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»Mit der Hochzeit warte noch. Ich bin noch nicht so weit«, sagte er, löste sich von ihr und ging zur Tür. »Komm, lass uns frühstücken.« Und dann lachte er dieses freundliche, leutselige Lachen, das Imperia hasste, weil es ein geschäftsmäßiges Lachen war.

Bramante erlebte den pompösen Einzug Imperias in Chigis Palazzo nur aus der Entfernung. Obwohl sie nicht verheiratet waren, galten sie als das erste Paar Roms, als Traumpaar. Sagenhafter Reichtum und märchenhafte Schönheit hatten sich miteinander vermählt, der König der Bankiers und die Königin der Kurtisanen. Sie gaben prunkende Feste und adelten jedes Fest durch ihre Anwesenheit. Man wetteiferte förmlich darum, ihnen gefällig zu sein und das Paar im eigenen Haus begrüßen zu dürfen. Bramante hielt sich fern und drückte sich immer häufiger darum, auf diesen Festen zu erscheinen. Er liebte seinen kleinen Haushalt, doch Imperia fehlte ihm. Auch noch nach all den Jahren. Er vermisste sie und ihre Zärtlichkeiten, die er von keiner anderen Frau mehr entgegennehmen wollte. Er wurde von Tag zu Tag nachdenklicher und, während er Lucrezia zur Frau heranwachsen sah, auch gläubiger und demutsvoller. Immer häufiger stellte er sich die Frage, in welcher Welt seine Wahltochter leben würde. In Bezug auf die Architektur hegte er keine Zweifel – er war fest davon überzeugt, dass die Bauwerke, die er schuf, und die Veränderungen in der Stadt, die er vorantrieb, das Leben besser machen würden. Doch wie stand es um die Werte? Bramante machte es sich zur Gewohnheit, vor dem Einschlafen in einer italienischen Ausgabe der Bibel zu lesen. Vor allem die zehn Gebote, aber auch das Wahrheitsbuch und den Seher Johannes natürlich, der ihn nicht mehr zur Ruhe kommen ließ, studierte er immer von Neuem.

Schließlich bot ihm Julius II. das Amt des Siegelbewahrers, des Pombatore, an. Dazu musste man nach altem Brauch dem Zisterzienserorden angehören. Für die überschaubare Amtspflicht, die Bullen des Papstes zu siegeln, stand ihm ein einträgliches Salär von achthundert Scudi im Jahr zu, auf das er verzichtete. Es war die geistige Nähe zu dem Schwesterorden der Templer, den Zisterziensern, die ihn reizte. Die Fedeli d’Amore hatten bis zur Auflösung des Ritterordens enge Beziehungen zu diesem unterhalten, denn die Templer hatten schließlich ihr Haus auf den Ruinen des salomonischen Tempels in Jerusalem errichtet. Und die Gefährten der Liebe führten sich auf Salomo und Hiram zurück, den Baumeister des Tempels. Der berühmte Zisterzienser und Heilige Bernhard von Clairvaux war als Protektor der Templer hervorgetreten.

Diese Gründe waren es, die Bramante bewogen, dem Orden der Zisterzienser beizutreten und fortan das grobe, weiße Habit der weißen Brüder zu tragen. Die einen hielten das für eine Marotte, eine Extravaganz des eigensinnigen Künstlers, den man seit der Niederlegung der Säulen der Petersbasilika hinter seinem Rücken nur noch Il Ruinante nannte. Andere spotteten, dass er offensichtlich zu geizig war, sich anständige Kleider zu kaufen. Wenn ihm solches Gerede zu Ohren kam, lachte Bramante nur. Er fühlte sich als Mönch der Baukunst. Die Arbeiten am Cortile di Damaso im Vatikan, am Palazzo dei Tribunali, am Chor von Santa Maria del Popolo und der Wiederaufbau der Kirche von Santi Celso e Giuliano in Banchi waren zur Arbeit an der Via Giulia, am Belvedere und am Petersdom hinzugekommen. Zudem stand er mit dem päpstlichen Protonotar Adriano Caprini in Verhandlungen über den Bau eines Palazzo im Borgo. Und das waren nur die größeren Projekte. Die Zeit, die ihm blieb, widmete er Lucrezia.

Spät kehrte er an einem schönen Sommertag von einem Gespräch mit Raffael zurück. Der Maler hatte ihm gezeigt, was er von den »Disputa« bereits fertiggestellt hatte, und Bramante war überwältigt gewesen. Raffael hatte es verstanden, instinktiv das Denken der Fedeli zu treffen, Picos Idee vom Zusammenfallen der heidnischen Weisheit und der christlichen Offenbarung. Rechts im Hintergrund stand ein heller, freundlicher Tempel, während auf der linken Seite eine Kirche errichtet wurde. Auf dem Fresko konnte Bramante schon Dante und Bernhard von Clairvaux und schließlich zu seiner großen Überraschung auch sich selbst erkennen. Ganz vorn links lehnte er über eine Balustrade und erklärte einem jungen, engelsgleichen Wesen, das Lucrezias Gesichtszüge trug, etwas aus einem Buch. Aber der Engel in Blau und Gold wies nur leicht auf die geheiligte Monstranz hin, auf das Symbol des Wunders der Liebe.

Bramante war so tief berührt von dem Bild, dass er Raffael von den Fedeli erzählte. Er wollte ihn gern in den Geheimbund aufnehmen. Der Maler war überrascht und erklärte, er fühle sich geehrt. Als sie auseinandergingen, hatten sie besprochen, dass die Weihe innerhalb der nächsten vierzehn Tage erfolgen solle.

Den ganzen Heimweg über befand sich Bramante in einer freudigen Hochstimmung. Als er ins Haus trat, verspürte er sogleich eine seltsame Spannung. Er vernahm undeutliche Geräusche und lustvolles Geflüster. Er schlich durch den Durchgang in den kleinen Garten, einen hübschen giardino segreto, den er hatte anlegen lassen. Auf der Marmorbank unter dem mächtigen Sternenzelt entdeckte er einen großen Schatten, der sich bei genauerem Hinsehen als zwei Menschen entpuppte, die sich küssten und miteinander flüsterten. Bei aller Zärtlichkeit wirkten sie unschuldig, suchend und sich behutsam nähernd. Nicht auf die wilde Art, nicht so, wie er Frauen genommen hatte. Das rührte ihn, und er trat vorsichtig näher, um den Diener und eine Magd, wie er vermutete, zu belauschen. Doch dann erkannte er Lucrezia und Antonio. Zornentflammt und auch voller Trauer trat er aus den Büschen. Die beiden jungen Leute stoben erschrocken auseinander. Bramante war sprachlos vor Wut. Lucrezia schlug die Augen nieder, und Antonio erhob sich.

»Ich möchte Lucrezia heiraten, Messèr Donato!«, sagte er mit fester Stimme.

»Sie ist nicht für dich!«, brüllte der Architekt. »Sie ist für einen reichen Mann bestimmt oder für einen Adligen, nicht für einen simplen Baumeister!«

»Aber habt Ihr nicht immer davon gesprochen, dass wir Architekten die Herren der Welt seien?«, hielt Antonio tapfer da4gegen, ohne sich vom Gebrüll seines Meisters beeindrucken zu lassen. Nur fachte er damit Bramantes Zorn noch weiter an.

»Dass du in diesem Haus nicht mehr leben kannst, wirst du wohl einsehen. Geh zurück zu deinem Onkel Giuliano!«

»Maestro …«

»Geh!«, sagte Bramante kalt und wies mit der ausgestreckten Hand zum Haus. »Sofort!«

Lucrezia wollte protestieren, doch er befahl ihr, auf ihr Zimmer zu gehen. Ascanio wies er an, jeglichen Kontakt zwischen ihr und Antonio zu unterbinden.

Teil III –

Der Sturz der Götter

Ihr Reichtum erfüllte alle Welt,

und ihr Ruhm drang bis ans Ende der Erde.

Sie stiegen hinauf bis zu den Sternen,

dachten, sie könnten nicht zu Fall kommen.

Sie wurden übermütig in ihrem Glück

und konnten es nicht ertragen …

In seinem Übermut stürzte der Sünder mit dem Widder

feste Mauern,

und du hinderst es nicht.

Fremde Heiden bestiegen deinen Altar,

betraten ihn übermütig in ihren Schuhen,

dafür, dass die Söhne Jerusalems das Heiligtum

des Herrn entweihten,

die Opfer Gottes in Gottlosigkeit schändeten.

Darum sprach er: Tut sie weit weg von mir,

ich habe keinen Gefallen an ihnen!

Ihre herrliche Schönheit war nichts vor Gott,

entehrt aufs Äußerste.