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Ein warmer Glanz lag in Mondschattens Auge. Nodon tätschelte die Nüstern des Hengstes. Sie fühlten sich kalt an. »Mögen die Alben deine Seele ins Mondlicht geleiten.«

Der Schweif des Pegasus strich schwach über das Eis. Ein Zucken lief durch seine Beine.

»Ich bin bei dir, mein Freund.«

Mondschattens Auge weitete sich. Wieder zuckten seine Beine. Er wollte aufstehen, wollte dem Tod stehend begegnen.

»Erinnerst du dich an den Sommer, in dem wir uns zum ersten Mal begegnet sind. Du hattest mich gesehen, obwohl ich gut getarnt in einem Dornbusch lauerte. Du warst der größte Hengst in deiner Herde. Ein König im Bainne Tyr. Selbst die Löwen dort respektierten dich und fürchteten sich vor deinen schweren Hufen.«

Nodon hauchte ein Wort der Macht und wob einen Zauber. Ein sanfter warmer Wind kam auf und spielte mit den zerzausten Federn des gebrochenen Flügels.

»Ich habe mich für unsichtbar gehalten in dem Gebüsch, du aber bist davongeprescht und auf geweiteten Schwingen auf dem warmen Wind des Bainne Tyr in den Himmel gestiegen. Wenn ich daran denke, dann ist es mir, als könnte ich den Wind selbst jetzt spüren. Als müsste ich nur die Augen schließen, um dort zu sein.«

Mondschattens Blick hielt ihn gefangen. Jetzt lag Frieden in dem großen, schwarzen Auge. Seine Nüstern wölbten sich. Er schnaubte.

»Du bist eine weite Kehre geflogen und zurückgekehrt, um mich unter deinen mächtigen Hufen in meinem Gebüsch zu zertrampeln. Ich habe mich flach auf den Boden geworfen, und dann haben wir einander zum ersten Mal in die Augen gesehen. Beide haben wir große, schwarze Augen, nicht wahr, mein Schöner.« Nodon spürte, wie das Blut nun schwächer durch die große Halsader pulsierte. Unter dem Hengst hatte sich eine erschreckend große Lache gebildet.

»Als du mir in die Augen gesehen hast, da wusstest du, dass wir füreinander bestimmt sind. Natürlich hast du dir das nicht eingestanden, alter Dickkopf. Du hast nur davon abgesehen, mich zu zertrampeln, bist nahe beim Busch gelandet und hast mich lange angesehen. Und als ich Trottel dir einen Strick über den Hals werfen wollte, habe ich mir doch noch einen Huftritt eingefangen.« Nodon lachte leise. »Du warst eine ganz schön zimperliche Braut. Zwei Wochen hat es gedauert, bis ich dich zum ersten Mal berühren durfte. Über einen Mond, bis ich dich zum ersten Mal geritten habe. Und bis du bereit warst, deine Herde zu verlassen, hat es fast ein halbes Jahr gedauert. Dabei hast du schon am ersten Tag gewusst, dass es so enden würde. Aber etwas wissen und nachzugeben, das war nie deine Sache, mein Freund.«

Der Glanz war aus dem Auge des Pegasus gewichen. Nodon drückte das Lid herab und ließ seine Hand darüber ruhen. »Ich wünsch dir einen guten Steigwind, wohin immer deine Seele auch fliegen mag, Mondschatten.«

Lange kniete Nodon neben dem toten Pegasus. Er spürte, dass er nach einer Weile nicht mehr allein war, aber er drehte sich nicht um. Wer immer gekommen war, verstand seinen Schmerz und dass der Abschied seine Zeit brauchte.

Endlich war er so weit. Mit einem Seufzer richtete er sich auf. Seine Beine fühlten sich taub an, fast so sehr wie seine Seele.

Ailyn war zu ihm gekommen. Er war überrascht, die Drachenelfe hier zu sehen.

»Ich habe die Vorhut geführt«, sagte sie ruhig.

Offensichtlich waren ihm seine Gedanken allzu deutlich anzusehen gewesen. Er straffte sich und wollte sich zur unerschütterlichen Ruhe zwingen, die ihnen in der Weißen Halle anerzogen worden war. Die Kunst, ihre Emotionen zu verbergen, ließ Fremde leicht glauben, dass Drachenelfen keine Gefühle hatten. Doch das stimmte nicht. Und hier, an der Seite seines toten Pegasus, der ihn so viele Jahre begleitet hatte, mochte es Nodon einfach nicht gelingen, einen gleichmütigen Eindruck zu erwecken.

Ailyn sah aus, als wäre sie gerade erst aus einem Festsaal getreten. Weiß und makellos stand sie vor ihm. Sie trug nicht einmal eine Waffe. Man konnte kaum ungeeigneter für ein Schlachtfeld wirken, als sie es tat. Doch da waren eine Härte und eine Entschlossenheit in ihrem Gesicht, die keinen Zweifel aufkommen ließen, dass sie es gewohnt war, Befehle zu geben.

»Wer ist sonst noch hier?«, fragte Nodon müde.

»Von uns? Keiner. Sie halten die Drachenelfen zurück. Außer denen, die sie loswerden wollen. Was hast du verbrochen, um hier zu sein?«

Nodon sah Ailyn durchdringend an. Auch wenn sie äußerlich dieselbe war, lag da ein Unterton in ihrer Stimme, der neu war. Nicht nur Zynismus. Sie klang geradezu rebellisch.

»Ich schätze, ich habe zu viele Fragen über Nandalee gestellt.«

Ailyns Augen wurden schmaler. »Wie meinst du das?«

»Es ist …« Nodon wusste selbst nicht recht, wie er es in Worte fassen sollte. »Ihre Kinder. Sie hätten längst zur Welt kommen sollen. Diese Schwangerschaft … sie wird immer unheimlicher. Nandalee hat ihr Zimmer abgedunkelt. Es darf kein Licht dort sein. Sie wirkt völlig apathisch und irgendwie unheimlich. Ich habe Nachtatem darauf angesprochen, immer wieder. Ich habe ihn angefleht, dem ein Ende zu machen. Er hat mich ignoriert. Und dann kam der Befehl, hierherzukommen.« Nodon schnaubte. »Ich soll seine Augen sein, hat er gesagt, aber es ging nur darum, mich loszuwerden. Wie es aussieht, kann ich ja nun zurückkehren. Das Gemetzel ist beendet.«

»Wie kommst du darauf?«

Nodon deutete zur Brücke, von der dunkler Rauch aufstieg. »Die Brücke brennt. Wir können sie nicht mehr verfolgen.«

»Unser Heerführer sieht das anders.«

Nodon war überrascht. Er hätte Solaiyn, dem verbitterten alten Elfenfürsten aus Arkadien, dem die Himmelsschlangen rätselhafterweise den Oberbefehl gegeben hatten, nicht viel Initiative zugetraut. Bisher hatte er sich als ausgesprochen phantasielos erwiesen.

»Solaiyn will die doppelrumpfigen Boote am Ufer nutzen, um eine Schiffsbrücke über den Fluss zu schlagen. Er hat schon Wagen zurück nach Wanu geschickt, um dort Holz und Seile zu holen.«

Nodon betrachtete die brennende Brücke. »Das ergibt doch keinen Sinn. Wir werden mindestens einen Tag für den Bau einer solchen Schiffsbrücke benötigen. Bis dahin werden alle Menschenkinder durch den Albenstern geflohen sein, durch den sie hergekommen sind.«

»Das glaube ich nicht«, sagte Ailyn düster. »Die Himmelsschlangen haben andere Pläne mit ihnen.«

Alles ist verloren

Sie sah den Löwen aus dem Himmel stürzen. Er fiel nicht wie ein Stein, aber es war offensichtlich, dass die Landung mit einem Unglück enden musste. Das prächtige Tier tat nichts, um den Flug zu verlangsamen. Und beide Reiter hingen leblos im Sattel.

Shaya hatte das Gefühl, dass ihr eine unsichtbare Macht die Kehle zuschnürte. War das Aaron, der Reiter mit dem karmesinroten Umhang?

»Unsere Unsterblichen haben in die Niederungen von uns Sterblichen gefunden, wie es scheint«, sagte Ninwe in einem Zynismus, der sonst ganz und gar nicht ihre Art war.

»Ich muss dorthin!« Shaya scherte aus dem langen Zug von Flüchtlingen aus, in den sich ihr gestern noch so stolzes Heer verwandelt hatte.

Ninwe packte sie beim Arm und versuchte sie zurückzuhalten. »Nicht! Sie werden nicht wollen, dass solche wie wir unsere göttlichen Herrscher so sehen.« Aufrichtige Sorge stand nun in ihren Augen. »Solche wie wir sind nicht dazu geboren, mit Unsterblichen zu verkehren. Daraus wird dir nichts Gutes erwachsen. Bleib hier!«

Shaya riss sich los. Sie musste Aaron sehen. Als sie loslief, hatte der Löwe fast den Boden erreicht. Mit ein paar kraftlosen Flügelschlägen versuchte die Kreatur aus lebendem Metall, weiter fort vom Nebel und den Feinden zu kommen. Die Adler, die ihn zuvor angegriffen hatten, kreisten hoch am Himmel und unternahmen keinen Versuch mehr anzugreifen.

Eine Wolke von Schnee stob auf, als der Löwe niederging. Obwohl Shaya fast eine halbe Meile entfernt war, hörte sie das Kreischen von Metall. Unheimliche Stille folgte. Etliche Steppenreiter preschten zur Absturzstelle. Jetzt erst wurde der gefallenen Prinzessin bewusst, dass einer der beiden Reiter ihr Vater Madyas gewesen sein musste.