Выбрать главу

An der Via Toledo verlangte Pier:»Hier abbiegen!«

41

Sie näherten sich Spaccio Napoli, der Altstadt Neapels.

«Gleich dort vorn«, sagte Pier.»Wir biegen nach links in die Via Benedetto Croce ab.«

Robert bog ab. Der Verkehr wurde dichter, und das allgemeine Gehupe war ohrenbetäubend. Obwohl er nur langsam fuhr, mußte er einige Male bremsen, um nicht Fußgänger oder Hunde zu überfahren, die sich mit Todesverachtung durch den Verkehr schlängelten.

«Dort vorn rechts«, wies Pier ihn an,»auf die Piazza del Plebiscito. «Der Verkehr war hier noch dichter, und die Gebäude wirkten noch heruntergekommener.

«Halt!«rief Pier.

Robert hielt am Randstein vor einigen schäbigen Geschäften.»Hier wohnt deine Mutter?«fragte er.

«Nein«, sagte Pier,»natürlich nicht. «Sie beugte sich zu ihm hinüber und drückte auf die Hupe. Im nächsten Augenblick kam eine junge Frau aus einem der Läden. Pier stieg aus und lief ihr entgegen. Die beiden fielen sich in die Arme.

«Du siehst wundervoll aus!«rief die Neapolitanerin bewundernd.»Du verdienst wohl gut?«

«Allerdings. «Pier hob ihr Handgelenk in die Sonne.»Sieh nur — mein neues Armband!«

«Sind das echte Smaragde?«

«Natürlich sind sie echt.«

Die andere drehte sich nach dem Laden um, aus dem sie gekommen war.»Ilsa! Sieh mal, wer uns besucht!«

Erst jetzt fand Robert die Sprache wieder.»Pier…«

«Nur einen Augenblick, caro«, wehrte sie ab.»Ich muß meinen Freundinnen guten Tag sagen.«

Binnen kurzem umringten ein halbes Dutzend Frauen sie und bewunderten ihr neues Armband, während Robert in ohnmächtiger Wut zähneknirschend im Auto saß.

«Er ist verrückt nach mir«, verkündete Pier und drehte sich lächelnd zu Robert um.»Nicht wahr, caro?«

Robert hätte sie am liebsten erwürgt.»Ja«, sagte er.»Können wir jetzt weiterfahren, Pier?«

«In einer Minute.«

«Sofort!«knurrte Robert.

«Gut, meinetwegen. «Pier drehte sich nach den Frauen um.»Wir müssen weiter. Wir haben einen wichtigen Termin.

Ciao

«Ciao!«

Pier stieg neben Robert ein, und die Frauen drängten sich am Randstein zusammen, um ihnen nachzuwinken.

«Lauter alte Freundinnen«, sagte Pier glücklich.

«Wunderbar. Und wo lebt deine Mutter?«

«Oh, die wohnt nicht in der Stadt.«

«Wie bitte?«

«Sie wohnt in einem alten Bauernhaus am Stadtrand — eine Dreiviertelstunde von hier.«

Das ehemalige Bauernhaus am Südrand von Neapel war ein massives altes Steingebäude, das etwas abseits der Straße lag.»Wir sind da!«verkündete Pier.»Na, gefällt’s dir?«

«Ja. «Robert gefiel vor allem, daß das Haus weit von der Stadtmitte entfernt lag. Hier draußen würde ihn niemand suchen.

Als sie aufs Haus zugingen, wurde die Eingangstür aufgerissen, und Piers Mutter erschien lächelnd auf der Schwelle.

«Pier, cara! Mi sei mancata!«

«Du hast mir auch gefehlt, Mama. Dies ist mein amerikanischer Freund, von dem ich dir am Telefon erzählt habe.«

Piers Mama reagierte geistesgegenwärtig.»Ah? Herzlich willkommen, Mr…?«:

«Jones«, sagte Robert Bellamy.

«Kommt rein, kommt rein!«

Sie betraten das Wohnzimmer: ein großer, behaglicher Raum, der mit Möbeln vollgestopft war.

Nachdem sie sich gesetzt hatten, kam ein junger Mann Anfang Zwanzig ins Wohnzimmer geschlurft. Er war klein und schwarzhaarig und hatte ein schmales, mürrisches Gesicht mit unfreundlichen braunen Augen. Auf seiner roten Satinjacke war der Schriftzug Diavoli Rossi eingestickt. Seine Miene hellte sich auf, als er seine Schwester sah.»Pier!«

«Hallo, Carlo!«Sie umarmten sich.

«Was tust du hier?«

«Wir sind für ein paar Tage auf Besuch hier. «Sie wandte sich an Robert.»Dies ist mein Bruder Carlo. Carlo, das ist Mr. Jones.«

«Hallo, Carlo.«

Carlo musterte Robert prüfend.»Hallo.«

Mama ergriff das Wort.»Ich mache euch beiden Turteltäubchen das hübsche Zimmer nach hinten raus zurecht.«

«Wenn Sie nichts dagegen haben…«, begann Robert zögernd und sprach dann entschlossen weiter:»Falls Sie genug Platz haben, hätte ich lieber ein Zimmer für mich allein.«

Daraufhin entstand eine verlegene Pause. Die drei starrten Robert an.

Mama wandte sich an Pier. »Omosessuale?«

Ihre Tochter zuckte mit den Schultern. Keine Ahnung. Vielleicht ist er wirklich schwul.

Mama nickte Robert zu.»Ganz wie Sie wollen. «Sie umarmte Pier nochmals.»Ich bin so glücklich, daß du wieder da bist! Komm, wir gehen in die Küche. Ich koche uns einen Kaffee.«

In der Küche rief Mama begeistert aus: »Benissimo! Wo hast du ihn aufgegabelt? Er scheint ja wirklich sehr reich zu sein. Das Armband, das du trägst, muß ein Vermögen gekostet haben. Ach, ich freue mich so für dich, cara! Heut abend gibt’s ein großes Essen. Ich lade alle Nachbarn ein, damit sie deinen.«

«Nein, Mama, das darfst du nicht.«

«Aber warum sollen wir dein Glück nicht gemeinsam feiern, cara? Alle unsere Freunde werden sich mit dir freuen.«

«Mama, Mr. Jones möchte hier nur ein paar Tage ausspannen. Keine Einladung. Keine Nachbarn.«

Mama Valli seufzte.»Gut, wie du willst.«

Ich muß dafür sorgen, daß er außerhalb des Hauses verhaftet wird, damit Mama sich nicht aufregt.

Auch Piers Bruder war das Armband aufgefallen.»Ein Armband mit echten Smaragden, was? Hat meine Schwester das von Ihnen?«

Robert musterte Carlo und nickte dann langsam. Irgend etwas an dem Jungen gefiel ihm nicht.

Mutter und Tochter kamen aus der Küche zurück. Mama wandte sich an Robert.»Sie wollen wirklich nicht mit Pier schlafen?«

Robert war verlegen.»Nein.«

«Ich zeig’ dir dein Zimmer«, erbot sich Pier. Sie führte Robert nach hinten in ein gemütliches Schlafzimmer mit einem großen Doppelbett in der Mitte des Raums.

«Robert, hast du Angst davor, was Mama denken könnte, wenn wir zusammen schlafen? Sie weiß, womit ich mein Geld verdiene.«

«Nein, das ist’s nicht«, sagte Robert.»Aber ich…«Den wahren Grund konnte er ihr unmöglich erklären.»Tut mir leid, ich…«

«Schon gut. «Piers Stimme klang eisig.

Sie fühlte sich grundlos zurückgewiesen. Jetzt hatte Robert sich schon zweimal geweigert, mit ihr zu schlafen. Geschieht ihm ganz recht, wenn ich ihn der Polizei übergebe! dachte sie. Und trotzdem fühlte sie sich ein kleines bißchen schuldbewußt, denn Robert war wirklich sehr nett. Aber 50000 Dollar waren 50000 Dollar…

Beim Abendessen plapperte Mama Valli ununterbrochen, während Pier, Robert und Carlo schweigsam ihren eigenen Gedanken nachhingen.

Robert war mit seinem Fluchtplan beschäftigt. Morgen fahre ich zum Hafen hinunter und suche mir ein Schiff.

Pier dachte an das Telefongespräch, das sie noch zu führen hatte. Wenn ich von hier aus anrufe, kriegt die Polizei bestimmt mit Leichtigkeit unsere Nummer raus. Also werde ich in der Stadt telefonieren.

Carlo beobachtete den Fremden, den seine Schwester mit heimgebracht hatte.

Nach dem Essen gingen die beiden Frauen in die Küche hinaus. Robert blieb mit Carlo allein.

«Sie sind der erste Mann, den meine Schwester mitgebracht hat«, bemerkte Carlo.»Sie muß Sie sehr mögen.«

«Ich mag sie auch sehr.«

«Wirklich? Sie wollen also für sie sorgen?«