Damit hängte er ein.
«Haben Sie ihn?«blaffte Keller Adams an.
«Er hat aus Rom angerufen — irgendwo aus der Innenstadt. Mehr haben wir nicht herauskriegen können, weil er ständig die Nummern gewechselt hat.«
Der General sah zu Keller hinüber.»Und?«
«Ganz knapp verfehlt, Sir. Wir wissen nur, daß er irgendwo in Rom ist. Nehmen Sie seine Drohung ernst? Widerrufen wir den Befehl, ihn zu liquidieren?«
«Nein. Wir müssen ihn zum Schweigen bringen.«
Robert überlegte. Flughäfen, Bahnhöfe, Busbahnhöfe und Leihwagenfirmen würden überwacht werden. Er konnte in kein Hotel gehen, weil SIFAR-Leute seine Personenbeschreibung verbreiten würden. Trotzdem mußte er irgendwie aus Rom herauskommen. Er brauchte etwas zur Tarnung.
Plötzlich kam ihm ein Gedanke: Sie fahndeten nach einem einzelnen Mann. Also brauchte er eine Begleiterin!
An der nächsten Straßenecke stand ein Taxi. Robert zerzauste sein Haar, zog den Krawattenknoten herunter und torkelte wie ein Betrunkener auf den Wagen zu.»Hey!«grölte er heiser.»Sie da!«
Der Taxifahrer starrte ihn angewidert an.
Robert zog einen Zwanzigdollarschein aus der Tasche und klatschte ihn dem Mann in die Hand.»Hey, Freundchen, ich will irgendwo bumsen. Weischt du, was das heischt? Ver-stehscht du überhaupt Englisch?«
Der Fahrer betrachtete den Geldschein.»Sie wünschen, eine Frau?«
«Du hascht’s erraten, Kumpel. Ich wünsch’ eine Frau.«
«Andiamo«, sagte der Taxifahrer.
Er fuhr los, sobald der Betrunkene sich auf den Rücksitz hatte fallen lassen.
Zwanzig Minuten später hatten sie den von Nutten und Zuhältern bevölkerten römischen Rotlichtbezirk Tor di Quinto erreicht. Sie fuhren die Passeggiata Archeologica entlang, und der Taxifahrer hielt an einer Straßenecke.
«Hier finden Sie eine Frau«, sagte er.
«Danke, Kumpel. «Robert stieg schwankend aus. Das Taxi fuhr mit quietschenden Reifen davon.
Robert musterte seine Umgebung. Keine Polizei. Einige Autos, eine Handvoll Fußgänger. Auf dem Gehsteig flanierten ein gutes Dutzend Mädchen. Die meisten waren sehr attraktiv. Vor allem eine fiel Robert angenehm auf.
Sie schien Anfang Zwanzig zu sein, hatte lange schwarze Haare und trug unter ihrem offenen Kamelhaarmantel einen raffiniert geschnittenen schwarzen Rock und eine unschuldig wirkende weiße Bluse. Robert vermutete, daß sie nebenbei Schauspielerin oder Fotomodell war. Sie beobachtete ihn.
Robert torkelte zu ihr hinüber.»Hallo, Schatz«, murmelte er.»Schprichst du Englisch?«
«Ja.«
«Gut. Wie wär’s mit ‘ner kleinen Party zu zweit?«
Sie lächelte zögernd. Betrunkene können Scherereien machen.»Vielleicht solltest du erst wieder nüchtern werden«, sagte sie mit weichem italienischen Akzent.
«Hey, ich bin nüchtern genug!«
«Ich koste hundertfünfzig Dollar.«
«Einverschtanden, Schatz.«
«Va bene. Komm, wir gehen in ein Hotel gleich um die
Ecke.«
«Wunnerbar. Wie heischt du, Schatz?«
«Pier.«
«Ich heische Henry. «Er sah, wie ein Streifenwagen auf sie zukam.»Komm, wir hau’n ab.«
Die neiderfüllten Blicke der anderen Mädchen folgten Pier, als sie mit ihrem amerikanischen Freier davonging.
Das Hotel war kein Hassler, aber dafür verlangte der pickelige junge Mann an der Reception auch keinen Ausweis. Tatsächlich sah er kaum auf, als er Pier einen Zimmerschlüssel gab.»Siebzigtausend Lire.«
Robert zog drei Geldscheine aus der Tasche und gab sie dem jungen Mann.
Die Einrichtung des schäbigen Zimmers bestand aus einem französischen Bett, einem kleinen Tisch, zwei Stühlen und einem Spiegel über dem Waschbecken. Innen an der Tür waren mehrere Kleiderhaken angebracht.
«Bezahlt wird im voraus.«
«Klar. «Robert drückte ihr drei Fünfzig-Dollar-Scheine in die Hand.
«Grazie.«
Während Pier sich auszog, trat Robert ans Fenster, schob den Vorhang etwas zur Seite und beobachtete die Straße, ohne etwas Verdächtiges zu sehen. Er ließ den Vorhang sinken, drehte sich um und blickte Pier an, die jetzt nackt vor ihm stand. Sie hatte einen überraschend schönen Körper: feste junge Brüste, eine schmale Taille, sanft gerundete Hüften und lange, wohlgeformte Beine.
Sie zog die Augenbrauen hoch.»Willst du dich nicht ausziehen, Henry?«
Jetzt kam der schwierige Teil.»Ich hab’ doch ein bißchen zuviel getrunken«, gab Robert zu.»Ich bin zu nichts imstande, fürchte ich.«
«Wenn ich mich hier ausschlafe, können wir uns morgen früh lieben.«
Pier schüttelte den Kopf.»Ich muß arbeiten. Das Geschäft wartet nicht.«
«Kein Problem. «Er zählte fünf Hunderter ab und drückte sie ihr in die Hand.»Reicht das?«
Sie betrachtete das Geld, während sie überlegte. Das Angebot war natürlich sehr verlockend. Um diese Zeit ging das Geschäft ohnehin nicht besonders. Andererseits erschien ihr dieser Mann ziemlich seltsam. Er war gut angezogen und hätte für soviel Geld in ein Luxushotel gehen können. Was soil’s? dachte Pier schließlich.»Gut, meinetwegen. Aber wir haben nur dieses eine Bett.«
«Das genügt.«
Pier beobachtete, wie Robert erneut ans Fenster trat und den Vorhang einen winzigen Spalt weit aufzog.
«Suchst du was Bestimmtes?«
«Hat dieses Hotel einen Hinterausgang?«
Worauf hab’ ich mich bloß eingelassen? fragte sich Pier. Ihre beste Freundin war ermordet worden, weil sie sich mit Mafiosi eingelassen hatte. Pier bildete sich ein, etwas von Männern zu verstehen, aber der hier war ihr ein Rätsel. Obwohl er kein Verbrecher zu sein schien, benahm er sich, als sei er auf der Flucht…»Ja, hier gibt’s einen«, bestätigte sie.
Ein gellender Schrei ließ Robert zusammenzucken.
«Dios! Dios! Sono venuto tre volte!« rief eine Frauenstimme im Zimmer nebenan.
«Was sagt sie?«Roberts Herz schlug wie rasend.
Pier grinste.»Sie sagt, sie ist eben zum dritten Mal gekommen.«
Robert hörte Sprungfedern knarren.
«Willst du nicht ins Bett gehen?«Pier stand nackt da, ohne sich zu genieren, und betrachtete ihn.
«Klar. «Robert setzte sich auf die Bettkante, streifte nur die Schuhe ab und streckte sich auf seiner Hälfte aus.
«Ziehst du dich nicht aus?«
«Nein.«
«Wie du meinst. «Pier schlüpfte auf der anderen Seite unter die Steppdecke.»Hoffentlich schnarchst du nicht«, sagte sie noch.
«Morgen früh weißt du’s.«
Robert hatte nicht die Absicht zu schlafen. Er mußte die Straße im Auge behalten. Wenn seine Verfolger alle besseren Hotels abgesucht hatten, würden sie auch solche drittklassigen Absteigen kontrollieren. Er war todmüde. Schließlich deckte er sich zu, weil ihn fröstelte. Dann fielen ihm die Augen zu, und er war wieder zu Hause, wieder in seinem eigenen Bett. Neben sich spürte er Susans warmen Körper. Sie ist zurückgekommen, dachte er glücklich. Sie ist zu mir zurückgekommen. Baby, du hast mir so gefehlt!
Siebzehnter Tag Rom, Italien
Robert wachte auf, weil ihm die Sonne ins Gesicht schien. Abrupt setzte er sich auf, starrte erschrocken um sich und wußte nicht gleich, wo er war. Erst als er Pier sah, erinnerte er sich daran, wie er in dieses fremde Zimmer gekommen war, und atmete auf. Das Mädchen stand nackt vor dem Spiegel und bürstete sich die Haare.
«Buon giorno«, sagte sie lächelnd.»Du schnarchst nicht.«
Robert sah auf seine Armbanduhr. Schon fast 9 Uhr! Er hatte kostbare Stunden vergeudet.
«Möchtest du mich jetzt lieben? Schließlich hast du schon bezahlt.«