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Es war töricht und anmaßend davon zu sprechen, daß jemand eine Verpflichtung erfüllen sollte, die er nicht anerkannt hatte, aber Sevanna hörte in dem zornigen Murmeln anderer Frauen weitere heftig geäußerte Versprechen, die Aes Sedai ihrem Toh begegnen zu lassen. Nur jene, die Desaine auf Sevannas Befehl hin getötet hatten, blieben stumm. Therava preßte kurz die schmalen Lippen zusammen, aber schließlich sagte sie: »Es wird Euren Befehlen gemäß geschehen, Sevanna.«

An einer leicht zugänglichen Anhöhe führte Sevanna ihre Hälfte der Weisen Frauen zur östlichen Seite des Kampfplatzes. Sie hatte auf dem Hügel bleiben wollen, von wo aus sie einen guten Überblick gehabt hätte -auf diese Weise führte ein Clanhäuptling oder ein Schlachtführer den Tanz der Speere -, aber in diesem einen Punkt fand sie bei Therava und den anderen, die das Geheimnis um Desaines Tod teilten, keine Unterstützung. Die Weisen Frauen bildeten einen scharfen Kontrast zu den Algai'd'siswai, als sie diese in ihren weißen Algodeblusen und den dunklen Tuchröcken und Stolas, mit den glitzernden Armreifen und Halsketten und ihrem von dunklen Kopftüchern zurückgebundenen, hüftlangen Haar aufmarschieren ließ. Trotz ihrer Entscheidung, daß sie, wenn sie an einem Tanz der Speere teilnehmen sollten, mitten hineingehen und nicht auf einem abseits stehenden Hügel warten würden, glaubte Sevanna nicht, daß sie bereits erkannten, daß der wahre Kampf heute ihre Aufgabe war. Nach dem heutigen Tag würde nichts bleiben, wie es war, und Rand al'Thor festzusetzen, war der geringste Teil ihrer Aufgabe.

Unter den Algai'd'siswai konnte man nur von der Höhe aus Männer von Töchtern des Speers unterscheiden. Schleier und Shoufas verbargen Köpfe und Gesichter, und Cadin'sors waren, abgesehen von den Unterschieden im Schnitt, die Clan, Septime und Gemeinschaft kennzeichneten, Cadin'sors. Jene am äußeren Rand der Einkreisung schienen verwirrt und murrten, während sie darauf warteten, daß etwas geschähe. Sie waren mit der Bereitschaft hierhergekommen, mit Aes Sedai-Blitzen zu tanzen, und jetzt bewegten sie sich ungeduldig im Kreis, zu weit hinten, um die Hornbogen einzusetzen, die noch immer in Lederfutteralen auf ihren Rücken hingen. Sie würden nicht mehr allzu lange warten müssen, wenn es nach Sevanna ging.

Die Hände auf den Hüften, wandte sie sich an die anderen Weisen Frauen. »Diejenigen, die südlich von mir stehen, werden unterbinden, was die Aes Sedai gerade tun. Diejenigen, die nördlich von mir stehen, werden angreifen. Vorwärts mit den Speeren!« Mit diesem Befehl wandte sie sich um und wollte die Vernichtung der Aes Sedai beobachten, die geglaubt hatten, sie müßten nur Stahl gegenübertreten.

Aber nichts geschah. Vor ihr brodelte erfolglos die Masse der Algai'd'siswai, und das lauteste Geräusch war das gelegentliche Trommeln der Speere auf Schilde. Sevanna nahm all ihren Zorn zusammen, spulte ihn wie einen Faden von einer Spindel ab. Sie war so sicher gewesen, daß sie, nachdem ihnen Desaines hingeschlachteter Leichnam gezeigt worden war, bereit wären, aber wenn es ihnen noch immer unvorstellbar war, Aes Sedai anzugreifen, würde sie sie in den Kampf jagen, wenn es sein mußte, um sie alle so sehr zu beschämen, bis sie verlangten, das Gai'shain-Weiß anlegen zu dürfen.

Plötzlich schoß eine Kugel reiner Flammen von der Größe des Kopfes eines Mannes im Bogen zischend auf die Wagen zu, dann eine weitere, Dutzende. Der Knoten in ihrer Magengrube löste sich. Weitere Feuerkugeln kamen von Westen, wo sich Therava und die anderen befanden. Rauch begann von den brennenden Wagen aufzusteigen, zunächst graue Rauchfäden, dann dichte schwarze Wolken. Das Murmeln der Algai'd'siswai änderte seine Tonlage, und obwohl sich die Frauen unmittelbar vor ihr kaum bewegt hatten, erkannten sie plötzlich, vorwärtsgehen zu müssen. Rufe hallten von den Wagen her - Männer, die vor Zorn schrien und vor Schmerz brüllten. Welche Barrieren auch immer die Aes Sedai errichtet hatten, sie waren niedergerissen. Es hatte begonnen, und nur ein Ende war möglich. Rand al'Thor würde ihr gehören. Er würde ihr die Aiel liefern, damit sie die Feuchtlande einnehmen konnte, und würde ihr, bevor er starb, die Töchter und Söhne geben, welche die Aiel nach ihr führen würden. Vielleicht würde es ihr sogar gefallen. Er sah in der Tat recht gut aus und war stark und jung.

Sie hatte nicht erwartet, daß die Aes Sedai leicht zu besiegen wären, und so war es auch, Feuerkugeln fielen zwischen Speere, verwandelten in den Cadin'sor gekleidete Gestalten in Fackeln, Blitze zuckten aus einem klaren Himmel und schleuderten Menschen und Erde in die Luft. Die Weisen Frauen lernten jedoch durch das, was sie sahen, oder vielleicht hatten sie es bereits gewußt und vorher nur gezögert. Die meisten lenkten die Macht so selten, besonders dort, wo es außer den Weisen Frauen niemand sehen konnte, daß nur eine andere Weise Frau erkannte, ob jemand von ihnen die Macht lenken konnte. Was auch immer der Grund dafür war - die Blitze fielen erst zwischen die Shaido-Speere, als weitere die Wagen anzugreifen begannen.

Nicht alle erreichten ihr Ziel. Feuerkugeln zischten durch die Luft, einige so groß wie Pferde, Silberblitze fuhren wie Himmelsspeere in den Boden und schossen manchmal seitwärts, als wären sie auf einen unsichtbaren Schild getroffen, explodierten mitten im Flug oder verschwanden einfach völlig. Donnern und Krachen erfüllte die Luft und kämpfte gegen Rufe und Schreie an. Sevanna betrachtete verzückt den Himmel. Es erinnerte an die Schaustellungen der Feuerwerker, über die sie gelesen hatte.

Plötzlich wurde die Welt in ihren Augen weiß. Sie schien zu schweben. Als sie wieder sehen konnte, lag sie ein Dutzend Schritte von ihrem vorherigen Standplatz entfernt flach auf dem Boden, alle Muskeln schmerzten, sie rang nach Atem und war von Schmutz bespritzt. Das Haar stand ihr zu Berge. Andere Weise Frauen lagen ebenfalls am Boden, rund um ein gezacktes Loch im Boden von einem Spann Durchmesser. Dünne Rauchfäden stiegen von den Gewändern einiger der Frauen auf. Nicht alle lagen am Boden - die Himmelsschlacht aus Feuer und Blitzen wurde fortgeführt -, aber zu viele. Sie mußte sie wieder in den Kampf schicken.

Sie zwang sich zu atmen und rappelte sich hoch, ohne sich die Mühe zu machen, sich abzuklopfen. »Schwingt die Speere!« rief sie. Sie ergriff Estalaines kantige Schultern und wollte die Frau hochziehen, erkannte dann aber an ihren starren blauen Augen, daß sie tot war, und ließ sie zurücksinken. Statt dessen zog sie eine benommene Dorailla hoch, entriß einer gefallenen Donnergängerin den Speer und schwang ihn hoch in die Luft. »Vorwärts mit den Speeren!« Einige der Weisen Frauen schienen dies wörtlich zu nehmen und tauchten in die Menge der Algai'd'siswai ein. Andere behielten einen kühleren Kopf und halfen jenen, die aufstehen konnten. Der Feuer- und Blitzsturm ging weiter, während Sevanna entlang der Reihen der Weisen Frauen wütete, ihren Speer schwenkte und schrie: »Schwingt die Speere! Vorwärts mit den Speeren!«