Robert dachte kurz nach.»Dann gibt’s den Telefontrick.«
Pier schmiegte sich enger an ihn.»Erzähl mir davon.«
«Äh… nehmen wir mal an, ein Spion, mit dem du zusammenarbeitest, ruft dich an, um rauszukriegen, ob alles in Ordnung ist. Er verlangt natürlich Pier. Ist alles okay, antwortest du: >Am Apparat. < Gibt’s dagegen Probleme, behauptest du: >Sie müssen sich verwählt haben.««
«Klasse!«rief Pier begeistert aus.
Meine Ausbilder auf der Farm bekämen Anfälle, wenn sie hören könnten, was für einen Blödsinn ich hier verzapfe.
«Kannst du mir noch was erzählen?«bettelte Pier.
Robert lachte.»Das waren genügend Geheimnisse für einen Morgen, finde ich.«
«Gut, wie du meinst. «Sie drängte sich gegen ihn.»Möchtest du jetzt duschen?«
«Gern. «Sie seiften sich unter dem warmen Wasserstrahl ab, und als Pier Robert zwischen die Beine griff, um sein Glied zu waschen, bekam er wieder eine Erektion.
Sie liebten sich unter der Dusche.
Während Robert sich anzog, schlüpfte Pier in einen Bademantel und huschte hinaus, um Frühstück zu machen.
Carlo wartete in der Küche auf sie.
«Erzähl mir von deinem Freund«, sagte er.
«Was ist mit ihm?«
«Er muß verdammt reich sein, sonst hätte er dir kein Smaragdarmband kaufen können.«
Sie zuckte mit den Schultern.»Er mag mich eben.«
«Weißt du, was ich glaube?«fuhr Carlo fort.»Ich vermute, daß dein Freund auf der Flucht ist. Ein Tip an die richtige Adresse könnte uns ‘ne Menge Geld einbringen.«
Pier fuhr mit blitzenden Augen auf ihn los.»Halt dich da raus, Carlo!«
«Aha, er ist also auf der Flucht!«
«Hör zu, Piscialetto, ich warne dich: Komm mir bloß nicht in die Quere!«Sie hatte nicht die Absicht, sich die Belohnung mit irgend jemand zu teilen.
«Schwesterchen«, sagte Carlo vorwurfsvoll,»du willst bloß alles für dich allein.«
«Nein. Du bist auf dem falschen Dampfer, Carlo.«
«Glaubst du?«
«Ich will dir sagen, was dahintersteckt«, fuhr Pier fort.»Mr. Jones ist auf der Flucht vor seiner Frau. Sie hat einen Privatdetektiv engagiert, der ihn aufspüren soll — das ist alles.«
Carlo lächelte heimtückisch.»Warum hast du das nicht gleich gesagt? Das ist natürlich was anderes. Reden wir nicht mehr davon.«
Ich muß rauskriegen, wer er in Wirklichkeit ist, dachte er.
Mehrere Beamte des Einwohnermeldeamts von Neapel versuchten, die gegenwärtige Anschrift von Pier Vallis Mutter festzustellen.
Ein Dutzend SIFAR-Agenten und die dortige Polizei durchkämmten die Stadt nach Robert Bellamy.
Carlo überlegte, wie er es anstellen sollte, die Identität des Amerikaners herauszubekommen.
Pier dachte an ihr bevorstehendes Telefongespräch mit Interpol.
42
Die in der Luft liegende Gefahr war so greifbar, daß Robert Bellamy sie beinahe mit Händen fassen konnte. Im Handelshafen, in dem Schiffe be- und entladen wurden, herrschte reger Betrieb. Doch es gab hier noch andere rege, für ihn höchst bedrohliche Aktivitäten: Streifenwagen fuhren die Kais entlang; und uniformierte Polizeibeamte und Kriminalbeamte in Zivil fragten Seeleute und Hafenarbeiter aus.
Offensichtlich wußten die Fahnder also, daß er in Neapel war, denn sie konnten unmöglich in sämtlichen italienischen Großstädte so intensive Nachforschungen anstellen.
Robert machte sich nicht einmal die Mühe, aus dem Auto zu steigen, sondern wendete und verließ den Hafenbezirk. Hier gab es keine Chance, unerkannt an Bord eines Frachters nach Frankreich zu gelangen. Robert überlegte, welche Möglichkeiten ihm noch offenstanden. Längere Autofahrten waren gefährlich, denn die Ausfallstraßen würden kontrolliert werden. Der Hafen wurde überwacht, also konnte er davon ausgehen, daß auch der Bahnhof und der Flughafen verstärkt kontrolliert wurden. Damit saß er in der Falle.
Robert dachte an Susans Angebot. Wir liegen vor Gibraltar im Mittelmeer. Wir können dich an Bord nehmen, wo du willst. Es widerstrebte ihm, Susan in seine gefährliche Lage hineinzuziehen, aber er sah keine andere Möglichkeit mehr. Dies war der einzige Ausweg aus der Falle. Auf einer Privatjacht würden sie ihn nicht suchen. Wenn’s mir irgendwie gelingt, auf die Halcyon zu kommen, dachte er, können sie mich vor Marseille absetzen, und ich sehe zu, daß ich irgendwie an Land komme. Auf diese Weise bringe ich sie nicht in Gefahr.
Er parkte in einer Nebenstraße und ging zu Fuß zum nächsten Postamt. Fünf Minuten später war er mit der Halcyon verbunden und hörte Susans Stimme.»Robert… bist du’s?«
«Unkraut vergeht nicht.«
«Du… du bist doch nicht etwa verhaftet worden?«
«Nein. Hör zu, Susan…«Es fiel ihm schwer, diese Frage zu stellen.»Gilt dein Angebot noch?«
«Natürlich! Wann…?«
«Könnt ihr bis heute abend vor Neapel sein?«
Susan zögerte.»Augenblick, ich frage mal. «Robert hörte Stimmen im Hintergrund. Dann meldete Susan sich wieder.»Monte sagte, daß wir Probleme mit den Motoren haben, aber in zwei Tagen könnten wir in Neapel sein.«
Verdammt! Mit jedem Tag, den er in dieser Stadt verbrachte, vergrößerte sich die Gefahr, daß er geschnappt wurde.»Okay, das wäre in Ordnung.«
«Wie finden wir dich?«
«Ich melde mich noch mal.«
«Robert, bitte paß gut auf dich auf.«
«Das versuche ich schon. Ich geb’ mir wirklich Mühe.«
Susan legte den Hörer auf, drehte sich zu ihrem Mann um und lächelte.»Er kommt an Bord.«
Eine Stunde später reichte Francesco Cesare in Rom Oberst Johnson ein Telegramm von der Halcyon. Der Text lautete: Bellamy kommt an Bord der Halcyon. Halte Sie auf dem laufenden. Der Name des Absenders fehlte.
«Ich habe veranlaßt, daß sämtliche Nachrichtenverbindungen der Halcyon überwacht werden«, sagte Cesare.»Sobald Bellamy an Bord geht, haben wir ihn.«
43
Je länger Carlo Valli über diese Sache nachdachte, desto sicherer war er sich, daß hier viel Geld zu verdienen war. Piers Märchen, daß der Amerikaner auf der Flucht vor seiner Frau sei, war ein Witz. Mr. Jones befand sich auf der Flucht — aber vor der Polizei. Wahrscheinlich war eine Belohnung auf seine Ergreifung ausgesetzt. Eine hohe Belohnung. Aber die Sache mußte geschickt eingefädelt werden. Carlo beschloß, mit Mario Lucca, dem Anführer der Diavoli Rossi, darüber zu reden.
Also setzte er sich frühmorgens auf seine Vespa und fuhr in die Via Sorcella hinter der Piazza Garibaldi. Er stieg vor einem heruntergekommenen Wohnhaus ab und drückte auf den Klingelknopf neben einem Pappschild mit dem ungelenk hingekritzelten Namen LUCCA.
«Scheiße, wer ist das?«rief eine verschlafene Stimme aus dem ersten Stock.
«Carlo. Ich muß was mit dir bereden, Mario.«
Der Türöffner summte, und Carlo ging in den ersten Stock hinauf.
Mario Lucca stand nackt in der Wohnungstür. Im Zimmer dahinter sah Carlo ein Mädchen in seinem Bett.
«Was zum Teufel willst du um diese nachtschlafende Zeit von mir?«
«Ich hab’ nicht schlafen können, Mario. Ich bin zu aufgeregt. Ich hab’ ne große Sache, glaub’ ich.«
«Echt? Komm rein.«
Carlo betrat die kleine, unaufgeräumte Wohnung.»Gestern abend hat meine Schwester ‘nen Freier mitgebracht.«
«Und deshalb holst du mich um diese Zeit aus dem Bett?«
«Ja, aber der Kerl ist reich. Und er ist auf der Flucht.«