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»Aber ich habe lediglich mit ihr ein wenig gerungen, sonst nichts!« unterbrach ihn Hewlitt. »Ich habe Ihnen doch schon gesagt, daß Sie ihr das ausrichten sollen.«

»Das habe ich auch getan«, erwiderte der Padre. »Morredeth hat auch nur gesagt, falls Sie etwas getan haben sollten, wäre sie Ihnen dankbar. Wie alle anderen hat auch sie Probleme, an Wunder zu glauben.«

»Es gibt keine Wunder!« stellte Hewlitt nicht zum ersten Mal klar. »Es gibt bloß Naturgesetze, die wir nicht verstehen oder noch nicht erforscht haben. Da wir zum Beispiel wissen, wie dieses Ding hier funktioniert, können wir dieses Wunder auch mehrmals am Tag vollbringen, ohne weiter darüber nachzudenken, stimmt's?«

Während des Sprechens hatte Hewlitt den Kommunikator neben dem Bett eingeschaltet und den Code für das Bibliotheksmenü eingegeben, und jetzt fragte er sich, ob Lioren diesen Wink verstehen und endlich gehen würde. Bei früheren Anlässen hatte er es jedenfalls nicht getan, und wenn der Padre eins war, dann ein Musterexemplar an Beständigkeit, was sein Sitzfleisch betraf.

»Sicher, vor einigen Jahrhunderten wäre eine Bildübertragung ein großes Wunder gewesen«, stimmte Lioren ihm zu. »Daß Morredeth ungeheuer erleichtert und froh ist, muß ich Ihnen ja nicht erst sagen, aber vor allem ist sie enorm stolz auf den Zustand ihres Fells. Sie hat sogar darauf bestanden, daß ich meine Hände auf ihre Flanken lege, um die Dichte und Beweglichkeit zu spüren, und sie hat behauptet, daß es sich noch nie zuvor so gut angefühlt habe. Auf Tarla macht man so etwas nur, wenn man miteinander sehr vertraut ist und eine tiefe emotionale Bindung teilt, aber Morredeth wollte unbedingt, daß ich ihr Fell berühre. Na ja, offen gesagt, war mir das ziemlich unangenehm, denn bei solchen Anlässen kann ich mich in moralischer Hinsicht als ein ganz schöner Feigling entpuppen. Auf alle Fälle war es ein sehr seltsames und höchst unerwartetes Gefühl, das nur sehr schwer zu beschreiben ist. Ich kam mir dabei ziemlich… nun ja, wie soll ich das mal ausdrücken… ?«

»Kamen Sie sich vielleicht ein bißchen lächerlich vor?« half Hewlitt aus. »So ist es mir jedenfalls ergangen, als mir dasselbe mit Horrantor passiert ist. Medalont hat mich nämlich gebeten, meine Hände für einen medizinischen Versuch auf die verletzte Gliedmaße der Tralthanerin zu legen. Nach Aussage des Chefarztes gebe es mit Horrantors Beinverletzung Komplikationen, und die Genesung würde nur sehr langsam voranschreiten. Da offenbar befürchtet wurde, daß etwas Dramatisches passieren könnte, standen Medalont, Leethveeschi, zwei orligianische Krankenschwestern und das komplett angetretene Reanimationsteam bereit. Ich nehme an, daß letztendlich alle, sogar Horrantor selbst, heilfroh waren, daß sich trotz meines Handauflegens nichts tat.

Tja, mit einem zweiten Wunder kann ich also nicht dienen, Padre. Tut mir leid.«

»Sie brauchen sich deswegen wahrhaftig nicht zu entschuldigen«, meinte Lioren. »Außerdem empfinde ich ähnlich wie meine Kollegen; wenn ein solch vermeintliches Wunder geschieht, fühle ich mich immer sehr unwohl in meiner Haut, und es verunsichert mich in dem, an was ich glaube und an was ich nicht glaube, und ich muß umgehend beweisen, daß nichts dergleichen geschehen ist.«

»Natürlich gibt es keine Wunder, Padre«, versicherte ihm Hewlitt nochmals. »Können wir jetzt bitte über etwas anderes reden?«

»Es muß sehr schön sein, sich seiner Sache so sicher zu sein«, sagte Lioren und machte dabei mit den mittleren Armen eine ungestüme Geste, die ein anderer Tarlaner wahrscheinlich hätte deuten können. »Trotzdem frage ich mich, ob in der Schöpfung – in der ungeheuren Weite von Raum und Zeit, den unveränderlichen Gesetzen von Ursache und Wirkung und dem perfekten Gleichgewicht der Kräfte – kein Platz für ein gelegentliches Wunder ist. Doch warum ist es ausgerechnet hier geschehen?«

Hewlitt schüttelte den Kopf und seufzte schwer; anscheinend gab es keine Möglichkeit, den Padre von diesem endlosen Thema überMorredeths Fell und den unvermeidlichen religiösen Debatten abzubringen. »Hier ist gar nichts geschehen. Es gibt keine Wunder, Padre! Würde es welche in Ihrem großen, komplizierten und dennoch wohlgeordneten Universum geben – oder von mir aus auch in der Schöpfung, wie Sie es nennen -, dann wären sie fehl am Platz. Ein Defekt in einem ansonsten so perfekten System. Im Universum ist nun mal kein Platz für Wunder.«

»Ein interessanter, philosophischer Gedanke«, sann Lioren laut nach. »Er läßt darauf schließen, daß unsere Schöpfung fehlerhaft ist, da ja ganz offensichtlich hier im Orbit Hospital ein übernatürliches Ereignis stattgefunden hat. Wenn man sich die hypothetischen Eigenschaften des höchsten Wesens vor Augen hält, warum sollte er, sie oder es irgendeine Form der Unvollkommenheit erschaffen haben?«

»Was weiß ich?« antwortete Hewlitt. »Das ist zwar nicht mein Fachgebiet, aber vielleicht kann man davon ausgehen, daß dieses Universum nur als Modellfall erschaffen wurde – eine Art Prototyp, der dann und wann einer Änderung oder kleinen Feinabstimmung bedarf. Das Eindringen von zufälligen übernatürlichen Ereignissen in ein Universum, das angeblich auf Naturgesetzen basiert, könnte der Beweis für solch eine Form der Unvollkommenheit sein. Na, aber Gott sei dank… huch! Das war nur so eine terrestrische Redensart, Padre. So was rutscht mir nur selten raus…«

»Wenn Sie glauben, daß…«

»Ich glaube an gar nichts, Padre. Ich habe das nur so gesagt.« Der Tarlaner schwieg für einen Augenblick, dann sagte er: »Wenn dieses Universum unvollkommen ist und die Ewigkeit das ist, was sie ist, nämlich ohne Anfang und Ende, folgt doch daraus, daß es auch ein vollkommenes Universum gibt oder gegeben hat oder geben wird. Haben Sie Lust, ein wenig darüber zu philosophieren… ahm… nur so, meine ich?«

»Ich hatte noch keine Gelegenheit gehabt, diesen Gedankengang zu Ende zu führen«, antwortete Hewlitt lächelnd. »Also werde ich versuchen, dies nachzuholen, während ich darüber spreche. Im Gegensatz zu diesem Universum wäre alles perfekt. Es gäbe keine Naturgesetze, wenn esnämlich welche geben würde, hieße das, daß es auch Fehler hätte und gelegentlicher Korrekturen bedürfte. Es gäbe weder Zeit noch Raum und auch keine physikalischen oder mentalen Einschränkungen, so daß jedes Ereignis, das stattgefunden hat, ein Wunder wäre. Ich vermute mal, daß Sie und die anderen Gläubigen, die in dieser unvollkommenen Schöpfung leben, so etwas als Himmel bezeichnen würden.«

»Fahren Sie fort«, ermunterte ihn Lioren. »Das Problem, das ich und sehr viele andere Leute mit den verschiedenen Religionen haben, ist, daß keine davon auch nur ansatzweise erklären kann, warum es so viel Elend oder, genauer gesagt: tragische Unfälle, Naturkatastrophen und Krankheiten gibt, und warum sich einzelne Personen oder ganze Gruppen so entsetzlich feindselig gegeneinander verhalten, kurz gesagt: warum es so viel Leid in diesem Universum gibt. In einer unvollkommenen Schöpfung zu leben bedeutet, daß man weit ausholen müßte, um zu erklären, warum diese Dinge geschehen, besonders dann, wenn man die Erwartung hegt, nach dem Tod in ein vollkommenes Universum zu gelangen.