Lachend wehrte sie ab. Natürlich nicht! Dann blieb ihr Blick an einem Detail hängen, das sie sich nicht zu erklären vermochte. Antonio lächelte stolz über das ganze Gesicht. »Das werden Kamine. Ich habe als Kind im Winter, Spätherbst und frühem Frühjahr immer gefroren, wenn die Feuchtigkeit ins Mauerwerk gedrungen war und von dort nur Nässe und Kälte gegen die Bewohner geschickt hatte.« Dann machte er sie noch darauf aufmerksam, dass er die Decken heben und einen Baderaum einbauen wollte.
»Einen Baderaum?« Erst riss sie vor Staunen die Augen auf, dann schaute sie ihn an, als ob er von Sinnen sei.
»Genau!«, bestätigte er, wobei er sie sanft umarmte. »Wie ihn Raffael dem Bischof Bibbiena im Vatikanpalast einbauen soll. Eine Stuffetta.«
Zwei Tage später bekam Antonio Besuch von Maffeo, den er sogleich ins Atelier führte. Der Bauunternehmer schien schlechter Stimmung zu sein. Wie es so gar nicht seiner Art entsprach, begann er etwas umständlich. Er wisse ja zu schätzen, dass er keinen Maurer entlassen müsste, aber die Zustände auf der Baustelle seien unhaltbar, weil sich die Männer am Westchor gegenseitig auf die Füße träten, und dass bereits böses Blut entstünde zwischen den Firmen und ihren Maurern, weil man zu dicht beieinander arbeitete. »Wir wissen doch alle, dass diese Situation nicht lange andauern wird, und dann werden zwei oder drei Mauermeister ihre Aufträge verlieren. Lass uns an den Konterpfeilern weiterarbeiten!«, schloss Maffeo.
»Donato hat aber im Auftrag des Papstes befohlen, den Westchor so schnell wie möglich hochzuziehen!«, wandte Antonio ein.
»Donato lebt nicht mehr, und der Papst auch nicht. Du musst die Entscheidung treffen.«
Das stellte sich Maffeo bei Weitem einfacher vor, als es in Wirklichkeit war, denn Bramante hatte mit Bedacht die Planung des Baus nicht über die Vierung hinausgetrieben. Nicht einmal die Konstruktion der Kuppel lag in einer fertigen Version vor. Das konnte Antonio dem Bauunternehmer jedoch nicht sagen. Wenn bekannt würde, dass sie ohne Plan, sondern eher nach Eingebung und Einfall gearbeitet hatten, wäre ihr Ruf dahin. Bramante konnte das gleich sein, doch Antonios Karriere würde es vernichten. Unter allen Umständen musste er den Eindruck aufrechterhalten, dass sie nach einem festen Plan gebaut hatten.
Leider waren sie jetzt am Ende der Planungen angekommen. Die Gestalt der Kuppel musste entschieden und die entscheidende Frage geklärt werden, ob sich an die Vierung im Osten, zur Stadt hin, nun ein Langbau anschließen oder ob die neue Peterskirche ein Zentralbau werden sollte. Das würde sich zumindest auf den nordöstlichen und den südöstlichen Pfeiler und die dazugehörigen Konterpfeiler auswirken. Er steckte in einem Dilemma.
»Ich bin nicht Donato!«, gab er schroff zurück. Sollten sie ihn eben für kleinmütig halten, für den ewigen Gehilfen, der sich nicht traute, in die Schuhe des Meisters zu schlüpfen. Besser sie glaubten, dass er feige wäre, als dass sie die Wahrheit erfuhren – dass sie all die Jahre nach Gutdünken gewerkelt hatten.
Maffeo hieb wütend auf den Tisch. »Doch, für uns bist du Donato!« Dabei fiel sein Blick auf die Zeichnungen für den Umbau des Hauses.
»Gib mir noch etwas Zeit, Maffeo. Ich muss erst mit dem Papst reden.«
»Du scheinst ja anderweitig beschäftigt zu sein«, knurrte Maffeo böse.
»Wie meinst du das?«
Der Bauunternehmer deutete auf die Zeichnungen. »Hast einen neuen Auftraggeber gefunden. Nur schade, dass du deine Freunde nicht daran beteiligst.«
»Wenn du eine Zeichnung lesen könntest, wüsstest du, worum es geht«, sagte Antonio, der sich über die Unterstellung ärgerte.
»Und?«, fragte Maffeo, der sich schon zum Gehen gewandt hatte. »Worum geht es denn?« In der Frage lag die Drohung, dass sich Antonio ja nicht einfallen lassen sollte, ihn zum Narren zu halten, nur weil er in der Tat keine Bauzeichnungen zu lesen vermochte. Er konnte auch sonst nichts lesen. Welcher Bauunternehmer hatte schon schreiben und lesen gelernt? Jeder hatte sich wie sein Vater aus dem Maurerstand emporgearbeitet.
»Der Bauherr und Auftraggeber bin ich! Ich will diesen Palazzo umbauen.«
Maffeo grinste. »Lucrezia ist schwanger?«
»Woher weißt du das?«
»Du wärest wohl kaum auf die Idee gekommen, das Haus umzubauen, wenn ihr nicht Zuwachs erwarten würdet. Wenn es überhaupt deine Idee war«, meinte Maffeo mit einem verschwörerischen Schmunzeln und beugte sich interessiert über die Zeichnung, auch wenn er mehr ahnte, als er verstand. »Bau lieber gleich richtig. Ich habe jetzt fünf Kinder und dreimal umgebaut.«
»Nichts anderes habe ich vor«, erklärte Antonio und erläuterte ihm den Plan für den Umbau. Maffeo hatte den einen oder anderen Einwand, zumeist sehr praktischer Natur, aber ansonsten gefiel ihm der Entwurf. Er stieß Antonio vergnügt an und tippte mit dem Zeigefinger auf die Zeichnung.
»Da liegt auch die Lösung für unser Problem. Ich habe doch ohnehin zu viele Leute auf der Baustelle. Ich schicke dir meine besten und vertrauenswürdigsten Männer. Wir müssen es ja nicht an die große Glocke hängen.«
»Wie komme ich möglichst billig an Material?«
»Das bringen meine Männer von der Baustelle mit.«
»Das geht nicht!«
»Machen doch alle so. Solange das im Rahmen bleibt, ist es in Ordnung. Man darf es nur nicht übertreiben, so wie früher.«
»Ich werde alles bezahlen.«
»Tu, was du nicht lassen kannst. Aber jetzt lass uns anfangen. Meine Männer arbeiten im Wettstreit mit deinem Kind. Es soll doch alles fertig sein, wenn es zur Welt kommt!«, lachte Maffeo.
»Oh ja, das soll es«, seufzte Antonio erleichtert.
Gleich nachdem Maffeo gegangen war, eilte er zu Lucrezia, die in der Küche den Dienern Anweisungen für den Tag gab. Er zog sie mit sich ins Atelier und verkündete ihr, dass am nächsten Tag mit dem Umbau begonnen würde. Er war glücklich und mit der Lösung sehr zufrieden. Lucrezia riet ihm, nicht allzu laut zu verkünden, dass er alles bezahlen würde, bevor er nicht alle Kosten kennen würde. Zwischen Ehrlichkeit und Dummheit bestünde ein großer Unterschied, das hatte sie zumindest bei Donato gelernt.
»Warst du beim Papst?«, fragte sie ihn.
»Nein, er ist immer noch nicht zurück.«
»Dann musst du mit Raffael sprechen!«
Er zuckte ärgerlich zurück. Musste sie ausgerechnet jetzt den Schorf von seinen Wunden reißen?
»Was soll ich denn mit Raffael besprechen?«
»Er ist der leitende Architekt.« Antonio verdrehte die Augen. »Ich weiß, es tut weh, dass Donato ihn dir vorgezogen hat. Aber vielleicht ist es gut so. Donato wusste, was er tat.«
»Ja, weil er es mir nicht zugetraut hat. Traust du mir das auch nicht zu?«
Lucrezia stöhnte. Wie oft hatten sie darüber schon gesprochen! Dann umarmte sie ihn. »Vielleicht solltest du Abstand nehmen von der Baustelle bei Sankt Peter und dir langsam, aber sicher andere Aufträge suchen.«
»Es ist meine Baustelle!«
»Tonio, es ist nicht deine Baustelle, es ist die Baustelle des Papstes. Hat sich denn Baldassare Peruzzi als Architekt für den Petersdom beworben?«
»Nein, aber der hat ohnehin mehr Aufträge, als er schaffen kann!«
Sie lächelte. »Er weiß, warum er einen großen Bogen um dieses Projekt macht. Und Raffael? Hat der sich in die Arbeit gestürzt?«
Antonio schüttelte betreten den Kopf. Nicht ein einziges Mal hatte sich der Maler aus Urbino auf der Baustelle blicken lassen. Im tiefsten Inneren seines Herzens verübelte ihm Antonio, dass er weder zu ihm gekommen noch nach ihm geschickt hatte, um sich mit ihm über den Fortgang der Arbeiten zu beraten.
»Es heißt, Raffael arbeite für Agostino. Er malt ein Fresko in dessen Palazzo und beschäftigt sich mit Plänen für die Gestaltung seiner Kapelle in Santa Maria del Popolo.«
»Wo deine Mutter beigesetzt ist?«