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»Warte einen Moment«, hörte er Skellin sagen. »Irgendetwas stimmt nicht mit ihm.«

Cery spürte eine wachsende Angst, als ihm bewusst wurde, dass Skellin recht hatte. Es ist nicht Gol. Ich bin es. Mein Körper … mein Herz … Obwohl seine Augen offen waren, trübte noch immer Dunkelheit seine Sicht. Ein bitterer Triumph stieg in ihm auf. Zumindest hat Skellin nicht die Befriedigung bekommen, mich zu töten. Aber … Anyi …

Die Kraft, die Cery hielt, schmolz dahin, und er landete auf dem harten Boden. Was immer Skellin als Nächstes sagte, er sagte es aus solcher Entfernung, dass Cery es nicht hören konnte. Dann, nach einer längeren Zeit des Schweigens, spürte er kühle Hände auf seinem Gesicht, und er hörte Gol aus weiter, weiter Ferne sprechen.

»Keine Sorge. Er wird Anyi nicht töten. Er will einen Handel schließen. Lilia wird sie zurückholen. Falls Anyi ihn nicht vorher tötet. Diese zwei werden immer aufeinander aufpassen. Das weißt du. Mach dir keine Sorgen. Es wird alles gut werden. Anyi wird es gut gehen. Wir werden dafür sorgen.«

Lilia eilte den Gang hinunter und ließ eine winzige Lichtkugel vor sich her schweben.

Sollte ich sie löschen? Der Eindringling könnte das Licht sehen und wissen, dass ich komme. Aber wenn ich das tue, werde ich in der Dunkelheit meinen Weg ertasten müssen. Es wird mich langsamer machen. Was ist wichtiger? Schnelligkeit oder Heimlichkeit?

Ihre Schritte klangen laut in dem engen Raum. Sie würden sie ohnehin verraten. Sie beschloss, das Licht brennen zu lassen.

Abgesehen von ihren eigenen Schritten hörte sie keine anderen Geräusche. Der geheime Eingang zu den Fluren, den Anyi freigeräumt hatte, befand sich auf der anderen Seite der Universität, also musste Lilia um die Fundamente des Gebäudes herumgehen. Glücklicherweise waren die Gänge hier kein Labyrinth. Sie waren gerade und zweigten in rechten Winkeln ab, bis sie von der Universität wegführten, unter die Gärten. Lilias Herz hämmerte, als sie die erste gewölbte Wand erreichte.

Ich denke nicht, dass ich je im Leben solche Angst hatte, ging es ihr durch den Kopf. Ich denke, genau jetzt würde ich es sogar in Erwägung ziehen, ein wenig Feuel zu nehmen, falls mir jemand welches anböte.

Der Eindringling könnte harmlos sein – ein Novize oder Dienstbote, der sich an Orte wagte, wo er nicht hingehörte. Anyi irrte sich vielleicht, und es gab überhaupt keinen Eindringling. Oder es könnten Skellins Leute sein, die gekommen waren, um zu schnüffeln oder um nach Cery zu suchen. In diesem Fall musste sie hoffen, dass Gol, Cery und Anyi in der Lage waren, sich zu verstecken, bis sie dort ankam.

Aber wenn es Skellin oder Lorandra war. Oder Skellin und Lorandra …

Ich muss hoffen, dass ich genug zusätzliche Macht von Kallen bekommen habe, um notfalls gegen beide zu kämpfen …

Sie hatte viele Male darüber nachgedacht. Es war unwahrscheinlich, dass Skellin oder Lorandra viel Ausbildung im Kämpfen genossen hatten. Lorandra mochte etwas gelernt haben, bevor sie ihr Heimatland verlassen hatte, aber sie und Skellin hatten hier keine Ausbildung gehabt. Bestenfalls konnten sie miteinander trainiert haben.

Sie war jetzt nicht mehr weit von der Zuflucht ihrer Freunde entfernt, verlangsamte das Tempo und starrte in die Dunkelheit vor ihr.

Sollte ich pfeifen, um sie zu warnen, dass ich es bin? Es wird Skellin warnen, wenn er bereits dort ist. Aber wenn das der Fall ist, würde ich dann nicht Licht sehen und Stimmen hören können?

Sie ließ mehr Magie in ihren Schild fließen und bewegte sich zentimeterweise vorwärts. Ein schwaches Geräusch erreichte sie. Eine leise, murmelnde Stimme. Die Tür war dunkel, aber als sie näher kam, bemerkte sie ein schwaches, flackerndes Licht. Sie erreichte es kurze Zeit später, spähte durch die Öffnung und sah eine einzige Kerze brennen und eine gebeugte Gestalt, die auf dem Boden saß. Gleichzeitig hörte sie einen erstickten Laut.

Etwas an diesem Laut krampfte ihr den Magen zusammen.

Der Mann hob den Kopf, und die Schatten, die sein Gesicht verbargen, wichen vor ihrer Lichtkugel zurück. Gols Wangen glänzten.

»Lilia«, sagte er.

Sie machte das Licht heller und sah, was neben ihm war.

»Oh nein.« Sie eilte vorwärts und kniete sich auf den Boden. Cerys Gesicht war bleich, seine Augen geschlossen. Sie konnte kein Anzeichen einer Verletzung erkennen. Als sie die Hand auf seine Stirn legte, sandte sie ihre Sinne aus – und wich sofort zurück. »Oh nein.«

»Es ist zu spät, nicht wahr?«, fragte Gol mit gepresster Stimme.

Ihr Herz schnürte sich zusammen, dann sah sie sich im Raum um. Wo ist Anyi?

»Ja. Was ist passiert?«

»Ich weiß es nicht. Skellin hat nichts mit ihm gemacht. Wollte ihn wegbringen. Aber … er ist einfach zusammengebrochen.«

Widerstrebend streckte sie die Hand aus, berührte Cerys Körper und zwang sich, ihn erneut zu untersuchen. Sie hatte ihre heilenden Kräfte noch nie zuvor bei einem Toten eingesetzt. Der Mangel an Persönlichkeit, die geistige Stille, der Mangel einer natürlichen Barriere, die den Willen eines anderen abstieß, all das war schockierend für sie. Aber wenn Skellin dies getan hatte …

Nein. Der Schaden war klar, sobald sie ihn gefunden hatte. Cerys Herz hatte versagt. Nicht dass Skellin es nicht indirekt verursacht hätte, indem er Cery gezwungen hatte, hier zu leben und ständig um seine Sicherheit zu bangen. Und um Anyis Sicherheit.

Anyi. Sie zog ihre Sinne zurück, öffnete die Augen und sah Gol an. Er war nach vorn gesackt und atmete schnell. Sein Gesicht war verzerrt vor Schmerz, aber sie verstand plötzlich, dass es nicht nur der Schmerz der Trauer war.

»Was ist … bist du verletzt?« Sie griff nach seinem Arm, dann zuckte sie zusammen, als ihre Sinne sich einer Flut der Qual öffneten. Sie kam aus einem unteren Bereich seines Körpers. Aus seinen Beinen. Sie ließ seinen Arm los und packte ihn an den Schultern. »Leg dich hin.«

Er tat wie geheißen und sog scharf den Atem ein, während er sich bewegte. Sobald er flach auf dem Boden lag, hielt sie ihr Licht über seine Beine.

»Nicht«, sagte er. »Geht. Findet … sie. Findet … Anyi.«

Sie erstarrte. Von irgendwo tief in ihr stieg ein schreckliches Grauen auf. »Wo ist sie?«

»Skellin … hat sie mitgenommen.«

»Wann?« Ihre Gedanken rasten. Sie stand auf. Cery war noch nicht lange tot. Skellin konnte immer noch in den Gängen sein. Wenn sie jetzt aufbrach, würde sie ihn vielleicht fangen. Anyi retten. »Aber warum hat er sie mitgenommen? Warum hat er sie nicht getötet?«

»Ihr.« Gol keuchte, schnappte nach Luft und hielt sie an. »Will Euch. Wird … eine Nachricht schicken. Wo … Ihr Euch treffen sollt.«

Sie malte sich aus, wie sie Skellin einholte. Wie sie gegen Skellin kämpfte. Sie schüttelte den Kopf. Er wird nicht gegen mich kämpfen. Er wird einfach ein Messer an Anyis Kehle drücken. Oder etwas mit Magie tun. Er wird sie benutzen, um zu fliehen. Und mich mitzunehmen. Und mich dazu zu bringen, ihn schwarze Magie zu lehren.

Würde es anders laufen, wenn sie auf seine Nachricht wartete? Vielleicht würde er Anyi in der Zwischenzeit foltern.

Nein. Er wird ihr nichts zuleide tun. Nicht, wenn er will, dass ich ihn unterrichte.

Er könnte ihr unbeabsichtigt wehtun, wenn sie jetzt hinter ihm her eilte.

Wenn sie auf die Nachricht wartete, auf das Treffen wartete, würde sie Zeit haben, sich zu überlegen, wie sie Anyi retten konnte, ohne Skellin schwarze Magie zu lehren. Zeit, sich zu stärken. Zeit zu entscheiden, wie ich Anyi sagen werde, dass ihr Vater tot ist.