Er dachte daran, wie sehr Fergun sich angestrengt hatte, um zu verhindern, dass Sonea in die Gilde aufgenommen wurde. Wenn er das Gefühl gehabt hatte, dass Sonea es nicht verdiente, eine Magierin zu werden, was hätte er dann von sachakanischen Sklaven gehalten?
Der Gedanke stimmte Dannyl seltsam fröhlich, aber die Stimmung zerstreute sich, als Tayend erschien; er sah zerzaust aus in seiner hastig übergestreiften, kunstvollen Kleidung.
»Botschafter. Lady Merria«, begrüßte Tayend sie und machte ein Zeichen. Er führte sie zu den Hockern, die in der Mitte des zentralen Raums aufgestellt waren, dann nahm er auf einem besonders großen Kissen Platz und rieb sich die Augen.
»Ist es spät geworden gestern Nacht?«, fragte Dannyl.
Tayend verzog das Gesicht. »Spät und feucht, wenn auch nicht besonders fröhlich. Meine sachakanischen Freunde waren besonders fest entschlossen, ihre Sorgen zu ertränken.« Er drehte sich zu dem Sklavenmädchen um. »Bring etwas Wasser und Brot.«
Sobald sie gegangen war, zog Dannyl Magie in sich hinein und umgab sie mit einer schalldichten Barriere. Dann beugte er sich zu Tayend vor. »Sie haben allen Grund dazu.«
Der Elyner machte große Augen und richtete sich auf. »Tatsächlich?«
Während Dannyl ihnen von Osens Neuigkeiten berichtete, begannen sowohl Tayend als auch Merria zu nicken.
»Das erklärt es«, stellte Merria fest. »Gestern Nacht haben meine Freundinnen mir erzählt, dass die Sklavinnen, die im Verdacht stehen, Verräterinnen zu sein, gefoltert und getötet werden.« Sie hielt inne und runzelte die Stirn. »Nun, das erklärt noch etwas anderes. Meine Freundinnen haben Vorkehrungen getroffen, um für den Sommer auf ein Landgut zu reisen, und sie haben mich eingeladen mitzukommen. Ich habe gesagt, ich könne hier nicht weggehen. Ich müsse bei Euch bleiben.« Sie nickte Dannyl zu. »Und sie sagten, Ihr und Tayend könntet ebenfalls mitkommen, falls es nötig wird.«
»›Falls es nötig wird‹?«, wiederholte Tayend. »Hmm.«
»Sie sind wahrscheinlich bereits fortgegangen. Ich nehme an, ich könnte herausfinden, wo sie sind.« Merria wirkte besorgt.
Dannyl schüttelte den Kopf. »Wir können nicht mit ihnen gehen.«
»Aber sollten wir hierbleiben?«, fragte Tayend und sah Dannyl an. »In Kriegen werden Fehler gemacht. Menschen können getötet werden, weil sie am falschen Ort sind. Oder durch fehlgeleitete Magie, die nicht ihr beabsichtigtes Ziel trifft.« Er schürzte die Lippen. »Ich nehme nicht an, dass wir und Achati auf eine weitere Forschungsreise gehen können.«
Bei dem Vorschlag durchzuckte ihn ein Stich der Dankbarkeit und der Furcht. Obwohl er Achati mag, bezweifle ich, dass er ihn eingeschlossen hätte, wenn ich nicht wäre. »Wenn wir das vorschlagen, wird er den Verdacht haben, dass wir von der geplanten Invasion der Verräter gewusst haben«, erwiderte Dannyl.
»Es sei denn, er weiß es nicht. Wir könnten ihn aus dem Gefahrenbereich schaffen. Aber er würde es uns niemals verzeihen, wenn wir ihn davon abhielten, seine Pflicht zu tun«, fügte Tayend hinzu und wandte den Blick ab.
Tayend hatte recht. Achatis Loyalität gehörte seinem König und seinem Volk. Er wird Sachaka niemals verlassen. Nicht für mich. Das hatte er immer gewusst.
»Was werden die Verräterinnen mit den freien Frauen und ihren Kindern machen?«, fragte Merria.
Sie tauschten grimmige Blicke.
»Ich denke nicht, dass sie irgendjemanden töten, der kein Magier ist«, sagte Tayend langsam.
»Es könnte davon abhängen, wie gut sie ihre Sklaven behandelt haben«, fügte Dannyl hinzu.
Merria zuckte die Achseln. »Obwohl sie behaupten, sie würden die Verräterinnen nicht mögen, scheinen meine Freundinnen eine Verbindung zu ihnen zu haben. Gewiss bedeutet das, dass es ihnen gut gehen wird.« Sie sah Dannyl an. »Es ist Euer Freund, um den ich mir Sorgen mache.«
Die Rückkehr des Sklavenmädchens ersparte ihm eine Antwort. Als Dannyl aufstand, um zu gehen, tat Merria das Gleiche.
»Bleibst du noch eine Weile, Dannyl?«, fragte Tayend. Der Elyner wartete, bis Merria und das Sklavenmädchen gegangen waren, bevor er sprach. »Du machst dir Sorgen. Das kann ich spüren. Aber denk daran, die Verräterinnen könnten auch verlieren.«
»Lorkin ist bei ihnen.«
Tayend verzog das Gesicht. »Ah. Ja. Es gibt keinen guten Ausgang dieser Geschichte, nicht wahr?«
Dannyl schüttelte den Kopf. »Wie immer es ausgeht, wir können nur hoffen, dass die Menschen, an denen uns etwas liegt, überleben und entkommen.« Er drehte sich um und ging zur Tür.
»Er bedeutet dir wirklich etwas, nicht wahr?«
Dannyl blieb stehen und drehte sich um. Tayend war aufgestanden. Er seufzte.
»Ich bin nicht verliebt, Tayend.«
»Nein?« Tayend kam herbei und legte Dannyl eine Hand auf die Schulter. »Bist du dir sicher?«
»Ja. Ich habe nie geglaubt, dass es halten würde. Ich habe nur … ich habe erwartet, dass es, wenn es endet, aus banaleren politischen Gründen geschehen würde.«
»Du hast Angst um ihn.«
»So wie ich um jeden Freund Angst hätte.«
Tayend zog ungläubig die Augenbrauen hoch. »Ihr zwei seid mehr als nur Freunde, Dannyl.«
»Du und ich, wir sind mehr als nur Freunde, Tayend. Wir waren zu lange zusammen, um etwas anderes zu behaupten. In dieser Situation hätte ich auch um dich Angst.«
Tayend lächelte und drückte Dannyls Schulter. »Und ich um dich. Der einzige Unterschied ist der, dass ich dich ohne einen zweiten Gedanken zurücknehmen würde. Du würdest das nicht tun.« Er drehte sich um und ging zurück zu den Hockern.
Dannyl, dem der Atem stockte, schaute Tayend an. Als der Elyner seinen Blick erwiderte, riss Dannyl sich los und verließ den Raum. Erst als er seine eigenen Quartiere erreichte, erholte er sich von seiner Überraschung, und seine Gedanken begannen um das zu kreisen, was er erfahren hatte und was er befürchtete.
Lilia trat durch die Tür in die inneren Gänge der Universität und machte einige Schritte, bevor sie die Novizen vor sich sah. Sie gingen nicht aus dem Weg, als sie sich ihnen näherte. Stattdessen drehten sie sich zu ihr um und blockierten alle drei den Weg.
Lilia verlangsamte ihre Schritte. Hinter sich hörte sie das Geräusch der Tür, die erneut geöffnet wurde, dann ein triumphierendes »Ha«. Als sie sich umdrehte, sah sie Bokkin und zwei weitere Novizen näher kommen, und alle drei grinsten.
»Lilia«, rief Bokkin. »Genau die Person, nach der wir gesucht haben, nicht wahr?« Er schaute zu seinen Gefolgsleuten zurück, und sie nickten.
Sie schüttelte den Kopf. Ich kann nicht glauben, wie dumm sie sind. Denken sie denn gar nicht an die Zukunft? Denken sie, ich werde mich nicht an all das erinnern, wenn ich meinen Abschluss habe? Aber das lag für diese Novizen in weiter Zukunft. Sie wussten, dass es ihr niemals gestattet sein würde, schwarze Magie zu benutzen, es sei denn unter außergewöhnlichen Umständen, und sie konnten sich nicht vorstellen, dass sie sich auf andere Weise rächen könnte.
»Weißt du, was ich gehört habe, Lilia?«, fragte Bokkin. »Ich habe jemanden sagen hören, dass sich seit Jahren keine Novizen mehr gegen jemanden wie dich verbündet haben. Jemanden, der seinen Platz nicht kennt. Das letzte Mal war es wirklich effektiv, habe ich gehört.«
Sie meinen Sonea, durchzuckte es sie. »Effektiv?«, wiederholte sie. »Sie hat ihren Rivalen in einem Duell geschlagen und wurde eine Höhere Magierin. Wenn das effektiv ist, sollte ich alle Novizen ermuntern, sich gegen mich zu verbünden.«
Angesichts der Überraschung in den Zügen der anderen Novizen musste sie sich ein Lachen verkneifen.
Bokkin runzelte die Stirn. »Davor. Bevor es …«
Die Tür hinter ihm wurde geöffnet, und ein schwarz gewandeter Magier trat hindurch. Eine Woge der Erleichterung schlug über Lilia zusammen, aber sie setzte schnell wieder eine unbeteiligte Miene auf und hoffte, dass ihre Gefühle den anderen entgangen waren. Schließlich waren sie zu beschäftigt damit, Kallen anzustarren.