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Der Papst nickte zufrieden. Bramantes Blick und der des Kardinals kreuzten sich wie scharfe Klingen.

»… aber«, sagte Giacomo.

»Aber …«, sagte der Architekt.

»Aber?«, fragte Julius ungeduldig. Er verabscheute das Wort, wenn es jemand im Gespräch mit ihm gebrauchte. »Was aber?«

»Nun ja …«, Bramante versuchte verzweifelt, Zeit zu gewinnen. »Da wäre noch ein wichtiges Thema zu besprechen, das keinen Aufschub duldet, ein Thema, das in aller Demut und im Wissen der Nichtigkeit meiner Person vor Gott und natürlich auch vor Euch, Heiliger Vater, und vor Seiner Eminenz Egidio von den ehrenwerten Augustinern und natürlich auch vor Euch, Frà Giacomo, unbedingt besprochen werden muss, weil es, wie soll ich sagen, sich eben nicht mehr aufschieben lässt, denn es wäre eine Sünde, es weiter aufzuschieben, auch wenn ich mir hinwiederum bewusst bin, damit vielleicht Eure erlauchten Ohren zu beleidigen. Aber wie kann die Wahrheit sie beleidigen, und vielmals bitte ich auch dafür um Entschuldigung, dass ich Euch möglicherweise damit beleidigt habe, geglaubt zu haben, Euch mit dem, was ich jetzt zu sagen habe, zu beleidigen. Das Notwendige jetzt nicht zu besprechen wäre abgrundtief falsch, sozusagen ein Abgrund von Falschheit, verwerflich und falsch, ja falsch, also, aus all diesen Gründen es deshalb jetzt nicht zu besprechen, versteht mich nicht falsch, Heiliger Vater. Aber ich stamme von Bauern ab, mein Vater und übrigens auch mein Großvater, die am lieblichen Monte Asdrualdo, wisst und versteht, ebendort, wo Asdrualdo …«

»Bis jetzt verstehe ich gar nichts, mein Sohn. Ist dir nicht gut, Donato?«, fragte der Pontifex schroff und besorgt zugleich. Dabei musterte er den Architekten scharf.

Schritte an der Tür lenkten die Aufmerksamkeit der Anwesenden zum Eingang des Saals. In feierliches Schwarz gekleidet trat Agostino Chigi ein, verneigte sich vor dem Papst, fiel auf die Knie und küsste ihm die Pantoffeln.

»Steh auf, mein Sohn«, sagte er. »Du kommst gerade recht, Unser Sohn Donato scheint ein wenig verrückt geworden zu sein.«

»Irrsinn habe auch ich zu vermelden«, sagte der mächtige Bankier mit unheilvoller Miene. Giacomo spürte, dass irgendetwas schiefgelaufen war.

»Was gibt es, Agostino?«, fragte Julius II. stirnrunzelnd.

»Heiliger Vater, ich habe ein frommes Mädchen adoptiert, Lucrezia, die Tochter der von uns allen geschätzten Imperia. Nun, sie wurde entführt!«

Augenblicklich verfärbte sich das Gesicht des Stellvertreters Christi. »Wer wagt diese Gewalttat unter Unseren Augen?«, rief er voller Empörung.

»Weiß man schon, wer hinter der abscheulichen Tat steckt?«, fragte Giacomo. Chigi wandte sich ihm zu und durchbohrte den Dominikaner mit Blicken, während er antwortete. »Tüchtige Männer konnten das Mädchen befreien, gottlob!«

»Gepriesen sei Gott«, seufzte der Erzpriester heuchlerisch. Er fühlte sich elend. Sein Plan war an der Dummheit der gedungenen Kerle gescheitert. Er hatte am falschen Ende gespart und würde jetzt sehr auf der Hut sein müssen, damit die Intrige nicht auf ihn zurückfiel.

»Du hast die Frage Frà Giacomos nicht beantwortet, lieber Agostino. Weißt du, wer hinter der Entführung steckt?«, hakte der Papst nach.

»Ein Bischof oder ein Kardinal«, antwortete Chigi und sah dabei erneut zu dem Erzpriester hinüber. Dieser hielt dem Blick stand und hatte eine undurchdringliche Miene aufgesetzt. Wie immer, wenn Gefahr drohte, arbeitete Giacomos Gehirn kalt und präzise.

Der Papst hieb so fest mit der Faust auf den Tisch, dass die Gänsefedern aus dem Tintenfass sprangen und Tinte verschüttet wurde. »Das ist unerhört. Schafft das Gesindel in die Engelsburg, damit es peinlich nach den Auftraggebern befragt wird.«

Chigi verzog das Gesicht und erklärte, dass leider alle bei der Befreiung getötet worden seien. Der Dominikaner atmete auf und dankte im Stillen Gott. Er hatte zwar verloren, aber er war nicht verloren. Eine Niederlage in der Schlacht bedeutete längst nicht, dass der Krieg nicht doch noch zu gewinnen war. Am Ende wäre derjenige der Sieger, der den längeren Atem hatte.

»Können Wir etwas für Unsere Tochter tun?«, fragte der Papst.

Chigi kniete nieder und senkte den Kopf. »Heiliger Vater, ich erbitte Euren Schutz für meine Tochter Lucrezia.« An Giacomo gewandt fuhr er fort: »Und auch Eure Protektion, hochverehrte Eminenz.« Der Erzpriester stand da wie zur Salzsäule erstarrt. »Schwört bei Gott, dass Ihr sie immer schützen werdet!«

In Giacomos Ohren klang der letzte Satz wie eine Erpressung. Sie schienen doch etwas in der Hand zu haben – nicht genug, um ihn zu vernichten, ausreichend aber, um ihm zu schaden. Es war nicht klug, das jetzt vor dem Papst auszuloten.

»Also, meinen Schutz soll die tapfere junge Person genießen«, verkündete der Stellvertreter Christi. »Was sagst du, Giacomo?«

»Ich schwöre bei Gott und allem, was mir heilig ist, dass ich sie vor allem Unbill bewahren will und sie von heute bis zu meinem letzten Tag auf Erden unter meinem Schutz steht!«, antwortete Giacomo feierlich.

Chigi lächelte zufrieden.

»Was ist jetzt mit dem Aber? Was wolltest du Uns vorhin mitteilen, Donato? Worüber muss nun gesprochen werden?« Alle schauten den Papst verblüfft an.

»Wir müssen über die Finanzierung sprechen, Heiliger Vater«, hob Bramante an, der nur mühsam den Faden wiederaufnehmen konnte, so erleichtert war er.

Das Gesicht des Papstes wurde zu einem einzigen Fragezeichen. Man konnte ihm ansehen, dass er das verworrene Geschwätz des Architekten mit dessen Antwort nicht in Zusammenhang zu bringen vermochte. Bevor er aber nachfragte, sprang Chigi dem Baumeister zur Seite. »Der ehrenwerte Donato hat recht, denn Grabmal und Dom – beides können wir uns nicht leisten.«

»Außerdem … Eure Heiligkeit, erlaubt Ihr, dass ich offen rede?«, fragte Bramante.

»Nur zu!«, ermunterte ihn der Papst.

»Das Volk sagt, es bringt Unglück, wenn man zu Lebzeiten bereits sein Mausoleum errichtet.«

Julius sah seinen Baumeister skeptisch an, während der Kardinal innerlich vor Wut kochte. »Was sagst du, Giacomo?«

»Messèr Donato hat recht.«

Der Papst wog unschlüssig sein Löwenhaupt. »Deine Meinung, Egidio?«

»Es ist unwichtig, ob es so ist oder nicht. Das Volk glaubt es. Und für das Volk beschwört Ihr damit das Unglück auf Euer Haupt. In einer schwierigen Situation, in der wir das Volk vielleicht benötigen, wird es uns deshalb abspenstig. Ich rate ab.«

»Wie immer weise, mein Freund«, sagte der Papst und nickte.

»Hinsichtlich der Finanzierung habe ich einen Plan«, verkündete Chigi.

»Lass ihn Uns hören!«, forderte Julius ihn auf.

Der Bankier wandte sich direkt an den Dominikaner. »Wären Eure Brüder vom Predigerorden in der Lage, den Ablasshandel flächendeckend und professionell zu organisieren?«

Die Schmach brannte in Giacomos Seele wie Schwefel. Sie wollten ihn einbeziehen, dadurch unschädlich machen und zum Geldbeschaffer erniedrigen!

»Gern werden meine Brüder und ich eine solch ehrenvolle Aufgabe übernehmen.«

Seine Eminenz Giacomo Kardinal Catalano, der Kirchenfürst im Ordenshabit, der Asket, der Anhänger der Zelanti, der Tiefreligiöse hatte in seinem ganzen Leben keine schlimmere Niederlage hinnehmen müssen. Was wollte ihm Gott damit zu verstehen geben? Warum schenkte er den Heiden den Sieg und nicht ihm, seinen treuen Sohn? Aber er erlaubte sich keinen Zweifel am Allmächtigen, nur an seinem eigenen, kleinen Menschenverstand, der den Willen des Herrn offenbar nur unzureichend zu deuten wusste.

Die Abendsonne tauchte das Atrium der Basilika in ein warmes Licht. Zeisige und Rotkehlchen sangen. In der Bronze des Pinienapfels badete der Wärme schenkende Stern. Der Erzpriester nahm all diese Gottesgaben nicht wahr, als er den Vorhof durchquerte. Zu tief war er in seine Gedanken versunken. Er hatte gerade seinen Palazzo erreicht, wo er Andacht zu halten und sich zu geißeln gedachte, als ihm ein abenteuerlich aussehender Mann in den Weg trat.