aber vertrautes Flattern in seinem Magen. Genauso habe ich empfunden, als ich in Sachaka angekommen bin, durchzuckte es ihn. Nur dass diesmal etwas Berauschendes daran war. Was würde geschehen, wenn er es akzeptierte? Sich mit Freuden darauf einließ?
Es gibt nur eine Möglichkeit, es herauszufinden.
»Nun, jetzt ist Tayend nicht hier.«
Achati hielt den Atem an. Ein Ausdruck flackerte über seine Züge, bevor sorgfältiges Interesse ihn ersetzte.
Hoffnung.
Dannyl verstand in diesem Moment, dass Achati trotz all seiner Macht und seines Wohlstands allein war. Er bezweifelte, dass er jemals diese Einsamkeit ausnutzen könnte, selbst wenn er es wollte. Es war keine Schwäche, es war Teil des Lebens, das Achati für sich geschaffen hatte.
»Obwohl ich es ihm durchaus zutrauen würde, dass er gerade in diesem Moment auf dem Weg hierher ist«, fügte Dannyl hinzu.
Achati lachte. »Gewiss könnte uns so ein Pech nicht zweimal widerfahren?«
»Das klingt nach einer Theorie, die es wert ist, überprüft zu werden. Die Frage ist, wie genau müssen wir die Umstände nachstellen?«
»Oh, ich denke, wir haben alle wesentlichen Zutaten.« Als Achati aufstand, folgte Dannyl seinem Beispiel. »Und wenn ich mich irre, können wir uns zumindest darauf verlassen, dass die Sklaven ihm den Zutritt verwehren.« Er hielt inne, um zu Dannyl aufzuschauen. »Ah. Seht Euch an.«
Dannyl blinzelte. »Was?«
Er hob die Hand, um Dannyls Kinn zu berühren. »So groß und … ganz gradlinige Eleganz. Es ist nur gut, dass ihr Kyralier für gewöhnlich keine höhere Magie erlernt. Ihr wärt viel zu einschüchternd.«
Dannyl stieß ein schnelles Lachen aus. »Ihr Sachakaner seid es, die einschüchternd sind«, protestierte er. »Mit der schwarzen Magie und …«
Achati brachte ihn mit einem Kopfschütteln und einem Finger auf seinen Lippen zum Schweigen, und die Hand an Dannyls Kinn glitt hinter seinen Hals und zog ihn zu einem Kuss herunter.
Dann war sein Mund an Dannyls Ohr. »Tu das nicht, oder du wirst dich selbst daran erinnern, dass wir ein brutales Volk sind. Erlaube mir, dir zu zeigen, dass wir nicht alle grausam und herzlos sind.« Er trat lächelnd zurück und führte Dannyl aus dem Herrenzimmer.