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Murchison hatte recht gehabt: Die Bilder, die sich vor ihm ausbreiteten, wirkten auf ihn alles andere als einschläfernd, und da er so gespannt war und nichts verpassen wollte, schloß er die Augen allenfalls zum Blinzeln. Er bemerkte weder das Eintreffen von Danalta noch das Verschwinden der Pathologin. Erst als das Deckenlicht angeschaltet wurde, der Bildschirm erlosch und er den sanften Luftzug von Priliclas Flügeln im Gesicht spürte, registrierte er wieder seine Umwelt.

»Guten Morgen, Freund Hewlitt«, begrüßte ihn Prilicla, der über seinem Bett schwebte. »Wir sind bereits aus dem Hyperraum zurück in den Normalraum getaucht und werden in fünf Stunden landen. Ich nehme bei Ihnen die typisch emotionale Ausstrahlung äußerster Erschöpfung wahr, wenngleich Sie sich diesem Zustand ganz bewußt ausgeliefert haben. Es wäre für uns alle nicht sehr angenehm, wenn Sie die ganze Einsatzbesprechung hindurch gähnen würden. Also entspannen Sie sich bitte, machen Sie den Kopf frei, und schließen Sie für zehn Sekunden die Augen, dann werden Sie im Nu schlafen. Vertrauen Sie mir.«

17. Kapitel

Zwar besaß die Rhabwar dieselbe Deltaflügelkonstruktion und die Flugeigenschaften wie die eine leichten Kreuzers des Monitorkorps, aber nicht dessen Bordwaffen. Sie gehörte zur größten im Einsatz befindlichen Schiffsklasse, die sowohl zu Flugmanövern innerhalb einer Atmosphäre als auch zu Landungen imstande war, ohne dabei größere Schäden auf der jeweiligen Planetenoberfläche anzurichten. Letzteres schien jedoch hier auf Etla kein wichtiger Gesichtspunkt zu sein, denn soweit Hewlitt blicken konnte, war die Gegend, in der er in seiner Kindheit herumgetollt war, noch immer so, wie er sie in Erinnerung behalten hatte: ein von Wildwuchs und verrosteten Wrackteilen überwuchertes Brachland. Während das Schiff zur Landung auf einer freien Fläche ansetzte, die sich zwischen seinem ehemaligen Elternhaus und den hohen Baumgruppen befand, durch die die Schlucht hindurchführte, konnte er auf dem Hauptbildschirm mit dem Zeigefinger den Pfad verfolgen, den er vor all den Jahren entlanggegangen war.

Die Lagebesprechung wurde auf dem Unfalldeck abgehalten, da es sich um den größten Schiffsabschnitt handelte. Neben dem medizinischen Team nahmen Captain Fletcher und Hewlitt daran teil sowie das per Bildschirm zugeschaltete graubehaarte Gesicht von Colonel Shech-Rar, dem Kommandanten der auf Etla stationierten Einheit des Monitorkorps. Auf dem Monitor vermittelte der Offizier den Eindruck eines sehr beschäftigten und ungeduldigen Orligianers.

»Der Ruf der Rhabwar und der Ihrer Mannschaft eilt Ihnen voraus Doktor«, unterbrach er Prilicla, noch bevor dieser seine freundlich und ungezwungen vorgetragene Begrüßungsrede beenden konnte. »Lassen Sie uns keine Zeit verlieren. Das Orbit Hospital hat um meine volle Unterstützung während Ihres hiesigen Aufenthalts gebeten. Worum geht es bei Ihrem Einsatz? Wieviel Zeit und welche Form der Unterstützung werden Sie dafür benötigen?«

Hewlitt, der dem Orligianer als ein nichtmedizinischer Berater vorgestelltworden war, fragte sich, ob der Colonel während seiner Dienstzeit lediglich mit zu vielen Kelgianern und zu wenigen Cinrusskern zusammengekommen war, oder ob es sich bei seinem schlechten Benehmen sogar um eine angeborene Charaktereigenschaft handelte.

»Bedauerlicherweise darf ich die genauen Einzelheiten unseres Auftrags nicht preisgeben, Colonel«, antwortete Prilicla ohne feststellbare Veränderung seines freundlichen Auftretens. »Ich kann Ihnen nur sagen, daß er die Untersuchung von Vorfällen umfaßt, die hier auf Etla vor über zwanzig Jahren stattgefunden haben und im wichtigen Zusammenhang mit einem medizinischen Forschungsprojekt stehen könnten, das wir zur Zeit durchführen. Natürlich steht dabei kein galaktisches Geheimnis oder gar die Sicherheit der ganzen Föderation auf dem Spiel, und es handelt sich auch nicht um eine besonders bedeutende oder heikle Angelegenheit. Wenn das der Fall wäre, dann hätte man Sie mit Sicherheit in die Geschichte eingeweiht. Aufgrund der ärztlichen Schweigepflicht können wir zur Zeit allerdings nur begrenzt Informationen preisgeben. Sobald die Untersuchung beendet und ausgewertet ist, wird man Sie bestimmt über die Ergebnisse in Kenntnis setzen.«

»Besteht die Gefahr, daß Ihre Nachforschungen für mein Personal oder für die Einheimischen ein Gesundheitsrisiko bergen?« erkundigte sich Shech-Rar argwöhnisch. »Bedenken Sie bitte, daß Etla früher nicht umsonst als der › kranke Planet‹ bezeichnet wurde. Vor vielen Jahren ist es uns endlich gelungen, ihn von all seinen grauenvollen Krankheiten zu befreien. Außerdem wäre es für unseren immer noch geltenden Kulturkontaktauftrag nicht gerade förderlich, wenn man die Einheimischen unnötigerweise an ihre unrühmliche Vergangenheit erinnern würde. Versuchen Sie bitte nicht, Ihre wahren Absichten hinter einer Fassade komplizierter medizinischer Fachausdrücke zu verbergen, Doktor. Also, können Sie mir wirklich versichern, daß nichts dergleichen passieren wird?«

»Ja«, antwortete Prilicla bestimmt.

Shech-Rar entblößte die Zähne – Hewlitt war sich nicht sicher, ob es sich dabei um ein Lächeln oder um eine mürrische Grimasse handelte -,dann fuhr er fort: »Gut. Das war eine klare und einsilbige Antwort. Wenn ein Raumschiff wie die Rhabwar in vertraulicher Mission hier eintrifft, auch wenn es sich dabei um keinen sonderlich bedeutenden oder heiklen Auftrag handelt, dann macht es einen trotzdem ziemlich neugierig… na ja, mich zumindest. Ist auch nicht so wichtig, Doktor. Also gut, was brauchen Sie von mir, und wie kann ich Ihnen sonst noch behilflich sein?«

Prilicla hatte innerhalb kurzer Zeit die benötigten Dinge aufgezählt, doch konnte man eindeutig an Shech-Rars Stimme erkennen, daß die anfängliche Ungeduld des Orligianers in Mißtrauen umgeschlagen war.

»Ich bin erst fünf Jahre nach diesen tragischen Ereignissen hierher versetzt worden, also trage ich für diese Angelegenheiten auch nicht die direkte Verantwortung«, sagte der Colonel. »Die Ursachen des Flugzeugunglücks, bei dem die Eltern des Patienten ums Leben gekommen sind, was meiner Meinung nach das einzig Wichtige daran ist, sind bereits ausführlich ermittelt worden. Die Untersuchungen haben damals ergeben, daß mehrere Faktoren dafür verantwortlich gewesen waren: ungünstige Witterungsverhältnisse, ein Defekt des Antriebssystem – der sich auch auf sämtliche Kontrollfunktionen auswirkte – und ein Fehlverhalten des Piloten, der nicht gewartet hatte, bis das Unwetter vorüber war. Sie können gern eine Kopie des Berichts haben. Warum nehmen junge Leute, denen noch ein langes Leben bevorsteht, eigentlich immer wieder solch unnötige Risiken in Kauf, während die alten Leute, denen viel weniger Zeit bleibt, so vorsichtig sind?«