Schüchtern schüttelte sie den Kopf. »Nein, lieber nicht.«
»Aber du begleitest mich doch?«
Deutlich war Mayas kleinem Gesicht anzusehen, mit welch widerstreitenden Gefühlen sie rang. Schließlich sagte sie entschlossen: »Ja!«
Asfahal lächelte zufrieden. »Darf ich Euch … dir die Haare richten?«
Sie sagte nichts, aber ließ zu, dass seine schlanken Finger durch ihr rabenschwarzes Haar glitten und den Dutt, aus dem sich einige Strähnen gelöst hatten, neu richteten. Währenddessen griff sie nach seinem Umhang und schnäuzte sich laut hinein. Kobolde, dachte Asfahal indigniert, ließ sie aber gewähren.
Endlich ließ sie den Umhang fahren und sah schüchtern zu ihm auf. »Sieht man noch, dass ich geweint habe?«
»Ein wenig, aber bis wir den Palast erreicht haben, werden alle Spuren deiner Tränen verschwunden sein. Zeigst du mir den Weg?«
»Ja.« Sie wollte schon losgehen, als er sie an der Schulter zurückhielt.
»Wir sind Ehrengäste. Wir gehen doch nicht zu Fuß.« Asfahal hob sie vor seinen Sattel, wo sich ihre Hände ängstlich in die Mähne des Schimmels krallten. Dann saß er auf. »Du bist noch nicht oft geritten, nicht wahr?«
»Noch nie«, flüsterte sie unsicher.
»Schwing beide Beine auf eine Seite. So rutscht dein Kleid nicht hoch, und es sieht damenhafter aus, wenn du reitest. Und keine Sorge, ich halte dich gut fest. Du wirst nicht herunterfallen.«
Maya befolgte seinen Rat zögerlich. Er legte seinen Arm um sie, um ihr das Gefühl von Sicherheit zu geben, und führte den Schimmel aus der Gasse heraus über den Marktplatz.
Die Koboldin schmiegte sich an ihn. »Alle starren uns an«, flüsterte sie.
»Das ist das Schicksal hübscher Damen«, entgegnete er gut gelaunt, und zum ersten Mal kicherte Maya.
Sie zeigte ihm den Weg durch Uttika, und schließlich gelangte er vor das große Stadthaus des Kaufmanns Shanadeen. Eine flache Rampe führte hinauf zum doppelflügeligen Eingangstor. Einige Kentauren in frisch geölten Lederpanzern und mit prächtig bestickten Pferdedecken oder wallenden Umhängen standen vor dem Tor und plauderten. Von breiten Ledergurten, die ihnen quer über die Brust liefen, hingen lange Schwerter. Gurte und Scheiden waren mit Goldblechen beschlagen. Die meisten von ihnen trugen Armreife oder schwere Halsringe. Es waren eindrucksvolle Gestalten, ihre Pferdeleiber viel massiger als die ihrer Brüder aus dem weiten Grasland. Sie erinnerten mit den großen Hufen und starken Beinen mehr an Kaltblüter, die dafür gezüchtet worden waren, schwere Lastkutschen zu ziehen.
Ihr Geschmack war barbarisch. Die Farben ihrer Umhänge zu grell. Sie trugen zu viel Schmuck. Und einige hatten sogar ihre Augen mit dunkler Farbe umrandet, was geradezu grotesk aussah.
Asfahal lenkte seinen Schimmel die Rampe hinauf. Aus einer Nische am Eingang trat ein Faun hervor und wollte nach den Zügeln greifen, als der Elf ihn mit einem scharfen Zischen davon abhielt. »Lass das!«
»Aber Herr, Ihr könnt doch nicht …«
»Einen Pferdearsch in die gute Stube bringen?«, fragte Asfahal laut. »Warum, dort befände ich mich dann doch in bester Gesellschaft.«
Der Diener sah ängstlich zu den Kentauren am Eingang, die inmitten ihrer Gespräche verstummt waren.
Asfahal spürte, wie Maya sich ängstlich an ihn drückte. Er strich ihr sanft über den Kopf. »Keine Sorge, meine Dame, alles wird gut werden.« Mit diesen Worten trieb er den Schimmel in die weite Empfangshalle des Stadtpalastes.
Weitere Diener, Kobolde und Faune wichen vor ihm zurück, als er seinen Hengst tänzelnd auf der Stelle drehen ließ, um sich die prächtige Halle anzusehen. Zwei breite Rampen führten rechts und links in die oberen Stockwerke. Hoch über ihm wölbte sich eine weite Kuppeldecke, die ein Bild schmückte, das ziehende Vögel und weiße Wolken vor blauem Himmel zeigte und bei dem Betrachter den Eindruck erweckte, gar nicht in einem Haus, sondern unter freiem Himmel zu stehen.
Das gegenüberliegende Ende der Halle beherrschte eine große, offen stehende Flügeltür. Asfahal gab seinem Schimmel die Hacken und preschte durch die Tür mitten in die Hochzeitsgesellschaft.
Pferdeärsche und Erdbeerpunsch
Asfahal genoss die empörten Schreie und den Aufruhr, den er verursacht hatte. Elfenedle zogen erschrocken ihre Damen zur Seite. Zwei bocksbeinige Diener stürmten ihm entgegen und versuchten, nach den Zügeln zu greifen, aber sein Hengst stieg, und hastig brachten sie sich vor den wirbelnden Vorderhufen in Sicherheit.
Die kleine Kapelle auf einer Bühne am Rand der Halle verstummte. Einen Moment lang erklang noch die kristallklare Stimme der Sängerin, die ein Loblied auf den goldenen Segen der Ehe darbrachte. Dann verstummte auch sie.
Irgendwo fiel klirrend ein Glas zu Boden. Sonst war es bedrückend still.
»Tausende unserer Brüder und Schwestern kämpfen heute irgendwo auf Nangog für unsere Freiheit. Und wir feiern rauschende Feste …«, sprach Asfahal und lenkte sein Pferd zu einem prächtig gewandeten Kaufherrn. »Dein Glas!«, herrschte er den hochgewachsenen Elfen an, der es ihm erschrocken reichte.
Er richtete sich im Sattel auf und hob das mit Rotwein gefüllte Kristallglas hoch über den Kopf. »Auf Aegidos den Kentauren, der heute für uns in einer weit entfernten Welt kämpft. Und auf seinen Bruder, der vor Kummer und Sorge vergeht.«
Asfahal genoss es, in die Gesichter ringsherum zu blicken und die Vielzahl unterschiedlicher Emotionen zu sehen. Da waren offene Wut über seinen infamen Auftritt, Betroffenheit, und manche wirkten auch einfach nur verstört, weil er sich über sämtliche Etikette hinwegsetzte. Einige senkten die Augen vor seinem herausfordernden Blick. Und Bidayn? Sie lächelte ihn an. Ihr schien sein Auftritt gefallen zu haben, ganz im Gegensatz zu dem alten Kerl an ihrer Seite, der wohl ihr frischgetrauter Ehemann war.
»Wer bist du, dass du es wagst, diesen Ehrentag meiner Frau zu stören?« Der ältere Elf hob drohend seine Faust, unternahm aber nichts weiter, als ihn finster anzustarren. Ein zahnloser Wolf, dachte Asfahal.
»Er ist mein Halbbruder«, erklärte Bidayn.
Nun war auch Asfahal überrascht. Das war nicht mehr die junge, ein wenig ängstliche Elfe, die er vor langer Zeit in der Weißen Halle gesehen hatte. Sie wirkte unendlich selbstbewusster. Und ihr Kleid … Er gestattete sich, seinen Blick auf ihr verweilen zu lassen, und wahrscheinlich vermochte ihm jeder anzusehen, wie sehr ihm gefiel, was er erblickte. Dieses Kleid war eine einzige Provokation.
Bidayn legte dem Elfen an ihrer Seite beschwichtigend die Hand auf den Arm. »Bitte entschuldige, dass ich dich nicht vorgewarnt habe, mein Lieber. Asfahal schätzt große Auftritte, doch sein Sinn für gutes Benehmen kann im besten Fall als eingeschränkt bezeichnet werden. Ich hatte ihm zwar eine Einladung geschickt, bin aber selbst überrascht, dass ausgerechnet er als Einziger aus meiner Familie hierhergefunden hat.« Sie hob ihr Glas in Asfahals Richtung. »Willkommen in Uttika, mein Bruder.« Dann wandte sie sich an die Gesellschaft. »Doch trinken wollen wir heute in der Tat auf unsere Helden, die ihr Leben wagen, damit wir in Sicherheit sind. Auf Aegidos und all die anderen, die für uns kämpfen!« Mit diesen Worten setzte sie das Kristallglas an die Lippen und leerte es in einem einzigen, langen Zug.
Jetzt kam wieder Leben in die Festgesellschaft. Dutzende hoben ihre Gläser und stimmten in Bidayns Trinkspruch ein. Diese Spießer, dachte Asfahal abfällig. Wie glücklich sie waren, dass Bidayn mit ein paar netten Worten ihre Welt wieder in Ordnung gebracht hatte. »Komm, suchen wir uns etwas Gebäck«, sagte er zu Maya, die ihr Gesicht in seinem Arm vergraben hatte, als würde sie am liebsten vor aller Welt verschwinden. »Ich liebe Süßigkeiten. Du auch?«
Kaum dass er sich dem großen Buffet zuwenden wollte, legte sich eine schwere Hand auf seine Schulter, und das, obwohl er noch auf dem Pferd saß. Überrascht drehte er sich um und sah sich dem größten Kentauren gegenüber, dem er jemals begegnet war. Der Krieger war selbst unter seinesgleichen ein Hüne. Ein zu öligen Locken gelegter roter Vollbart beherrschte das sonnengebräunte Gesicht, aus dem ihn zwei himmelblaue Augen anblitzten, als wollten sie ihn durchbohren. Eine steile Zornesfalte stach über der schmalen Nase des Kentauren empor. Er trug einen schweren Goldring um den Hals, der in zwei prächtigen Löwenhäuptern endete. Weitere Goldreifen bedeckten seine Arme, und ein schwerer, purpurner Umhang lag auf seinen Schultern. Sein von Narben bedeckter Oberkörper war nackt. Nur ein breiter, roter Schwertgurt lief darüber hinweg. Asfahal wünschte sich, diesem Narren einmal am Spieltisch gegenüberzusitzen. Ganz augenscheinlich gab es bei ihm eine Menge zu holen.