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Der junge Architekt griff mit der rechten Hand in die Masse, hob etwas hoch und ließ es wieder in die dickflüssige Masse zurückgleiten. »Was immer das auch sein mag, darin ist weder Ziegenmehl noch Puzzolanerde!«

Nach diesen Worten riss Baggio einem Arbeiter die Schaufel aus den Händen, hob sie in die Luft, um das Blatt längs auf Antonios Schädel niedersausen zu lassen. Geistesgegenwärtig griff Maffeo, der hinter Baggio stand, mit beiden Händen das Blatt und zog es kräftig mit einem Ruck nach hinten. So aus dem Gleichgewicht gebracht, setzte sich der Maurermeister auf den Hosenboden. Antonio warf Maffeo einen dankbaren Blick zu, bevor er sich an Baggio wandte.

»Sammle deine Leute und dein Werkzeug ein, und dann verschwinde von der Baustelle!«

Baggio erhob sich. »Ich werde mich bei der Bauhütte beschweren. Kommt mit, und ich zeige Euch, welch guten Guss meine Leute herstellen!«

Der Einarmige stapfte vornweg, gefolgt von Antonio und Maffeo. Auf dem Mischplatz lagen große Haufen von Puzzolan und Steinen. Diese grauschwarze Gussmasse allerdings unterschied sich deutlich von der, die zwischen das Mauerwerk gefüllt wurde. Antonio warf Maffeo einen ratlosen Blick zu. Er konnte sich keinen Reim darauf machen. Dieser wies ihn mit seinen Augen zu einer Bauhütte. Er verstand und lief nun auf die Holzhütte zu. Als er die Tür öffnete, entdeckte er Arbeiter, die Steine, Erde und Sand mischten. Der Architekt wandte sich um und sah in Baggios ungerührtes Gesicht.

»Ich verstehe, eine Fuhre Puzzolanguss und zwei oder drei Ladungen Dreck. Ein einträgliches Geschäft!«, knirschte er.

»Wie viel willst du?« Antonio verstand die Frage nicht. Baggio lächelte schmierig. »Du bist ja ein ganz Ausgekochter. Tu bloß nicht so, ihr nehmt doch alle Geld!«

»Verschwinde!«, rief der Baumeister zornig, worauf ihn der Bauunternehmer verwundert ansah. »Du bist entlassen!«, fügte Antonio deutlicher hinzu.

»Dir könnte eines Tages so ganz aus Zufall ein Stein auf den Kopf fallen«, sagte der einarmige Baggio und spuckte verächtlich aus. »Willst du das wirklich riskieren? Überleg es dir gut. Reich und gesund oder arm und tot!«

Antonio wurde blass vor Zorn. Seine Stimme zitterte. »Von heute ab bete, Baggio. Bete für meine Gesundheit. Sollte mir etwas passieren, wirst du auf dem Campo dei Fiori gevierteilt, denn ich werde deine Drohung aktenkundig machen. Bete für meine Sicherheit! Und jetzt pack dich!«

Der Bauunternehmer lachte höhnisch, wobei er die schwarzen Zahnstummel in seinem von Bartstoppeln umstandenen Mund sehen ließ. »Bramante wird dich durchprügeln, wenn er erfährt, dass du die erfahrenen Bauleute vertreibst! Wie willst du so das Werk schaffen? Du verstehst einfach nichts vom Bauen! Dabei ist dein Onkel ein großer Baumeister.«

»Pfuschen nennst du also bauen?«

»Geschwätz von grünen Jungen! Wir haben es immer so gehalten. Ich kenne keinen Baumeister, der sich für die Steine oder das Opus incertum oder das Opus caementitium interessiert. Warum wohl? Du musst noch viel lernen, Schwachkopf! Sehr viel.« Baggio rief seinen Altgesellen Jacopo herbei und gab ihm Anweisungen. Seine Männer sollten das Werkzeug einsammeln und die Baustelle verlassen. Die Bauhütte sollte abgebrochen und die Puzzolanasche, die Steine, der Sand und das Ziegenmehl verladen werden. »Denk an meine Worte! Du wirst noch auf Knien angerutscht kommen und mich bitten zurückzukehren!« Mit einem unheilverkündenden Blick verließ er den Bauplatz.

Beim Abendessen in Bramantes kleinem Palazzo gab sich Antonio einsilbig. Obwohl es Pasta mit Speck und frischen Kräutern gab, was er sehr mochte, bekam er kaum einen Bissen herunter. Angst hatte ihn gepackt. Denn Baggio war ein alter Hase, was das Bauen betraf. Und wer sich so lange in diesem rauen Gewerbe gehalten hatte, den sollte man sich nicht zum Feind machen. Der Einarmige kannte alle Schliche und besaß eine gehörige Portion Skrupellosigkeit. Weder seinen Onkel noch Bramante konnte Antonio um Rat fragen, denn der eine baute in der Toskana und der andere leistete noch immer dem Papst in Bologna Gesellschaft.

»Entschuldige, Antonio, dass ich so schlecht gekocht habe«, brachte Lucrezia schließlich hervor. Sie konnte nicht mehr mit ansehen, wie er missmutig im Essen herumstocherte.

»Am Essen liegt es nicht«, sagte er, ohne den Blick zu heben.

»Woran dann?«

Er wich ihrem Blick aus und starrte auf seinen Teller.

»Es gehört sich, dass du antwortest, wenn sie dich etwas fragt!«, wies ihn Ascanio zurecht. Das war zu viel. Jetzt wagte auch noch der Leibwächter ihn zu belehren! Antonio sprang auf und wollte den Tisch verlassen. Doch Ascanio stellte sich ihm in den Weg und drückte den jungen Mann, der im Vergleich zu ihm ein Hänfling war, auf den Stuhl zurück. »Wir gehören alle zu Messèr Donatos famiglia. Ob wir beide uns mögen oder nicht, ist nicht von Belang. Das Einzige, was zählt, ist, dass man in einer famiglia gegen die anderen zusammenhält. Was ist geschehen?«

Antonio schaute missmutig drein, doch dann begann er, stockend und widerwillig zu erzählen.

»Ob es klug war, den Kampf anzufangen, weiß ich nicht. Aber da es nun einmal so ist, musst du ihn auch gewinnen«, stellte Ascanio nüchtern fest, als Antonio geendet hatte.

»Du schaffst das auch ohne Donatos Hilfe«, sagte Lucrezia eindringlich. »Du schaffst es, Antonio!« Bei ihren Worten durchströmte ihn ein warmes Gefühl. Sie glaubte an ihn, und das bedeutete ihm sehr viel.

Ascanio riet ihm, sich die Konkurrenz unter den Maurermeistern zunutze zu machen, besonders die zwischen den Alten, die sich etabliert hatten, und den Jungen, die ihr Unternehmen erst durchsetzen wollten. »Hör nicht auf die, die etwas zu verlieren haben, sondern verbünde dich mit denen, die etwas gewinnen wollen! Die einen stehen für das Gestern, die anderen für das Morgen. Du bist jung, also entscheide dich auch für die Zukunft. Angriff ist die beste Verteidigung!«

42

Rom, Anno Domini 1506

Als Antonio am nächsten Morgen auf die Baustelle kam, traute er seinen Augen nicht. Am Nordwestpfeiler arbeitete niemand, kein Maurer war am Westchor tätig, und am Konterpfeiler des Südwestpfeilers wurde auch nicht mehr gemauert. Die Steinmetze standen untätig herum, weil sie nicht wussten, für wen sie die Steine zurechtschlagen oder die Ziegel brennen sollten. Auch den drei riesigen Kalköfen, die sich wie kleine, gemauerte Vulkane in den Himmel erhoben, drohte das Feuer auszugehen. Nur Maffeos Leute waren wie gewohnt am Südwestpfeiler tätig.

Antonio erkannte sofort, was das zu bedeuten hatte. Baggio hatte seine vier Kollegen, die in seinem Alter waren, davon überzeugt, ebenfalls die Baustelle zu verlassen. Er wollte ihm eine Lektion erteilen, ihn bloßstellen, ihn gefügig machen. Der Einarmige spekulierte darauf, dass entweder Antonio in der Tat »auf Knien angerutscht« käme oder Bramante zurückkehren und Antonio da Sangallo davonjagen würde. Und selbst wenn er so weit nicht ginge, bekäme der junge Architekt einen Dämpfer, von dem er sich lange nicht erholen würde. Angesichts dieser düsteren Aussichten sank Antonio der Mut. Ratlosigkeit erfasste ihn. Sein Kopf war auf einmal wie leer gefegt, und es gelang ihm nicht, einen klaren Gedanken zu fassen.

Er ging hinüber zu Maffeo, der die Schalung überprüfte. Lucrezias Worte kamen ihm wieder in den Sinn. Ihren Glauben an ihn durfte er nicht enttäuschen. Und vererinnerte sich an die Worte von Ascanio.

»Tut mir leid, Messèr Antonio«, sagte Maffeo und warf ihm einen mitfühlenden Blick zu.

»Schön, dass wenigstens du noch da bist!«, erwiderte Antonio.

»Ich gönne dem alten Spitzbuben den Triumph nicht. Aber ich weiß auch nicht, wie lange ich das noch durchhalte.« Antonio schaute Maffeo an und entdeckte jetzt ein Veilchen, das auf dessen linkem Auge blühte. »Meine Leute werden von den anderen Meistern und ihren Gesellen bedroht und belästigt. Auch verprügelt. Von meinen hundertfünfzig Arbeitern sind heute siebzig der Arbeit ferngeblieben. Wie viele morgen noch kommen, darüber möchte ich lieber nicht nachdenken.«