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Sie musste den Menschenkindern dort draußen einen Schrecken einjagen, der sie vom Eingang zum Keller vertrieb und nicht zu schnell zurückkommen ließ. »Dein Schwert!«

Che sah sie völlig verdattert an. »Das ist zu klein für dich …«

»Es ist nicht die Größe eines Schwertes, die über seinen Wert entscheidet.«

Der Kobold wirkte, als wollte er noch etwas sagen, doch dann entschied er sich anders. Schon einmal hatte er ihr sein Schwert überlassen. Auf der Brücke gegen die Untoten. Schweigend reichte er ihr die Waffe.

Ailyn wog sie prüfend in der Hand. Die Klinge war kopflastig. Langsam schlug die Elfe eine liegende Acht. Dann vollführte sie einige der einfacheren Figuren aus Gonvalons Schwerttanz. Der Waffe fehlte es an Eleganz. Sie war darauf ausgelegt, schnelle, wuchtige Hiebe zu führen. Dennoch, für ihre Zwecke würde es genügen.

»Was willst du tun?«, fragte Groz.

»Dafür sorgen, dass die Menschenkinder an einem anderen Ort mit Feuer spielen. Ihr bleibt hier!« Entschlossen stieg sie die Treppe hinauf. Sie sah, wie die Menschen neue Kleiderbündel in Öl tränkten. Sie hatten ihre Botschaft nicht verstanden. Ein unerklärlicher Windstoß, der den Rauch vertrieb und die Feuer verlöschen ließ, war nicht genug – sie mussten einer stählernen Klinge begegnen.

»Da!« Ein Krieger mit Fackel in der Hand deutete zu ihr hinab und wich zurück.

Hinter einem Berg aus Lumpenbündeln hob ein Mann mit langen Zöpfen seinen Bogen. In fließender Bewegung zog er die Sehne durch und ließ den Pfeil davonschnellen. Ailyn hob das Schwert. Kreischend zog der Pfeil über die leicht schräg gestellte Klinge und hinterließ eine feine Furche im Stahl. Das Geschoss zog knapp zwei Zoll an ihrem linken Ohr vorbei.

Fassungslos starrte der Bogenschütze sie an.

»Lauft oder ihr werdet sterben«, sagte sie in der Sprache der Steppenreiter.

Der Bogenschütze hob erneut seine Waffe, und aus den Augenwinkeln sah Ailyn zwei Krieger mit Waffen, die wie spitz zulaufende Hämmer aussahen. Hinter dem Bogenschützen erschienen weitere Kämpfer.

»Lauft jetzt, oder sieben werden sterben, bevor ich euch das nächste Mal Gelegenheit gebe zu fliehen«, wiederholte Ailyn ruhig.

»Tötet den Daimon!«, schrie jemand, der hinter den Flammen des Feuers nur ein vager Schatten war.

Ein weiterer Pfeil flog ihr entgegen.

Sie hob die Klinge vor ihre Brust. Diesmal wählte sie einen anderen, weniger spitzen Winkel. Stahl kreischte auf Stahl. Dann erklang ein gurgelnder Schrei. Sie musste nicht hinsehen, um zu wissen, dass der Pfeil den vorderen der beiden Krieger mit Dornäxten in die Kehle getroffen hatte.

»Eins!«, sagte sie kalt und setzte mit einem Sprung über das Feuer hinweg.

Drei schnelle Schritte brachten sie zu dem Bogenschützen, der bereits den nächsten Pfeil aufgelegt hatte. Ein glatter Stich durchtrennte die Bogensehne und traf ihn knapp über dem Brustbein.

»Zwei!« Ailyn packte den Sterbenden und riss ihn wie einen Schild schützend vor sich. Zwei Speere bohrten sich in die Brust des Schützen.

Die Elfe ließ ihn los. Zwei kurze, kraftvolle Hiebe zerschmetterten die Schäfte der Speere, als die Angreifer ihre Waffen aus dem Leib des Toten befreiten. Ailyn trat zwischen die Krieger. Ein kurzer, präziser Stoß mit dem Ellenbogen traf den linken knapp hinter dem Ohr und brach ihm das Genick. Mit der Rechten wirbelte sie das Schwert herum und stieß es im Vorübergehen gerade nach hinten, sodass die Klinge die Leber des zweiten Speerträgers traf.

»Drei und vier!«

Sie griff mit der Linken in die Luft und schnappte die Lederschlinge, die ein grauhaariger Krieger nach ihr geworfen hatte. Mit einem Ruck riss sie ihm das gedrehte Seil aus der Hand und ließ es wie eine Peitschenschnur vorschnellen. Das Seil wickelte sich um eine Schwertklinge. Ein weiterer Ruck, und die Waffe segelte durch die Luft. Knapp verfehlte sie einen gedrungenen Krieger mit einer Wolfsfellweste, der sich in ihren Rücken geschlichen hatte. Sie war nicht mehr gut in Form, dachte Ailyn ärgerlich. Ihr fehlten die endlosen Übungsstunden in der Weißen Halle.

Die Männer vor ihr wichen zurück. Blankes Entsetzen stand in ihren Augen. Ailyn setzte nach. Erneut ließ sie die Schnur des Lassos vorschnellen. Sie wickelte sich um den Hals des Grauhaarigen, der eben noch versucht hatte, sie mit dem Lasso zu fangen. Entsetzt griff der Krieger mit beiden Händen nach der Schnur, die eng um seine Kehle lag. Ailyn duckte sich in die Knie und zerrte ruckartig an der Schnur. Deutlich hörte sie das Genick des Alten brechen.

»Fünf!«

Die meisten der Steppenreiter liefen jetzt einfach davon. Ailyn nahm einen Speer auf, den einer der Fliehenden fallen gelassen hatte. Sie waren gewarnt gewesen, dachte sie kühl, als sie den Arm hob und den Speer schleuderte. Die Waffe traf den hintersten der Flüchtenden in den Rücken. Mit einem gellenden Schrei riss er die Arme hoch, stürzte auf sein Gesicht, kroch noch ein kleines Stück und blieb dann liegen.

»Sechs!«

Sie drehte sich um. Hinter ihr stand der Krieger in der Wolfsweste. Er war bis zur Wand des Hauses zurückgewichen, in dessen Keller Ailyn mit den letzten Überlebenden ihrer Truppe Zuflucht gesucht hatte. Die Flammen des Feuers verwandelten das Gesicht des Kriegers in eine Maske aus Licht und Schatten.

»Hast du keine Angst vor mir?«, fragte Ailyn.

Der Krieger hob sein Schwert. »Eine Todesangst.« Er klang resigniert. Es war die Stimme eines Mannes, der sich in sein Schicksal ergeben hatte.

»Und warum läufst du dann nicht fort?«

»Mein Fürst hat mich hierhergeschickt, um zu sterben. Wenn ich fliehe, dann wird er mich wegen Feigheit hinrichten lassen. Da mir nur bleibt, mich für die Art meines Todes zu entscheiden, wähle ich den ehrenhaften Weg.« Er hob sein Schwert herausfordernd und machte einen Schritt auf sie zu.

Ailyn griff nach einem Schwert, das an einem Lumpenbündel lehnte. Es war eine lange, schmale Klinge mit einer breiten Mittelrippe. Die Waffe war aus Bronze gefertigt. Ein Elfenschwert aus Silberstahl würde sie mit einem einzigen Hieb zerbrechen.

»Bist du bereit?«

Ein Ausfallschritt war die Antwort des Steppenkriegers. Er versuchte mit seinem Schwert einen Stich in ihren Fuß. Ailyn trat einfach einen Schritt zurück. Der Angriff war nicht ungeschickt ausgeführt gewesen, doch zu langsam. Ihr Gegner wich zurück. Sie las in seinen Augen, dass er wusste, was nun kommen musste. Er fürchtete sich nicht.

Die Elfe fegte die Klinge des Steppenreiters mit dem Zwergenschwert zur Seite und setzte mit dem Bronzeschwert zu einem Stich an. Selbst die primitive Waffe durchdrang ohne Mühe die Wolfsfellweste. Die Wucht ihres Angriffs ließ den Krieger zurücktaumeln. Er schlug gegen die Wand, und das Schwert drang ins Mauerwerk ein.

»Sieben!«, sagte Ailyn mit Bedauern.

»Wer die Regeln macht, der hat auch die Macht, sie zu ändern …« Der Krieger sprach nur leise und unter sichtlichen Schmerzen. Er griff mit beiden Händen nach dem Schwert.

»Genau das habe ich getan. Diese Wunde wird dich nicht schnell töten. Haben deine Männer den Mumm zurückzukehren, dann können sie dich retten. Es wird etwa eine Stunde dauern, bis du verblutet bist. Ziehst du die Waffe aus der Wunde, geht es sehr viel schneller. Vielleicht wirst du auch vor Ablauf der Stunde erfrieren, weil das Blut deine Kleider durchnässt. Dein Leben liegt nicht länger in meiner Hand.«

»Du hättest …«

»Nein«, entgegnete Ailyn ohne Zorn. »Ich hätte nicht anders handeln können. Ich habe euch angeboten, in Frieden zu gehen. Ihr habt abgelehnt. Ich mache stets wahr, was ich sage. Solltest du rechtzeitig gefunden werden, dann sag deinen Gefährten, dass noch sehr viele von euch sterben werden, wenn ihr versucht, diesen Keller hier zu stürmen. Ignoriert uns, und ich verspreche dir, wir werden unser selbst gewähltes Gefängnis in dieser Nacht nicht verlassen. Wir sind keine Gefahr, außer ihr entscheidet es so.«