»Wenn du mich bitte entschuldigen würdest? Ich habe gerade meiner Dame versprochen, mit ihr ein wenig Naschwerk zu kosten.«
Die Hand drückte nur schwerer auf seine Schulter.
»Es wäre höflich, mich kurz gehen zu lassen. Ich setze mich dann gerne später mit dir auseinander.«
»Ich bin Sekander, Fürst von Uttika, und das enthebt mich der Pflicht, mich fremden Großmäulern gegenüber höflich benehmen zu müssen. Und jetzt erklär mir mal, warum du hier hoch zu Ross einreitest. Willst du uns Kentauren verarschen?«
Asfahal lächelte. Ein Fürst, der so direkt zur Sache kam, war ihm eigentlich sympathisch. Aber natürlich würde er deshalb jetzt nicht vor aller Augen zurückstecken. »Du liegst richtig, Sekander. Es hat in der Tat etwas mit Ärschen zu tun. Ich blicke ungern zu Männern mit einem Pferdearsch auf. Wahrscheinlich liegt das an mangelndem Selbstbewusstsein.«
Der Fürst stampfte mit den Hufen. Es fiel ihm augenscheinlich schwer, an sich zu halten. »Ich würde eher sagen, was dir mangelt, ist Benehmen. Ich weiß ja nicht, was in deinem Elternhaus geschehen ist, aber ich persönlich habe die Erfahrung gemacht, dass Prügel dabei helfen, aufmüpfigen Rotzlöffeln Benimm beizubringen.«
Asfahal maß den Kentauren mit spöttischem Blick. »Du siehst in der Tat aus wie jemand, der gerne Kinder schlägt. Verprügelst du auch Frauen, oder sind die schon zu groß und stark für dich?«
»Und du? Versteckst du dich hinter Kindern, um vor meinen Fäusten sicher zu sein.«
Wieder war es im Festsaal still geworden. Die Elfen und Kobolde um sie herum wichen zurück. Bald standen sie inmitten eines weiten Kreises.
Aus dem Augenwinkel sah Asfahal, wie Shanadeen von seinem erhöhten Sitz voller Genugtuung auf ihn herabblickte. Ganz offensichtlich war der Hausherr überzeugt, dass dies hier kein gutes Ende für Bidayns vermeintlichen Bruder nehmen würde. Entweder verlor er sein Gesicht und bettelte um Gnade vor Sekander, oder er holte sich eine gehörige Tracht Prügel.
Dann lieber Prügel, dachte Asfahal. »Ich würde vorschlagen, wir lösen unseren Disput wie Männer«, sagte er zu Sekander gewandt. »Fäuste?«
Der Kentaurenfürst nickte. »Immerhin hast du Schneid, Elflein. Ich werde mich bemühen, dich nicht wie eine Laus zu zerquetschen.«
Asfahal glitt aus dem Sattel und hob dann Maya hinab. Statt davonzulaufen, stellte sich die kleine Koboldin zwischen ihn und den Kentauren. »Bitte, Fürst, tut ihm nichts zuleide. Er ist nicht böse …«
Sekander tänzelte unruhig. Das scharfe Klacken seiner Hufe war der einzige Laut, der in der großen Halle zu hören war. »Er wird nur gerade so viel Prügel bekommen, dass er sich wieder daran erinnert, wohin er gehört. In einer Woche kann er sicher wieder laufen.«
Asfahal nahm Maya unter den Achseln, trat kurz aus dem Kreis und hob sie auf den nächsten Tisch. »Mach dir keine Sorgen um mich«, flüsterte er. »Eigentlich mögen mich Pferde. Sekander wird das auch noch entdecken.«
Als Asfahal zurückkehrte, löste der Kentaur seinen Schwertgurt und reichte ihn einem seiner Männer. »Du könntest vor mir niederknien und um Gnade bitten, Elf.«
»Ich hab es in den Knien. Ich kann leider nicht.«
Sekander stieß ein Schnauben aus, das an einen wütenden Hengst erinnerte. Dann preschte er vor.
Asfahal wich aus. Er bewegte sich tänzelnd und behielt die Hufe im Blick. Der Fürst war bestimmt kein ritterlicher Kämpfer. Sicher würde er versuchen, einen Tritt zu landen, wenn es Gelegenheit dazu gab.
Wieder wich Asfahal aus. Er spürte den Steinboden unter den Tritten des Fürsten erbeben. Funken stoben von dessen Hufeisen. Sekander bewegte sich vorsichtig. Der glatte Untergrund war nicht ideal für ihn, und dessen war er sich wohl bewusst.
Um Asfahal mit den Fäusten zu treffen, musste sich der Kentaur weit vorbeugen. Der Pferdemann war groß wie ein Troll. Seine Fausthiebe wirkten wuchtig wie Hammerschläge. Er versuchte, den Elfen in eine Ecke zu drängen.
Der weite Kreis der Gaffer bewegte sich mit ihnen. Asfahal war sich bewusst, dass er keine gute Figur machte. Bislang hatte er sich ganz darauf beschränkt, den Schlägen und Tritten des Fürsten auszuweichen. Als Sekander selbstsicher zu ihm herablächelte, stürmte der Elf mit einem wütenden Schrei vor und verpasste dem Kentauren zwei Fausthiebe auf die Brust, die jedoch nicht die geringste Wirkung zeigten. Schon rammte Sekander ihn mit seinem Leib. Asfahal taumelte zurück. Er sah den Huftritt kommen und wich nicht ganz zurück. Der Kentaur traf ihn am Oberschenkel. Die Wucht ließ den Elfen weiter nach hinten taumeln. Erst spürte er keinen Schmerz. Sein Bein war taub. Er stürzte rückwärts gegen einen der Tische des Buffets und versuchte sich festzuhalten. Seine Hände krallten sich in das weiße Leintuch. Dann rutschte er zu Boden. Silbertabletts und zwei große Schüsseln mit Punsch gerieten ins Rutschen. Mit lautem Klirren zersplitterten die Kristallschüsseln. Große Lachen von Erdbeerpunsch ergossen sich über den Boden.
Gelächter erklang. Asfahal hörte, wie Wetten abgeschlossen wurden. Schade, dass er nicht setzen konnte. Die Quote stand geradezu vernichtend gegen ihn.
Sekander baute sich vor ihm auf.
Asfahal hob die Hand. »Einen Augenblick … Lass uns die Etikette wahren. Wenigstens dieses eine Mal.«
Der Kentaur sah ihn verdutzt an, versuchte aber nicht, ihn niederzuschlagen oder erneut zu treten.
Der Punsch breitete sich immer weiter auf dem Steinboden aus. Asfahal fischte eine der Erdbeeren aus der Lache und schob sie sich in den Mund. »Köstlich«, rief er laut aus. Dann verbeugte er sich in Richtung des erhöhten Sitzes des Hausherrn. »Bitte entschuldigt die Unordnung. Achtet nächstes Mal besser darauf, wen ihr auf eure Gästeliste setzt. Kentauren wissen sich einfach nicht zu benehmen.«
»Du kleine Ratte!« Sekander stampfte mit den Hufen und kam ihm dabei noch ein wenig näher, entschlossen, ihm dieses Mal den Rest zu geben.
Asfahal achtete genau auf den Rhythmus der Hufe. Diese tänzelnde Bewegung, das war die Schwäche des Fürsten. Er fischte nach einer weiteren Erdbeere und entging, indem er sich vorbeugte, knapp einem wuchtigen Fausthieb. Nachdem er ein paar Erdbeeren zusammengefegt hatte, kam er leicht schwankend wieder hoch. »Du solltest auch mal eine der Früchte kosten. Erlesen, sage ich dir.«
»Ich lass sie dich alle vom Boden lecken, du …«
Jetzt, dachte Asfahal und ließ sich fallen. Wieder tänzelte der Kentaur, und in dem Augenblick, als nur eines seiner Vorderbeine fest auf dem Boden stand, trat Asfahal aus der Sturzbewegung heraus zu. Der eisenbeschlagene Huf hatte keinen Halt auf dem nassen, glatten Steinboden. Unter dem Treffer brach er zur Seite aus. Sekander stieß den anderen Fuß nieder. Genau in die Erdbeeren, die Asfahal zusammengefegt hatte. Er rutschte weg, stieß einen überraschten Laut aus und brach in die Knie.
Asfahal griff in den geölten Bart des stürzenden Kentauren, fand Halt und war mit einem Satz wieder auf den Beinen, um dann Sekander mit aller Wucht den Ellenbogen gegen die Schläfe zu hämmern.
Der Fürst keuchte auf und sackte zur Seite weg.
Einige Kentauren griffen nach ihren Schwertern, doch Sekander winkte halb benommen vom Boden. »Lasst ihn. Er hat gewonnen.«
Asfahal war überrascht, dass der Fürst seine Niederlage so ritterlich nahm. Er streckte Sekander die Hand hin, war aber nicht wirklich in der Lage, dem massigen Kentauren wieder auf die Beine zu helfen. Der rutschige Boden machte den Versuch aufzustehen zu einem tückischen Unterfangen. Schließlich war die Hilfe von vier Pferdemännern notwendig, um Sekander hochzubekommen.