»Beides wäre ein Problem.« Rothen trommelte mit den Fingern auf den Stuhl, eine nachdenkliche Falte zwischen den Brauen.
»Weiß Skellin, was ein Blutring ist?«, fragte Jonna. »Er könnte ihn bemerken und sie dazu zwingen, ihn abzulegen.«
Lilia schüttelte den Kopf. »Ich soll keinen Blutring tragen, der aus dem Blut einer dritten Person gemacht ist – ich soll nur Ringe mit Soneas und Kallens Blut tragen.«
Rothen nickte. »Natürlich. Wer immer das Blut beigesteuert hat, wäre in der Lage, Eure Gedanken zu lesen, und dann könnte er etwas über schwarze Magie erfahren. Also muss Gol einen Ring tragen, der aus Eurem Blut gemacht ist.«
Lilia wandte sich an Gol. »Und du musst ihn zerstören, falls irgendjemand versucht, ihn in die Hände zu bekommen.«
»Anderenfalls könnte der Ring gegen Lilia benutzt werden.« Rothen schüttelte den Kopf. »Wenn es nur eine andere Möglichkeit gäbe, Euch zu folgen. Es ist nicht so, als würden wir häufig Magier suchen …« Er holte schnell Luft, und seine Augenbrauen zuckten in die Höhe. »Ah! Natürlich! Sonea! Wir haben Sonea gefunden, bevor sie der Gilde beitrat, indem wir gespürt haben, wenn sie Magie benutzte.« Er sah Lilia an. »Ihr werdet nur Magie zu benutzen brauchen, ohne es zu verbergen. Das Verbergen der Benutzung von Magie war eine Eurer frühesten Lektionen.«
Sie nickte. Jedes Jahr, wenn neue Novizen der Gilde beitraten, spürte sie, wie einige von ihnen Magie übten, bevor sie gelernt hatten, diese Magie zu verbergen. »Aber wird Skellin das nicht ebenfalls spüren?«
»Nur wenn er versucht, es zu tun. Wenn Ihr etwas Geringes, aber Beständiges tut, zum Beispiel einen Schild aufrechterhalten, wird das vielleicht die Chance verringern, dass er es bemerkt.«
»Also verfolgt Ihr meine Spur mittels Magie«, sagte Lilia, »während Gol meinen Blutring trägt, weil er eher herausfinden kann, wo ich bin.«
»Sobald Ihr Lilia bei Skellin entdeckt habt – seid Ihr stark genug, um gegen ihn zu kämpfen, falls etwas schiefgeht?«, fragte Jonna Rothen.
»Gegen Skellin und Lorandra«, fügte Gol hinzu.
Rothen runzelte die Stirn und schüttelte den Kopf. »Ich bezweifle es. Aber zusammen sind Lilia und ich vielleicht stark genug. Wir können es nicht riskieren, einen anderen Magier hinzuzuziehen, für den Fall, dass die betreffende Person Skellins Quelle ist. Ich wünschte, Dannyl wäre hier«, fügte er leise hinzu.
»Ich kann so stark sein, wie ich muss«, erklärte Lilia, fing Rothens Blick auf und hielt ihn fest.
Er verzog das Gesicht. »Es wäre besser, wenn Ihr es vermeiden würdet, das Gesetz gegen die Verwendung von schwarzer Magie ohne Erlaubnis zu brechen. Aber … vielleicht können wir es ein wenig verbiegen. Ich gebe Euch als Höherer Magier die Erlaubnis, aber das erfüllt das Gesetz nicht zur Gänze, da einem solchen Tun alle Höheren Magier zustimmen sollen.«
Lilia schaute zu Boden. Falls irgendetwas schiefgeht und die Gilde nicht damit einverstanden ist, dass er das Recht gebeugt hat, wird er seine Position verlieren. »Seid Ihr Euch sicher?«
»Ja. Euch zu erlauben, zu diesem Treffen zu gehen, obwohl die Möglichkeit besteht, dass Ihr gezwungen werdet, einem Dieb und wilden Magier schwarze Magie beizubringen, ist viel schlimmer, als Euch zu erlauben, Euch zu stärken, indem Ihr Freiwillige benutzt. Und ich kann Euch heute Abend meine Stärke geben.«
»Und meine«, sagte Jonna.
»Meine ebenfalls«, fügte Gol hinzu.
Rothen nickte. »Ich werde meine Stärke über Nacht wiedergewinnen.«
»Wir auch?«, fragte Jonna.
»Ja.«
»Dann nehmt auch morgen von mir Kraft«, meinte Jonna. »Es ist nicht so, als würde ich sie brauchen. Vielleicht wird Lilia, wenn wir ihr genug Magie geben, in der Lage sein, Skellin hierher zurückzuschleifen.«
»Konzentrieren wir uns darauf, Anyi zurückzubekommen«, sagte Rothen.
»Natürlich«, pflichtete Jonna ihm bei. »Aber wenn eine Chance besteht, gleichzeitig Skellin zu fangen, lasst es uns tun. Es wird langsam Zeit, dass der König der Unterwelt zum Bewohner des Ausgucks wird.«
Der Abendhimmel verdunkelte sich langsam. Es waren keine Wolken da, die die Sonne in farbenprächtige Schattierungen tauchen konnte. Lorkin, der vom Dach nach unten schaute, fragte sich, wie dies dieselbe Stadt sein konnte, die er vor so langer Zeit mit Dannyl zum ersten Mal betreten hatte, aufgeregt über die Aussicht, Assistent des Gildebotschafters in Sachaka zu sein. Es fühlt sich an, als sei es Jahre her, aber seit unserer Ankunft ist nicht einmal ein ganzes Jahr verstrichen.
Obwohl die Mauern und Gebäude sich nicht verändert hatten, seit Lorkin Arvice in dem Sklavenwagen verlassen hatte, hatte die Bevölkerung sich durchaus verändert. Zuvor waren Sklaven durch die Straßen geeilt und hatten sich von Kutschen, in denen ihre Herren saßen, ferngehalten. Jetzt wimmelte es auf den Straßen von Menschen, als ehemalige Sklaven aus dem Stadtzentrum flohen, die meisten zu Fuß und einige in gestohlenen Kutschen und Wagen.
Eine kleine Gruppe hatte gewartet, als Savara und ihre Mitstreiter vor der Schlacht in dem Herrenhaus ankamen, das sie als Treffpunkt ausgewählt hatten. Nachdem sie die Stärke genommen hatten, die die ehemaligen Sklaven ihnen anboten, hatte Savara sie weggeschickt und ihre Truppe – jetzt über sechzig Verräterinnen – in zwei Gruppen eingeteilt: Eine sollte beobachten und Wache halten, die andere eine Mahlzeit und Unterkunft organisieren. Während die Arrangements getroffen wurden, ging Savara aufs Dach hinauf.
»Warum versuchen die Ashaki nicht, sie daran zu hindern, die Stadt zu verlassen?«, überlegte Lorkin laut.
»Der Sklave eines anderen Mannes ist das Problem eines anderen Mannes«, zitierte Savara. »Sie sind wahrscheinlich zu beschäftigt mit dem Versuch, ihre eigenen Sklaven an der Flucht zu hindern, um sich um die Sklaven anderer Leute zu sorgen.«
»Auf den meisten Gütern sind die Sklaven ständig gekommen und gegangen«, erklärte Tyvara ihm. »Wie sonst konnten sie Essen und andere Waren auf das Gut bringen? Alles, was sie dort festgehalten hat, war die Tatsache, dass sie nirgendwohin fliehen konnten. Ein entflohener Sklave wurde irgendwann eingefangen und zu seinem Herrn zurückgeschickt.«
»Wenn ein Ashaki es nicht schafft, alle Sklaven zusammenzutreiben und an einem Ort einzukerkern, kann er sie nicht daran hindern wegzukommen.« Savaras Augen wurden schmal, als sie über die Dächer blickte. »Und viele der Ashaki sind nicht zu Hause, sondern kämpfen gegen uns.«
Lorkin folgte ihrem Blick. Wie viele dieser Herrenhäuser bargen Ashaki, die sich auf die Schlacht gegen sie vorbereiteten? Wie viele Häuser standen leer? Bisher hatten Savaras Leute nur gegen kleine Gruppen von Ashaki gekämpft. Er hatte sich darüber gewundert, aber Berichte über Nachrichtensteine hatten von einer größeren, besser organisierten Armee von Ashaki westlich der Stadt gesprochen. Nachdem diese Armee eine ihrer Gruppen überrascht und besiegt hatte, hatte Savara den Verräterinnen in diesem Gebiet befohlen, jede Begegnung zu vermeiden und sich Gruppen im Norden und Süden anzuschließen.
König Amakira musste erwarten, dass die Verräter sich zusammenschließen würden, um eine einzige Armee zu bilden, sobald sie die Stadt erreichten. Savara hatte angedeutet, dass sie das irgendwann tun würden, aber für den Moment teilten die Verräter sich in kleinere Gruppen und nutzten die Tatsache aus, dass sie den größten Teil der Bevölkerung Sachakas auf ihrer Seite hatten. Während die Ashaki draußen waren, um auf sie Jagd zu machen, hielten die Verräter sich bedeckt und wurden stärker durch die Sklaven der Ashaki, die sich ihren Herren widersetzten und sich ihnen anschlossen.
Obwohl Lorkin darin einen Vorteil sah, bereitete es ihm auch Sorgen, dass die Spaltung der Verräterinnen in Gruppen sie verletzbar machte. Die Armee des Königs konnte leicht einen der kleineren Trupps der Verräterinnen besiegen. Sie würde durch den Kampf geschwächt werden, mit der Zeit ihre Stärke jedoch zurückgewinnen, während die Verräter … wenn sie erst einmal tot waren, blieben sie tot. Aber wenn die Ashaki sich auf Sklaven stützen, um die Macht wieder aufzufüllen, die sie verbrauchen, werden sie ein Problem haben. Die Sklaven sind größtenteils davongelaufen.