«Auf den hier passe ich auf, darauf können Sie Gift nehmen!«beteuerte Cowan.
«Tun Sie das, Sir.«
Robert beobachtete, wie Cowan den Reisepaß in die Jackentasche steckte und sich zum Gehen wandte. Er drehte sich um, wartete, bis sich der Mann dicht hinter ihm befand, und verließ den Raum. Der Mann folgte ihm auf dem Fuße. Als ihnen im Korridor eine Frau entgegenkam, trat Robert einen Schritt zurück und prallte gegen den Mann, als sei er gestoßen worden.
«Oh, entschuldigen Sie vielmals!«sagte Robert, indem er Cowan die Jacke glattzog.
«Nichts passiert«, antwortete Cowan.
Robert wandte sich ab und verschwand mit dem Paß des Mannes in der Tasche auf die Herrentoilette nebenan. Nachdem er sich davon überzeugt hatte, daß er allein war, betrat er eine der Kabinen und holte das bei Ricco geklaute Schneidmesser und die Flasche Flüssigkleber aus der Jackentasche. Als erstes schlitzte er vorsichtig die Oberkante der Plastikbeschichtung auf und zog Cowans Paßfoto heraus. Dann schob er sein eigenes Foto hinein, klebte die Folie wieder zu und begutachtete das Ergebnis. Perfekt. Jetzt war er Henry Cowan. Fünf Minuten später stieg er auf der Via Veneto in ein Taxi.»Leonardo da Vinci.«
Die Uhren des Auslandsterminals zeigten 0.30 Uhr an, als Robert Bellamy aus seinem Taxi stieg. Er blieb vor dem Gebäude stehen und suchte die Umgebung nach irgend etwas Auffälligem ab. Auf den ersten Blick schien alles normal zu sein. Keine Streifenwagen, keine verdächtig aussehenden Männer.
Robert betrat das Terminal und blieb gleich hinter der automatischen Tür stehen. An vielen Schaltern internationaler Fluggesellschaften herrschte noch Betrieb. Soweit Robert sehen konnte, gab es auch hier keine betont unauffälligen Personen, die betont unauffällig herumstanden. Trotzdem blieb er mißtrauisch. Er wußte keine rechte Erklärung für sein Mißtrauen, aber irgendwie erschien ihm alles zu normal.
Genau gegenüber befanden sich die Schalter der Air France. Ich habe Ihren Flug bei der Air France gebucht: Flug 212 um ein Uhr morgens. Robert trat an einen Alitalia-Schalter.»Guten Abend.«
«Guten Abend. Was kann ich für Sie tun, Signore?«»Sie können mir einen Gefallen tun«, sagte Robert.»Würden Sie bitte Commander Robert Bellamy ausrufen? Er möchte ans Fluggasttelefon kommen.«
«Gern«, antwortete die Hosteß und griff nach einem Mikrofon.
Am übernächsten Schalter wollte eine dicke Mittvierzigerin mehrere Koffer aufgeben und diskutierte erregt mit einem Angestellten der Fluggesellschaft, weil sie fürs Übergewicht zahlen sollte.»In Amerika verlangen sie nie was für Übergewicht!«
«Tut mir leid, Madam, aber wenn Sie diese Koffer alle aufgeben wollen, müssen Sie fürs Übergewicht zahlen.«
Robert trat näher heran. Er hörte die Durchsage der Alitalia-Hosteß.»Commander Robert Bellamy bitte ans weiße Fluggasttelefon. Commander Robert Bellamy bitte ans weiße Fluggasttelefon. «
Ein Mann mit Reisetasche und typisch amerikanischem Aussehen ging an ihm vorbei.»Entschuldigen Sie…«, sagte Robert.
Der Mann blieb stehen.»Ja?«
«Ich höre, daß meine Frau mich ausrufen läßt, aber…«Er zeigte auf die Koffer der Dicken.»Ich muß bei meinem Gepäck bleiben. Könnten Sie bitte an das weiße Telefon dort drüben gehen und ihr bestellen, daß ich sie in einer Stunde in unserem Hotel abhole? Damit täten Sie mir einen großen Gefallen.«
«Wird gemacht«, sagte der Mann bereitwillig.
Robert beobachtete, wie er ans weiße Telefon ging und den Hörer abnahm. Er hielt ihn ans Ohr und sagte:»Hallo… Hallo …?«
Im nächsten Augenblick tauchten vier riesige Kerle in dunklen Anzügen auf, stürzten sich auf den Ahnungslosen und drückten ihn gegen die Wand.
«Hey, was soll das?«»Machen Sie keine Schwierigkeiten«, sagte einer der Männer.
«Hey, was bilden Sie sich ein? Lassen Sie mich gefälligst los!«
«Regen Sie sich nicht auf, Commander. Wir müssen.«
«Commander? Da haben Sie den Falschen erwischt! Ich heiße Melvyn Davis. Ich komme aus Omaha!«
«Los, mitkommen!«
«Augenblick! Ich bin reingelegt worden. Der Mann, den Sie suchen, ist dort drüben!«Er deutete zu dem Schalter hinüber, an dem Robert gestanden hatte.
Aber dort stand niemand mehr.
Robert stieg in einen Flughafenbus, der ihn nach Rom zurückbringen würde. Während der Fahrt überlegte er fieberhaft, was er als nächstes tun sollte.
Er mußte unbedingt mit Admiral Whittaker sprechen. Vielleicht konnte er ihm sagen, was hier gespielt wurde. Wer war dafür verantwortlich, daß Unschuldige ermordet wurden, weil sie Zeugen eines UFO-Absturzes geworden waren? Etwa General Hilliard? Dustin Willard Stone? Handelten die Killer auf Anweisung von Edward Sanders, dem NSA-Direktor, oder John Dessault, dem ONI-Direktor? Oder steckten alle unter einer Decke? War vielleicht sogar der Präsident eingeweiht? Auf alle diese Fragen brauchte Robert eine Antwort.
Die Busfahrt ins Zentrum der Hauptstadt dauerte eine Stunde. Als der Bus vor dem Hotel Eden hielt, stieg Robert aus.
Ich muß aus Italien raus, überlegte er sich. Hier in Rom gab es nur einen Mann, dem er vertrauen konnte: Oberst Francesco Cesare, Abteilungsleiter im italienischen Nachrichtendienst SIFAR. Er würde Robert zur Flucht verhelfen.
Oberst Cesare arbeitete noch. Zwischen einem halben Dutzend ausländischer Nachrichtendienste gingen Fernschreiben hin und her — und alle betrafen Commander Robert Bellamy. Der Oberst hatte in der Vergangenheit mit Robert zusammengearbeitet und schätzte ihn sehr. Mit einem Seufzer überflog er noch einmal die vor ihm liegende Blitzmeldung. Liquidieren.
Im selben Augenblick kam seine Sekretärin herein.
«Commander Bellamy ist am Telefon und möchte Sie sprechen. Auf Leitung eins.«
Der Oberst starrte sie an.»Bellamy? Persönlich? Gut, ich danke Ihnen. «Er wartete, bis seine Sekretärin den Raum verlassen hatte, bevor er den Hörer von der Gabel riß.
«Robert?«
«Ciao, Francesco. Was ist los, verdammt noch mal?«
«Das möchte ich von dir wissen, amico. Ich habe deinetwegen alle möglichen dringenden Meldungen bekommen. Was hast du angestellt?«
«Das ist eine lange Geschichte«, sagte Robert.»Die kann ich dir jetzt nicht erzählen. Was hast du über mich gehört?«
«Daß du übergelaufen bist. Daß du dich hast umdrehen lassen und singst wie ein Kanarienvogel.«
«Hör zu, Francesco. In den letzten Tagen habe ich zehn unschuldige Menschen in den Tod geschickt. Und ich soll die Nummer elf werden.«
«Wo bist du jetzt?«
«Ich bin in Rom. Ich schaff s irgendwie nicht, aus eurer Scheißstadt rauszukommen.«
«Cacciatura!« Cesare schwieg einen Augenblick.»Wie kann ich dir helfen?«fragte er dann.
«Bring mich in ein sicheres Haus, in dem wir miteinander reden und überlegen können, wie ich hier rauskomme. Läßt sich das arrangieren?«
«Klar, aber du mußt vorsichtig sein. Verdammt vorsichtig! Ich hole dich selbst ab.«
Robert seufzte hörbar erleichtert auf.»Danke, Francesco. Ich bin dir wirklich dankbar.«»Dafür bist du mir einen Gefallen schuldig. Wo steckst du im Augenblick?«
«In der Lido Bar in Trastevere.«
«Rühr dich nicht von der Stelle. Ich hole dich in genau einer Stunde ab.«
«Danke, amico.« Robert hängte ein. Das würde eine verdammt lange Stunde werden.
Eine halbe Stunde später hielten zwei Limousinen vor der Lido Bar. In beiden Wagen saßen je vier mit Maschinenpistolen bewaffnete Männer. Oberst Cesare stieg aus der ersten Limousine.»Alles muß blitzschnell ablaufen! Unbeteiligte dürfen nicht zu Schaden kommen.«