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Die Drachenelfe sah Farella in einer Mischung aus Faszination und Entsetzen an. Was war das für ein Mädchen? »Hast du nie zugesehen, wie in der Küche einem Hasen das Fell abgezogen wurde?«

»Nein.« Sie schüttelte heftig den Kopf. »Ich habe zugesehen, wie Hühner oder Fasane gerupft wurden und wie man Fische putzt, aber Häuten ist wohl ganz anders, oder?«

»Es ist kein schöner Anblick. Ich in deinem Alter …« Bidayn wurde sich des Fehlers bewusst, den sie gerade gemacht hatte. Sie hatte Farella wieder nur als Kind gesehen. »Entschuldige. Also ich wäre, als ich klein war, laut schreiend fortgelaufen, hätte ich mir ansehen müssen, wie man einem süßen Hasen sein Fell über die Ohren zieht. Aber ich werde es dir zeigen, sobald sich der Trubel rund um das Hochzeitsfest gelegt hat. Versprochen! Jetzt sag du mir, warum dir daran so viel gelegen ist.«

»Was ich kenne, fürchte ich weniger. Der, der das getan hat, ist der noch in der Stadt?«

»Wahrscheinlich nicht. Jäger ziehen weiter. Vergiss die arme Enya, hier im Haus deines Vaters bist du in Sicherheit. Hier kann dir kein Fremder etwas zuleide tun.«

Farella stand auf und kam zu ihr herüber. Einen Moment lang hatte Bidayn das Gefühl, ihre Stieftochter wolle sie umarmen und an sich drücken. Doch dann blieb sie plötzlich stehen. »Du riechst anders.« Sie schnupperte. »Das ist Veilchenduft wie in Enyas Schneiderei.«

»Mein Kleid duftet danach«, log Bidayn, die nur zu gut wusste, dass sie es war, die diesen Duft verströmte. »Anders als bei deinem Kleid ist Kruppa nicht mehr dazu gekommen, es waschen zu lassen.« Sie streckte Farella beide Hände entgegen. »Komm her! Wir werden jetzt etwas tun, was für jede Dame vor einem großen gesellschaftlichen Anlass verpflichtend ist. Wir werden sündhaft teures Parfüm auflegen. Diese Kreation wurde eigens für mich geschaffen. Es ist ein Geschenk deines Vaters für mich. Reines Rosenöl mit einem Hauch von Vanille und einer Idee von Orangenduft.« Sie deutete auf den kostbaren Flakon aus Bergkristall, der vor dem Spiegel stand. »Komm, hab keine Scheu.«

Farella trat vor den Spiegel und betrachtete sich kritisch. »Wenn ich nur nicht aussehen müsste wie ein Kind!«

»Dies vermag ich nicht zu ändern«, sagte Bidayn bedauernd. »Aber ich kann dich in die Geheimnisse der Frauenwelt einführen.« Sie öffnete den Flakon und tupfte mit dem Glasstäbchen an der Unterseite des Verschlusses ein wenig Parfüm auf den Nacken des Mädchens. Sofort erfüllte ein betörender Duft die Ankleidekammer.

Farella seufzte. »Wie ein Sommertag in einem Rosengarten.«

»Nicht wahr«, bekräftigte Bidayn. »Und nun heb deine Hände.« Sie tupfte dem Mädchen noch ein wenig Parfüm auf die Innenseite der Handgelenke. »Dies ist kein billiges Duftwässerchen. Das ganze Fest lang wird dir der Hauch des Sommers anhaften. Das richtige Parfüm zum richtigen Anlass aufzutragen ist eine hohe Kunst. Dieser Duft wird dafür sorgen, dass sich jeder in deiner Anwesenheit wohlfühlt. Und nur die wenigsten werden den Grund dafür erraten. Dies ist eine von vielen Möglichkeiten, einen Mann zu betören. Und es hat nichts mit deinem Alter und Aussehen zu tun. Düfte schummeln sich am Verstand vorbei und erwecken unmittelbar Emotionen.«

Farella sah dankbar zu ihr auf, während auch Bidayn ein wenig des kostbaren Duftwassers auf ihren Nacken und ihr Dekolleté strich. Sorgfältig verschloss sie den kostbaren Flakon. »Komm, Farella, gehen wir hinab und tun das, wozu man Hochzeitsfeste für hübsche Mädchen wie uns veranstaltet.«

Farella ergriff zwar ihre Hände, sah sie aber fragend an. »Was soll das sein?«

»Wir werden hemmungslos mit unseren wunderschönen Kleidern angeben, alle anderen Frauen schlecht neben uns aussehen lassen und allen Männern den Kopf verdrehen«, entgegnete Bidayn gut gelaunt und dachte dabei an einen ganz besonderen Elfen. Den einen, der unter jenen, um die sie den Goldenen gebeten hatte, noch fehlte.

Asfahal

Asfahal zügelte seinen Schimmel und sah auf die kleine Hafenstadt hinab. Uttika. Bis vor zwei Wochen hatte er von diesem Nest nicht einmal gehört. Erst in jener denkwürdigen Nacht, in der der Goldene ihn in Elfengestalt in einem Freudenhaus in Solfalah aufgesucht hatte, hatte er erfahren, dass sein Schicksal von nun an mit Uttika verbunden sein würde. Der Goldene war sehr höflich aufgetreten. Er hatte lediglich einen Wunsch geäußert – aber wer würde den Wunsch einer Himmelsschlange missachten. Im Übrigen war der geflügelte Herrscher so freundlich gewesen, all seine Schulden zu begleichen und ihn mit einer überaus großzügigen Reisekasse auszustatten. Asfahal lächelte in sich hinein. All das war schon gut gewesen, das Beste jedoch war die Genugtuung, einen Auftrag durch eine Himmelsschlange zu bekommen. Ausgerechnet er, Asfahal, den die Meister der Weißen Halle in Schimpf und Schande davongejagt hatten, gehörte nun doch noch zu den Auserwählten der geflügelten Herrscher.

Der Elf schlug den langen, weißen Umhang über die Schulter zurück und tastete nach dem schmalen, eleganten Silberreif, der sein Haar zurückhielt. Er wollte eine gute Figur machen, wenn er auf der Hochzeit eintraf. Heute müsste der Tag sein, den ihm der Goldene für das Fest genannt hatte, es sei denn, er hatte sich während der langweiligen Reise durch das weite Grasland verrechnet. Aber auch das wäre egal. Es war nie falsch, eine gute Figur zu machen.

Er gab seinem Schimmel die Fersen und eilte in leichtem Trab den Hang hinab, der Stadt entgegen.

Das Jaulen von Sackpfeifen begrüßte ihn, noch bevor er das Stadttor erreichte. Ein Trupp Kentauren preschte ihm entgegen. Nicht mehr alle waren ganz sicher auf den Hufen. Einer von ihnen hielt eine bunt bemalte Amphore mit beiden Armen umschlungen wie eine Geliebte, wobei sein struppiger, roter Kinnbart in den Amphorenmund hing. »Wein!«, rief er ausgelassen. »Dieser Geizhals Shanadeen hat eine ganze Galeerenladung Wein verschenkt, damit heute alle auf sein wunderschönes Weib trinken können.«

»Mir scheint, ich bin zur rechten Zeit gekommen«, sagte der Elf lächelnd.

Ein donnernder Rülpser war die Antwort des Pferdemanns, der ihn mit glasigen Augen ansah. »Ich trink aber gar nicht auf sein Weib. Glaubst du auch, ihr Elfen könnt uns einfach alles vorschreiben? Dass ich seinen Wein genommen habe, gibt ihm kein Recht, sich wie mein Herr aufzuspielen«, lamentierte der Kentaur.

»Absolut nicht!«, sagte Asfahal mit aller Ernsthaftigkeit, die er aufzubringen vermochte. »Erweist du mir die Gunst, mir zu verraten, auf wen du trinkst?«

»Das ist mal ein Elf, der sich zu benehmen weiß«, grölte der Amphorenträger seinen Kameraden hinterher. »Ich trink auf meinen Bruder. Den haben sie zu dem Heer geholt, das die Alben nach Nangog geschickt haben.« Dem Zecher stiegen Tränen in die großen Augen. »In meinem ganzen Leben gab es keinen Tag, an dem ich meinen Bruder nicht gesehen habe. Ihn einfach so fortzuschicken war nicht richtig. Was haben wir mit Nangog und den verfluchten Menschenkindern am Hut?« Er hob die Amphore an die Lippen und nahm einen tiefen Schluck, wobei mehr Wein über seine Brust als durch seine Kehle rann. Dann hielt er Asfahal das massige Tongefäß hin. »Trink auf meinen Bruder!«

Der Elf dachte an den struppigen Bart, der in den Wein gehangen hatte, und schüttelte den Kopf. »Nein, nicht hier.«

»Du willst …« Die Adern am Hals des traurigen Zechers schwollen an.

»Ich muss auf ein Hochzeitsfest und bin spät. Dort werde ich auf deinen Bruder trinken. Vor Fürsten und Kaufherren werde ich einen Trinkspruch auf deinen Bruder ausbringen, auf dass alle ihm zu Ehren ihre Becher heben werden.«

Der Kentaur ließ die schwere Amphore sinken. Seine blauen Augen füllten sich mit Tränen. »Das würdest du tun?«

»Wie heißt dein Bruder?«

»Aegidos.« Er stieß einen weinerlichen Schluchzer aus. »Meine Eltern haben ihn so genannt, weil sein Fell struppig wie das einer Ziege war. Er ist drei Jahre jünger als ich. Aber alle mochten ihn. Er ist zum Anführer einer Rotte gewählt worden, als er ging.« Der Kentaur blickte in den weiten, blauen Himmel. »Ich bete zu den Alben für dich, kleiner Bruder. Mögen sie ihre schützende Hand über dich halten!«